Fitness fürs Immunsystem. Ralf Kerkeling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ralf Kerkeling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783667122001
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einem späteren Kapitel einiges darüber erfahren. Bei so viel Immunkompetenz bietet es sich an, im Darm nach Indikatoren für die Stärke des Immunsystems zu suchen – also etwa nach einer besondere Abwehrkräfte verleihenden Zusammensetzung der Darmflora. Tatsächlich ist diese Suche einer der gegenwärtig am stärksten vorangetriebenen Forschungsinhalte weltweit.

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      LUNGEN UND IMMUNSYSTEM

      Nach den Grundlagen der Arbeitsweise des Immunsystems geht es jetzt in medias res, also in unserem Fall zu den Wirkungen ausdauersportlicher Aktivität auf die Immunlage und Abwehrkraft wichtiger Organsysteme.

      Bereits in Ruhe tätigt ein Erwachsener im Schnitt zwölf bis 16 Atemzüge pro Minute. Das sind bei einem Zugvolumen von etwa 500 Millilitern sechs bis acht Liter Luft, in der sich so einiges an Belebtem und Unbelebtem tummelt, was der menschlichen Gesundheit nicht zuträglich ist. Somit ist das Atmungssystem eine der größten potenziellen Eintrittspforten für Schädlinge. Durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist das Thema Lungengesundheit und Abwehrkraft in bisher nicht da gewesener Weise in den weltweiten Fokus getreten. Unabhängig von Corona ist die Erkenntnis relativ neu, dass intakte Lungenzellen entscheidend an der Steuerung des Immunsystems beteiligt sind. Erst 2009 publizierten Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig Forschungsergebnisse, die zeigen, dass die Schleimhautzellen in den Lungenbläschen in der Lage sind, zwischen gefährlichen und harmlosen Eindringlingen zu unterscheiden und die Abwehrreaktionen adäquat zu regulieren. Angesichts Tausender Fremdstoffe, die wir mit jedem Atemzug inhalieren, ist das ein extrem wichtiger Mechanismus, der sicherstellt, dass die Abwehrmaschinerie nicht ein Dauerfeuer entfacht, das womöglich körpereigene Gewebe schädigt oder aber so träge ist, dass bedrohliche Erreger ungeschoren passieren können.

      Es geht also um die Balance zwischen Aktivierung und Drosselung von Abwehrreaktionen. Erreicht wird das über die Freisetzung spezieller Botenstoffe – sogenannter Zytokine –, die der Abwehr dienende Entzündungsprozesse situationsgerecht verstärken oder abmildern. Somit sind Entzündungen grundsätzlich eine normale, in vorderster Front agierende Abwehrstrategie des Immunsystems. Sie haben zunächst einmal nichts mit dem Schreckgespenst einer Lungenentzündung zu tun, die nicht nur bei Infektionskrankheiten wie Covid-19 lebensgefährlich sein kann, sondern auch für Menschen, die aufgrund verschiedener Grunderkrankungen sowie nach schweren Operationen zum längeren Liegen gezwungen sind. Solche sekundären, also sich zu einer bestehenden Erkrankung gesellenden Lungenentzündungen, sind Folge einer unzureichenden Belüftung und Durchblutung (Perfusion) beider Lungenflügel. In unterversorgten Lungenbereichen herrschen oft ideale Bedingungen für die Ansiedlung verschiedener lungenentzündlicher Erreger. Die beste Prävention besteht somit darin, für eine gute und raumgreifende Lungendurchlüftung und -perfusion zu sorgen. Und da gibt es keine bessere Methode als die regelmäßige körperliche Aktivität an frischer Luft.

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       ZYTOKINE STEUERN ENTZÜNDUNGEN

       Der Abwehr dienende Entzündungsreaktionen werden über spezielle Botenstoffe (Zytokine) vermittelt. Werden aber übergroße Zytokinmengen produziert (Zytokinsturm), läuft das Immunsystem heiß. Ein Übermaß an Abwehrzellen verursacht dann immer heftigere Entzündungen – im Fall von Covid-19 schwere Lungenentzündungen. Ausdauersport hilft, die Zytokinproduktion in der Balance zu halten.

