Das Geheimnis der Greta K.. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718476
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sich die Hände. Beide waren sie erschöpft und doch sehr wohlgemut.

      Er ging zur Bank, trocknete sich Haar und Gesicht und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die er vor dem Spiel dort abgelegt hatte. »Es bleibt uns noch Zeit, eine Runde zu schwimmen«, stellte er fest. »Gut, gut«, erwiderte sie fröhlich, obwohl sie befürchtete, dass sie sich anschließend beim Zurechtmachen sehr hetzen musste. ›Notfalls‹, dachte sie, ›müssen sie eben den Aperitif ohne mich nehmen.‹ In den Kabinen neben dem Swimmingpool zogen sie sich um. Greta sorgte immer dafür, dass hier Badezeug und Frottiertücher bereit hingen, nicht nur für sich, ihren Mann und Aline, sondern auch für eventuelle Gäste.

      Sie hätte es gern gehabt, wenn der große Besitz häufig von jungen Leuten gewimmelt hätte, zumindest an den Wochenenden. Für ihre kleine Familie erschien er ihr erheblich zu groß. Aber das war schwer zu erreichen, weil Aline wenig Freunde hatte, Stefan im Internat war, und ihre Bekannten in Sigmaringen laute Kinder hatten, die Hans-Philipp auf die Nerven gingen. »Wenigstens samstags-sonntags«, pflegte er zu sagen, »will ich meine Ruhe haben.« Das war ja auch nur zu verständlich, und Greta mochte ihn nicht mit ihrem Wunsch nach mehr Geselligkeit belästigen.

      Als sie in einem einteiligen weißen Badeanzug aus der Kabine trat, war er schon im Becken. Sehr ernsthaft, als wäre dies eine Beschäftigung, die Konzentration erforderte, kraulte er seine Runden. Mit einem Hechtsprung tauchte sie ins Wasser, hielt sich aber von ihm fern, weil sie wusste, dass er jetzt nicht gestört werden wollte. Erst als er sich auf den Rücken legte, schwamm sie zu ihm hin und begann, ihn wie ein Delphin zu umspielen. Sie umrundete ihn, tauchte unter ihm weg und versuchte, ihn unter Wasser zu ziehen. Er schimpfte und lachte, versuchte sie zu fangen, doch sie entglitt ihm. Mit kräftigen Stößen verfolgte er sie, und am Rand des Pools gelang es ihm, sie zu fangen, bevor sie aus dem Becken klettern und sich in Sicherheit bringen konnte.

      »Du ungezogenes Mädchen!« schalt er. »Was fange ich jetzt mit dir an?«

      Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und hob ihm das nasse Gesicht entgegen. »Gib mir einen Kuss!«

      »Glaubst du, dass du das verdient hast?«

      »Warum nicht?«

      Eng aneinandergepresst standen sie im niedrigen Wasser. Sie spürte seine Erregung und bot ihm ihre Lippen.

      Fast brutal schob er sie plötzlich von sich. »Greta, ich bitte dich! Nicht hier und nicht jetzt. Das solltest du endlich wissen.«

      »Das ist auch ein Spiel«, beschwerte sie sich, »dass du mich nie gewinnen lässt.«

      »Man kann uns von der Burg aus sehen.«

      »Höchstens mit einem Fernglas.«

      Er war aus dem Becken geklettert und reichte ihr die Hand, um ihr zu helfen. »Na komm schon und hör auf zu motzen. Du bist ja selber schuld. Warum musst du immer wieder mit diesen Dummheiten anfangen?«

      »Na schön, ich will’s nicht wieder tun«, versprach sie. Aber sie wusste, dass er sehr enttäuscht sein würde, wenn sie ihr Wort hielt. Tatsächlich liebte er es, ihr und sich selber seine Beherrschung zu demonstrieren.

      Sie trockneten sich ab, schlüpften in Jogginganzüge und trabten dann den steilen Weg zur Burg hinauf. Hans-Philipp musste weiter seine Fitness beweisen und war Greta bald weit voraus. Ihr war es wichtiger, am Abend in Form zu sein. Sie wusste, dass kleine Pannen bei einer Einladung ohne Bedeutung, ja, manchmal sogar dazu angetan waren, die Stimmung zu heben. Aber Hans-Philipp hasste Zwischenfälle jeder Art. Ein zu blutiges oder zu trockenes Roastbeef konnte ihn außer Fassung bringen und die Laune verderben.

      Greta beschloss, erst noch einmal in der Küche nach dem Rechten zu sehen und Frau Breuer letzte, wenn auch wahrscheinlich überflüssige Anweisungen zu geben, bevor sie sich schön machte.

