Das Geheimnis der Greta K.. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718476
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gab sich zurückhaltend und ging auf die Flirtversuche der Herren nur gerade so weit ein, dass es nicht unhöflich wirkte. Aber sie vermied auch nur den Hauch einer Ermutigung.

      Gerade als die Unterhaltung ein wenig abebbte – man hatte über Tennis gesprochen, dem die beiden Engländer Polo als eleganter und exklusiver vorzogen -, sagte Mister Buxter zu Greta: »Sie sind auf diesem Gemälde sehr gut getroffen!«

      »Wie? Was meinen Sie?« fragte Greta verwirrt.

      »Nun, dieses Gemälde neben dem Kamin. Es stellt Sie doch dar, nicht wahr?«

      Alle blickten von Mister Buxter zu Greta und dann zu dem Bild. Es zeigte eine mittelalterliche Dame in einem sehr starren Gewand, mit schmaler, spitzer Taille und einem weiten Ausschnitt, der die Brüste und einen Teil der Oberarme freigab. Das Haar war völlig von einer Haube verdeckt. Das Gesicht mit den sehr ausgeprägten Jochbögen und den leuchtend grünen Augen hatte im wechselnden Licht der auflodernden Flammen etwas Lebendiges, und es zeigte auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Greta, die ihr zuvor nie aufgefallen war.

      »Sie meinen, ich hätte mich in einem Kostüm malen lassen?« fragte sie und lachte.

      »Ja, genau das.«

      »Aber nein, das bin ich nicht. Es ist ein ganz altes Bild, und ich weiß nicht einmal, wen es darstellt.«

      »Wie schade!« sagte Mister Buxter. »Wenn es doch wenigstens eine Ahnfrau von Ihnen darstellen würde!«

      »Bei Tageslicht würden Sie bestimmt erkennen, dass sie nichts mit mir zu tun hat. Übrigens wirkt die Dame nicht einmal sympathisch.« »Es ist unsere Weiße Frau«, erklärte Hans-Philipp überraschend.

      »Du machst Spaß!« rief Inge. »Das ist nicht nett von dir, Hans-Philipp. Wir sollen uns wohl gruseln?«

      Greta hatte etwas Ähnliches gedacht, aber nicht ausgesprochen, weil sie nicht wusste, worauf ihr Mann hinaus wollte.

      »Nein, durchaus nicht. Es stellt eine Ulrike von Werdenfels dar. Sie war im fünfzehnten Jahrhundert Burgherrin von Salm.«

      »Warum hast du mir nie von ihr erzählt?« fragte Greta.

      Er zuckte die Achseln. »Es gab keinen Grund dazu.«

      »Und sie spukt wirklich?« fragte Inge aufgeregt.

      »Man erzählt es.«

      »Und warum? Es muss doch irgendetwas passiert sein, wodurch solche Geschichten aufkommen«, meinte Greta.

      »Es heißt, sie hätte ihren Mann betrogen.«

      »Und?«

      »Na ja, ihr wisst, dass man damals bei so etwas keinen Spaß verstand.« Hans-Philipp sah sich in der Runde um. »Es heißt, ihr Mann hätte sie einmauern lassen … Bei lebendigem Leibe.«

      »Huh« machte Inge.

      »Wo?« fragte Mister Buxter.

      »Hier in der Burg.« Mit einer Handbewegung brachte er die Ausbrüche des Entsetzens zum Schweigen. »Kein Grund zur Aufregung. Bevor ich hier einzog, habe ich die Burg gründlich von Bauleuten untersuchen lassen. Ich versichere euch, es gibt keinen zugemauerten Raum oder dergleichen. Falls er einmal vorhanden gewesen sein sollte – was ich sehr bezweifle -, ist das Skelett der Dame längst entfernt und das Zimmer wieder geöffnet worden.«

      »Aber wenn das stimmt, könnte sie ja nicht spuken!« rief Inge. »Vielleicht tut sie es ja auch gar nicht. Ich selber habe es jedenfalls nicht erlebt.«

      »Aber die Leute erzählen es sich?« fragte Greta nachdenklich.

      »Ja, die Dorfbewohner. Die wenigsten sind wohl so verrückt, so etwas zu glauben.«

      Jetzt begriff Greta, warum keines der Mädchen, die zur Hilfe heraufkamen, wie auch heute Abend, über Nacht auf der Burg bleiben wollte. »Das hätte ich wissen sollen«, meinte sie.

      »Unsinn! Warum solltest du dich mit Schauermärchen befassen?«

      Darf man fragen, wie der Spuk vor sich gehen soll?« erkundigte sich Mister Smith.

