Das Geheimnis der Greta K.. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718476
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      »Wie war sie? Ich habe nur ein einziges Foto von ihr gefunden. Aline bewahrt es in ihrem Zimmer auf. Sie sieht sehr schön und traurig darauf aus.«

      »Ja, schön war sie, eine dunkle Schönheit, aber traurig eigentlich nicht, eher still. Sie konnte aber auch sehr lustig sein, geradezu exaltiert.«

      »Ach ja?«

      »Warum fragst du?«

      »Ach, weißt du, wenn man in eine Familie hineinheiratet, dauert es lange, bis man sich richtig auskennt.« Unwillkürlich hob Greta den Blick zur Burg, die sich prachtvoll von dem blauen Himmel abhob; die Wetterfahne funkelte.

      »Ich habe das Gefühl, dass es noch vieles gibt, was ich nicht weiß. Aline ist sehr verschlossen, und Philipp mag mir auch nichts von Elvira erzählen. Wenn ich da mal antippe, zuckt er immer spürbar zurück.«

      »Na ja, Elviras Tod hat ihn sehr getroffen.«

      »Woran ist sie eigentlich gestorben? Auch das habe ich nie erfahren.« »Ganz plötzlich. Herzschlag oder so etwas.« Greta zog den Rauch tief in die Lungen. »Ich verstehe schon, dass das ein Schock für ihn gewesen sein muss. Aber immerhin ist es drei Jahre her. Es müsste doch eine Erleichterung für ihn sein, sich einmal auszusprechen, von mir aus auch auszuweinen.«

      »Männer sind eben so.«

      »Ja, vielleicht.«

      »Philipp ist natürlich besonders schwierig.«

      »Wieso?«

      »Hast du das noch nicht gemerkt? Ihm kommt es so sehr auf das Äußere an, das Erscheinungsbild. Wenn mein Mann sich mal eine Blöße gibt, ärgert er sich natürlich auch darüber, aber dann lacht er. Ich habe nie erlebt, dass Philipp sich mal blamiert hätte, aber wenn ihm das doch mal passierte, würde er es nur schwer verkraften.« Abschwächend fügte sie hinzu: »Das ist wenigstens mein Eindruck.« Greta drückte ihre Zigarette aus: »Rauchen ist schon an und für sich ein Laster«, bekannte sie, »aber hier draußen an der frischen Luft ist es eine wahre Sünde.«

      Inge lachte. »Ach lass man! Wer mag denn schon ein Engel sein?« Sie zog eine Zigarette aus Gretas Schachtel. »Gestattest du? Ein drittes Stück Kuchen kann ich mir nämlich wirklich nicht erlauben, so gerne ich es täte.«

      Greta reichte ihr Feuer und schenkte Tee nach. »Entschuldige, dass ich dich mit all diesen Dingen belästige …«

      »Warum denn? Wer tratscht schon nicht gern?« Sie runzelte die Augenbrauen. »Jetzt fällt es mir auf: Elvira hat das nie getan.«

      »Aline behauptet, dass ihre Eltern auch nie Gäste hatten.«

      Nach einer kleinen Pause sagte Inge in einem Ton, als überraschte es sie selber: »Ja, das stimmt.«

      »Wie haben Philipp und Heinz ihre Geschäftsfreunde denn damals bewirtet?«

      »Manchmal bei uns, aber du weißt, ich kann das nicht so gut wie du. Meist haben sie einen Privatraum im ›Hotel Bären‹ reserviert.« »Sonderbar.«

      »Ja, das fällt mir jetzt nachträglich auch auf. Wo Philipp doch so stolz auf seine Burg ist, als wäre er Prinz Protz von Protzenhausen persönlich.« Rasch legte sie die Hand auf Gretas Arm. »Entschuldige, es war nicht bös’ gemeint. Mir ist das nur so rausgerutscht. Es sollte ein Witz sein.«

      »Ich weiß schon«, sagte Greta, doch etwas irritiert, dass Inge ihrem Mann so kritisch gegenüberstand.

      »Wahrscheinlich«, meinte Inge, »ist es Elvira so gegangen wie mir. Sie war wohl auch keine perfekte Gastgeberin. Ja, so muss es wohl gewesen sein. Vielleicht hat sie es ein paarmal versucht, als die Kinder noch klein waren. Damals habe ich sie ja noch nicht gekannt. Wenn bei mir was schiefgeht, regt Heinz sich zwar auch auf, aber doch dann auch bald wieder ab. Hans-Philipp wird es schwerer genommen haben. Danach wird sie sich dann einfach geweigert haben, noch mal eine Einladung zu geben.«

      »Sie hätte sich aber doch auch bemühen können, es besser zu machen. So etwas ist doch eigentlich nur eine Sache der Organisation.«