      5

      Gegen zehn Uhr war das Dinner fast beendet. Es war eine köstliche Mahlzeit gewesen, und der gute Wein hatte Mister Buxter und Mister Smith, die anfangs ein wenig steif und zurückhaltend gewesen waren, in Stimmung gebracht. Auch die Kramers genossen den Abend. Er, Heinz Kramer, verantwortlich für die Technik in der Firma »König & Kramer, Elektronische Bauelemente«, besaß zwar keinerlei gesellschaftliche Talente, hatte es aber gern, von lebhafter Konversation umplätschert zu sein, zu der er nur hin und wieder ein Wort hinzufügen musste, um sich miteinbezogen zu fühlen. Er war ein freundlicher, uneleganter Mann mit beginnender Glatze und einer Brille mit dicken Gläsern. Inge, seine Frau, war ebenfalls klein, aber sehr viel lebhafter. Gleichaltrig mit Greta, konnte sie es mit ihr jedoch in keiner Weise aufnehmen. Aber da sie es auch gar nicht versuchte, bestand keinerlei Rivalität zwischen den beiden Frauen.

      Dabei war Inge durchaus hübsch mit ihren großen braunen Kulleraugen und dem braun gelockten Haar, das ihr rundes Gesicht umrahmte. Etwas mollig, wie sie war, brachte sie ihre Kurven in einem tief ausgeschnittenen, engen Kleid aus Goldlamee voll zur Geltung.

      Hans-Philipp König lehnte sich ein wenig auf seinem hochlehnigen gotischen Stuhl zurück und beobachtete die Anwesenden, die um den langen Refektoriumstisch saßen. Er fühlte sich hoch zufrieden, ein Mann, der alles besaß, was er sich erträumt hatte: eine gutgehende Firma, ein großes Haus, eine wunderbare Frau. Kinder – nein, er musste sich zugeben, dass seine Kinder ihm keine Freude machten. Er verscheuchte den Gedanken an seine verstorbene Frau, weil er ihm, wie immer, Unbehagen bereitete.

      Mit Greta hatte sich sein Leben verändert. Nichts wünschte er sich mehr von ihr als einen Sohn, und er wusste, der würde ein Junge nach seinen Vorstellungen werden. Noch sträubte sie sich dagegen, und er war außer Stande zu verstehen, warum. Aber sie liebte ihn ja, und er war sicher, dass der Tag nicht mehr fern war, an dem sie nachgeben würde.

      Jetzt erhob sie sich und zog mit dieser Bewegung aller Augen auf sich. Hans-Philipp fand, dass sie atemberaubend schön war in ihrem schlichten langärmeligen und nur ganz wenig ausgeschnittenen Kleid. Sie hatte ihr hellblondes Haar hoch gesteckt und den Schmuck aus den mit Brillanten gefassten Smaragden angelegt. Wie immer bei derartigen Gelegenheiten hatte sie kaum getrunken, nur gerade so viel, um die Gäste zu animieren, und ihre grünen, durch Lidschatten noch betonten Augen blickten klar.

      »Ich denke, wir gehen jetzt ins Wohnzimmer hinüber«, schlug sie vor.

      Alle folgten ihrer Aufforderung.

      Die Bezeichnung »Wohnzimmer« wirkte allerdings für den prächtigen Raum, den die Gesellschaft jetzt betrat, mehr als untertrieben. Aber Greta hatte eine gewisse Gemütlichkeit geschaffen, indem sie ihn nicht ganz hatte ausleuchten lassen, sondern nur jenen Teil, in dem man sich jetzt niederließ. In dem gewaltigen offenen Kamin loderte ein helles Feuer. Das war trotz des frühsommerlichen Abends angebracht, denn in der Burg war es kühl geblieben. Rundum standen mit mattem, rehfarbigem Leder bezogene Sitzgelegenheiten. Sie waren modern und bequem, und alle genossen es, sich von den harten gotischen Stühlen erholen zu können. Die kleinen Beitische stammten aus den alten Beständen des Schlosses und zeigten verschiedene Stilrichtungen.

      An den holzgetäfelten Wänden hingen vom Alter verdunkelte Olgemälde, meist Porträts, ohne besonderen künstlerischen Wert, aber sehr wirkungsvoll.

      Hans-Philipp öffnete die oberen Türen eines kleinen antiken Schrankes, die mit Motiven aus der Minnesängerzeit bemalt waren. In ihm hatte er seine Hausbar eingerichtet und sogar einen elektrischen Anschluss zu der Eisbox legen lassen. Zwar wusste er selber, dass diese Verfremdung recht barbarisch war und pflegte sich, wenn er besonders kultivierte Gäste hatte, dafür zu entschuldigen.

      Nachdem Greta ihn zum Kauf der Polstermöbel bewegt hatte, hätte er sich auch eine moderne Bar zulegen können. Aber der antike Schrank war nun einmal verschandelt, und kaum jemand nahm Anstoß daran.

      Nach den Wünschen der Gäste füllte er Gläser mit schottischem und irischem Whisky, Calvados und Cognac. Greta und Inge baten um viel Wasser und Eiswürfel zu ihren Getränken, die Herren nahmen sie kaum oder gar nicht verdünnt.

      Als Hans-Philipp, ein Cognacglas in der Hand, schließlich ebenfalls Platz nahm, war das Gespräch schon in vollem Gange. Es war selbstverständlich, dass Greta