       ABWEHRKRAFT IN ALLEN ECKEN

      Die Lungenperfusion (Durchblutung) ist für den Gasaustausch – die Beladung des Blutes mit Sauerstoff und die Entsorgung von CO2 – genauso wichtig wie die Ventilation (Belüftung). Wie gut die Lungenflügel mit Blut und Atem versorgt und wie viele der etwa 300 Millionen Lungenbläschen am Gasaustausch beteiligt werden, wird maßgeblich von der Körperposition und -aktivität bestimmt. In Ruhe werden nur etwa 50 Prozent der Lungengefäße (Kapillaren) durchblutet. Die andere, als Reservekapillaren bezeichnete Hälfte wird erst bei körperlicher Aktivität geöffnet, um die ganze Lunge in den Gasaustausch einzubinden. In Bezug auf die Immunstärke ist das hoch relevant, da auch »Abwehrwaffen« wie spezifische Antikörper und Immunzellen im Blut zu ihren Einsatzorten transportiert werden. Minderdurchblutete Lungenbereiche sind bei einem Angriff von Schadstoffen und Krankheitserregern schlecht aufgestellt, bilden quasi die »pulmonale Achillesferse«.

      Beim Ausdauersport werden die Lungen nicht nur durch den Anstieg von Atemfrequenz und -zugvolumen (bis zu vier Liter!) besser durchlüftet, sondern auch bis in die letzten Ecken von Blut perfundiert. Folglich werden deutlich mehr Lungenbläschen am Gasaustausch beteiligt, und Immunzellen/Antikörper, die von der körpereigenen Abwehr gegen gefährliche Krankheitserreger wie (Corona-)Viren und Bakterien hergestellt werden, gelangen in entlegene Lungenregionen, die im Ruhezustand weitgehend ungeschützt sind. Gerade lungengängige Viren wie SARS-CoV-2 fühlen sich in minderdurchbluteten und damit kaum von Antikörpern erreichten Lungenbereichen am wohlsten. Die komplett von Blut durchströmten Lungen von Sportlern bilden keine so heimelige Atmosphäre für fiese Winzlinge. Moderates Laufen, Radfahren, Rudern oder Schwimmen an frischer Luft gehören zu den wirksamsten immunstärkenden Eigenmaßnahmen – auch im Kampf gegen Corona-Biester.

      HERZ UND GEFÄSSE – INFRASTRUKTUR

      Dass Ausdauersport den Herzmuskel leistungsfähiger macht und über die Senkung von Blutdruck, -zucker und -fettwerten der Gefäßgesundheit zugutekommt, ist wissenschaftlich sattelfest untermauert. Ausdauersport gehört unstrittig zu den besten Präventionsmaßnahmen gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, den Haupttodesursachen weltweit.

      Deutlich seltener werden die positiven Herz-Kreislauf-Wirkungen des Sporttreibens im Hinblick auf das Immunsystem verkündet. Besonders zwei Faktoren gehören herausgestellt, um die Bedeutung eines trainierten Blutgefäßsystems samt antreibender »Pumpe« für eine leistungsfähige Abwehrlage zu vermitteln.

       STAUFREIES WEGENETZ MIT HOHER ANTRIEBSKRAFT

      An erster Stelle ist die Transportfunktion zu nennen. Wenn sich Ausdauersportler über ihre Blutwerte austauschen, fallen gewöhnlich Begriffe wie Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Hämoglobin (roter Blutfarbstoff), Eisen, Laktat (Milchsäure), Zucker und Fett. Durchaus verständlich, denn das sind aussagekräftige Größen, wenn es um den Sauerstoff- und Nähstofftransport, den Trainingsund Erschöpfungszustand, also insgesamt um Fitness und Leistungsfähigkeit geht. Aber das vom Herz über das weit verästelte Gefäßsystem durch den gesamten Körper gepumpte Blut ist als universelles Transportmittel auch für die Beförderung von Stoffen zuständig, die nicht unmittelbar für die Leistungserbringung verantwortlich sind. Die für die zelluläre Immunität sowie für die Herstellung spezifischer Antikörper verantwortlichen Lymphozyten (B-Zellen, T-Zellen, Killerzellen) werden im Knochenmark produziert. Ihre Reifung zu funktionstüchtigen Abwehrzellen erfolgt sodann in anderen lymphatischen Organen – in Lymphknoten, Milz und Thymus. Von hier werden sie bei Bedarf von Botenstoffen zu den Einsatzorten dirigiert. Dieses gesamte »Reisegeschehen« aller Beteiligten setzt eine gut funktionierende Infrastruktur voraus, also ein möglichst fein verzweigtes, staufreies Wegenetz und ein intaktes Transportmedium mit starkem Antrieb.

      Gefragt sind somit freie, nicht durch Fettablagerungen verengte oder durch überhöhte Zuckerwerte und permanenten Überdruck beschädigte Blutgefäße sowie ein kräftiger Herzmuskel, der mit großem Schlagvolumen für den Antrieb sorgt. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, gibt es keine bessere Methode, als regelmäßig Ausdauersport zu betreiben. Die dadurch angeregte Gefäßneubildung-Vaskularisierunggenanntsorgt dafür, dass Abwehrzellen, Antikörper und Botenstoffe des Immunsystems