      »Es heißt, dass sie als Weiße Frau durch Gänge und Räume der Burg wandelt.«

      »Macht sie Lärm dabei?«

      »Das nicht. Sie bewegt sich ganz lautlos und strömt eisige Kälte aus.« Greta schauderte. »Unheimlich!«

      Er lachte. »Ich habe es absichtlich zu eurer Unterhaltung so erzählt. Ich selber bin überzeugt, dass kein Wort daran wahr ist. Wie gesagt, ich habe ihr Auftreten selber nie erlebt.«

      »Aber jemand anders?« fragte Greta.

      »Nein«, antwortete er.

      »Aber selbst wenn es ein Gespenst auf der Burg gäbe«, fragte Inge, »woher weiß man denn so genau, dass es diese Ulrike ist?«

      »Niemand weiß etwas, Inge. Es sind alles nur Geschichten. Entweder sind sie einfach dadurch entstanden, dass es in so einem alten Gemäuer manchmal zieht – der berühmte eisige Hauch, der das Gespenst begleitet -, und dass jemand oder auch einige Bewohner zuviel Fantasie gehabt haben. Vielleicht hat auch einer meiner Vorbesitzer alles nur frei erfunden, weil eine Burg mit Gespenst für ihn wertvoller und interessanter schien als ohne.«

      »Oh, der Meinung ist man auf unserer Insel auch!« stimmte Mister Smith ihm zu. »Jeder Schlossherr ist stolz auf sein Gespenst. Außerdem sind sie unter Umständen von finanziellem Interesse. Spukerscheinungen ziehen Touristen an.«

      Die beiden Engländer überboten sich jetzt mit Geschichten von falschen, aber auch echten Gespenstern. Obwohl sie es mit viel Ironie taten, war die Wirkung doch, gerade hier in dem altertümlichen Raum beim wechselvollen Licht des Feuers und dem Krachen der Buchenscheite im Kamin, gruselig genug. Hans-Philipp, der ja selber das Thema zur Sprache gebracht hatte, versuchte vergeblich, davon abzulenken. Als die alte Standuhr Mitternacht schlug, entstand eine plötzliche Stille; alle erwarteten unwillkürlich das Auftreten der Weißen Dame.

      »Ich hoffe, wir haben Sie nicht in Angst und Schrecken versetzt«, sagte Mister Smith entschuldigend.

      »Aber nein!« erwiderte Inge. »Wenn sie jetzt erscheinen würde, wo wir alle hier beisammen sind, wäre es doch ein großer Spaß.«

      Er sah Greta an. »Aber wenn man die Nächte auf der Burg verbringen muss, möglicherweise sogar auch einmal allein …«

      Greta fiel ihm ins Wort. »Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken, Mister Smith! Ich fürchte mich nur vor lebendigen Feinden, nicht vor Gespenstern.«

      »Ich bewundere Sie.«

      »Dazu besteht kein Grund«, behauptete Hans-Philipp. »Selbst wenn es die Weiße Dame tatsächlich geben sollte, so geht sie doch nur höchst selten um, wird erzählt. Nur zu ganz besonderen Gelegenheiten.«

      »Wann?« wollten Greta und Inge gleichzeitig wissen.

      »Wenn Unheil ins Haus steht«, erklärte Mister Buxter, »das haben diese Art von Gespenstern so an sich.«

      »Ist das wahr?« vergewisserte sich Greta.

      »Ja, so heißt es.«

      Beinahe hätte Greta ihren Mann gefragt, ob jemand die Weiße Frau vor dem Tod Elviras gesehen hätte. Statt dessen sagte sie: »Soll sie nur. Vielleicht kann so eine Warnung ganz nützlich sein.« Sie stand auf und fragte: »Wer hat Lust auf einen Kaffee?«

      Das hatten sie alle, wenn auch Heinz Kramer meinte, Greta sollte sich keine Umstände machen.

      »Das tue ich auch gar nicht«, sagte Greta, »ich stelle nur die Kaffeemaschine an. Das ist im Handumdrehen geschehen. Bitte, bleib, wo du bist, Inge, ich kann das wirklich allein.«

      Tatsächlich hatte Frau Breuer in der Anrichte alles schon bereit gestellt, und Greta brauchte nur den gemahlenen Kaffee in den Filter zu füllen und frisches Wasser zu holen. Als sie die Maschine eingeschaltet hatte, ging sie noch einmal in die Gästetoilette, um sich frisch zu machen. Als sie in den