      »Das sagst du so! Dir fällt es leicht, jedenfalls erweckst du den Anschein. Aber wenn man es nicht kann oder dauernd Angst vor der nächsten Panne und dem nachfolgenden Krach haben muss, dann wird es einem zuwider. Elvira war auf ihre Art ein starker Charakter.« »Langsam fange ich an, sie etwas besser zu verstehen.«

      »Warum willst du das?«

      »Ich suche einen Zugang zu Aline. Sie macht es mir und sich selber wirklich schwer, unnötig schwer. Natürlich habe ich nie erwartet, dass zwischen uns alles Liebe und Grießschmarr’n sein würde. Das ist es zwischen Töchtern und Stiefmüttern wohl nie. Aber sie schottet sich dermaßen ab. Neulich machte sie eine Bemerkung, dass die Vorgängerin von Frau Breuer schrecklich gewesen wäre. Sie sagte buchstäblich: schrecklich. Aber als ich sie fragte wieso, war kein Wort mehr aus ihr herauszubringen.«

      »Lass mich mal nachdenken.« Inge klopfte die Asche ihrer Zigarette ab. »Die Vorgängerin von Frau Breuer war eine Frau Pflaum … Ja, richtig, zu Elviras Lebzeiten arbeitete ein Ehepaar Pflaum auf der Burg.«

      »Und wie waren sie?«

      »Ihn habe ich nie zu Gesicht bekommen, jedenfalls erinnere ich mich nicht. Und sie … nein, sie war nicht schrecklich. ›Süßlich‹ wäre ein treffenderes Adjektiv. Ewig lächelnd, betont beflissen. Mir war sie nicht gerade sympathisch, aber Elvira kam, glaube ich, gut mit ihr zurecht. Ich hatte den Eindruck, dass sie Elvira in den Hintern kroch, Oh, Pardon, so hätte ich das nicht ausdrücken sollen.«

      Greta lachte. »Wir sind ja unter uns.«

      »Jedenfalls kann ich gut verstehen, dass Aline sie nicht leiden mochte.«

      »Und Philipp hat den Pflaums dann sofort nach dem Tod seiner Frau gekündigt?«

      »Ja, das kommt so ungefähr hin. Wahrscheinlich hatte er sie nur Elvira zuliebe so lange behalten, ja, so muss es gewesen sein.«

      Plötzlich unterbrach Greta das Gespräch. »Bitte, sieh nicht hin! Tu, als wäre nichts. Da kommt Aline.«

      Tatsächlich schlenderte Aline, als hätte sie kein besonderes Ziel, den Berg herunter. Zuerst ging sie auf das Schwimmbad zu, dann besann sie sich doch eines Besseren und kam zum Pavillon. Wie meist trug sie Jeans, die ihr eine Nummer zu eng und einige Zentimeter zu kurz waren, und dazu ein verwaschenes und nicht einmal ganz sauberes T-Shirt.

      »Guten Tag, Tante Inge.«

      Inge drückte die Zigarette aus und reichte Aline die Hand. »Schön, dich auch mal wieder zu sehen! Willst du uns Gesellschaft leisten? Ich kann den Kirschkuchen nur empfehlen.«

      »Ich möchte lieber schwimmen.«

      »Fein, dann stoßt ihr drei Kinder später zu uns. Wir werden inzwischen ein bisschen Tennis spielen, ja, Greta? Irgendwie muss ich mir den Kuchen doch runterarbeiten.«

      »Aber ja.«

      Sie standen auf und gingen hinter Aline her zu den Kabinen, um sich umzuziehen. Hans-Philipp legte Wert darauf, dass der Tennisplatz nie anders als in makellosem Weiß betreten wurde, und alle hielten sich daran.

      Die Jungen begrüßten Aline mit einem Freudengeheul, denn sie war ihnen ein willkommenes Opfer für ihre Späße und Neckereien. Sie versuchten, sie gleich, so wie sie war, ins Wasser zu schubsen. Das wäre ihnen auch beinahe gelungen, wenn Greta nicht Michael und Inge seinen Bruder beim Nacken gepackt und wie die jungen Hunde geschüttelt hätten. Inzwischen hatte Aline Zeit, sich in eine Kabine zu flüchten. Als sie wieder herauskam, in einem leuchtend roten Bikini mit leicht ausgepolstertem Oberteil, sah sie sehr hübsch aus. Aber dafür hatten die Jungen natürlich kein Auge. Sie sprangen hinter ihr her ins Wasser und versuchten, sie zu fangen.

      »Seid nicht so wild«, mahnte Inge, »sonst könnt ihr was erleben!« »Was denn?« fragte Michael frech.

      »Dann kommt die Weiße Dame und holt euch!«

      »Wer soll denn das sein?« wollte Oliver wissen.

      Michael