Wie immer hatte Muhammad eine Antwort parat. Man konnte ihn niemals aus der Fassung bringen, egal, ob man mit ihm begann zu philosophieren oder ob Journalisten versuchten, ihn zu grillen.
So antwortete er: „Ich sage leasen. Ich bin nur fast bankrott. Mir ist es untersagt, hier in Amerika meiner Arbeit nachzugehen, und ich darf das Land auch nicht verlassen. Ich bin nicht wie Joe Louis. Ich habe nicht 13 Jahre lang nicht geboxt.“
Zudem musste sich Muhammad mit jenen Leuten aus seinem engsten Umfeld auseinandersetzen, die sich an ihm bereichern wollten. So erhielten Herbert und die Nation of Islam je ein Drittel von Muhammads Gesamteinnahmen. Damit blieb meinem Bruder nur ein mageres Drittel. Interessanterweise wurden auch alle Ausgaben vom Drittel meines Bruders abgezogen.
Und es gab viele Ausgaben, glauben Sie mir. Ich kann mich zwar nicht mehr an das damalige Spesenbudget erinnern, aber später, in den 1970er-Jahren, war ein Budget von 100.000 Dollar für ein Trainingscamp die Norm, und meist lag es sogar noch darüber. Der Anteil für das Management war einfach unerhört hoch und ungerecht, doch Muhammad hatte bereitwillig etwas unterschrieben, was jeder Mensch mit einem gesunden Hausverstand sofort als richtig schlechtes Geschäft identifiziert hätte. Das Problem war, dass mein Bruder alles tat, was Herbert von ihm wollte, wenn es ums Geschäft ging. Vom ersten Tag an hatte es Herbert geschafft, dass mein Bruder ihm aus der Hand fraß, und er sah ihn einerseits als Ware, andererseits aber auch als Freund. Das war nicht nur absolut inakzeptabel für all jene, denen Muhammad wirklich am Herzen lag – es war einfach verrückt. Als einige Personen Herbert fragten, warum Muhammad von einem Preisgeld von sechs Millionen Dollar nur vier bekam, obwohl er kämpfte, und er als Manager zwei Millionen in einer Nacht, obwohl er nie einen Kampf bestreiten musste, meinte Herbert: „Ich sagte, es wäre ein Teil des Vertrags, und wir haben uns darauf geeinigt. Vielleicht meinen die Leute: ‚Ja, aber der Anteil ist zu hoch für dich.‘ Alle um ihn herum haben das gesagt, aber das war eben, was wir abgemacht haben.“
Unsere Familie beschwerte sich oft darüber, dass Herbert den Vertrag nie neu überarbeitete, damit die Finanzen fairer aufgeteilt wurden.
Um ehrlich zu sein, ich denke, man kann sagen, dass das Management meines Bruders ihn übervorteilte, und dieses Problem sollte sich durch seine gesamte Karriere ziehen. Muhammad war zwar der bekannteste Sportler seiner Zeit, doch es waren die anderen um ihn herum, die größtenteils von seinen Einnahmen profitierten. Er boxte, damit sich die anderen bereichern konnten. Mein Bruder verstand damals nicht wirklich was von Geld. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen er es nicht einmal zur Bank trug, da er fürchtete, dass sein Geld im Falle eines Bankraubs weg wäre. Stattdessen nahm er das Geld und versteckte es hier und dort und dachte, es wäre so sicherer als auf der Bank. Er meinte, ein Koffer voll mit Bargeld, sagen wir 50.000 Dollar, wäre mehr wert als ein Scheck über 100.000 Dollar. Für ihn war ein Scheck nur ein Stück Papier. So dachte er eben damals über Geld.
Als die finanzielle Situation meines Bruders vollkommen außer Kontrolle zu geraten drohte, hatten seine Partner schließlich die Idee, ihn auf eine Vortragstour durch die amerikanischen Colleges zu schicken. Das bedeutete, dass er von College zu College fuhr und dort Reden und Vorträge hielt, für die er Geld bekam. In jenen Tagen waren solche Tischreden eine lukrative Einkommensquelle für Sportler, die ihre Karriere beendet hatten, doch für meinen Bruder, der sich ja eigentlich am Höhepunkt seiner Boxkarriere befinden hätte sollen, war es der einzige Weg, um ein finanzielles Desaster abzuwenden und seine Familie zu ernähren.
Am Anfang tat sich Muhammad sehr schwer, bei solchen Veranstaltungen zu reden. Zu dieser Zeit hatte er sich schon öffentlich gegen den Vietnamkrieg ausgesprochen, der natürlich ein großes Thema auf jedem Collegecampus war, und so war er anfangs ein willkommener Gast, da die meisten Studenten seine Meinung über den Krieg teilten, der immer mehr als ungerechtfertigt betrachtet wurde. Doch er wiederholte auch das muslimische Dogma, mit dem nur sehr wenige Leute im Publikum etwas anfangen konnten, selbst auf den liberaleren Colleges. So begann er zum Beispiel, abwertende Bemerkungen über das Rauchen von Marihuana zu machen, und man kann sich vorstellen, dass dies in den frühen 60er-Jahren nicht gerade gut bei den liberalen Studenten ankam. Er sprach über Religion, was sein Publikum, das sicherlich atheistischer war als der Rest Amerikas, noch weiter abschreckte. Womit er jedoch sein Publikum komplett vor den Kopf stieß, waren seine Angriffe auf die Ehe zwischen Farbigen und Weißen. Entgegen allen Vorurteilen, die damals existierten, gab es viele solcher Paare, und die Leute, vor denen Muhammad seine Vorträge hielt, waren diesen gemischten Paaren gegenüber weitaus toleranter als die Durchschnittsbevölkerung. Und jetzt sahen sie sich mit dem Weltmeister im Schwergewicht konfrontiert, der ihnen sagte, dass dies gegen seine Religion sei.
Der Vortrag, der mir am deutlichsten im Gedächtnis blieb, fand ziemlich am Anfang seiner Vortragstournee in Berkeley statt. Muhammad hielt seine Rede auf einem großen Platz. Tausende Leute waren gekommen, um ihn zu hören. Er schockte das Publikum gleich von Beginn an, indem er sich sofort in eine Reihe von Moralplattitüden hineinsteigerte. Er sei stolz darauf, schwarz zu sein und gut auszusehen, sagte er und war von der Anzahl der vielen gemischten Paare im Publikum schockiert. An dieser Stelle stand ein Großteil der Leute auf und verließ den Platz. Ein etwas verdutzter Muhammad machte eine Show daraus, aus seiner Flasche zu trinken, damit er sich eine kleine Nachdenkpause verschaffen konnte, während der weitere Menschen das Gelände verließen.
Darauf hielt Muhammad einen Vortrag über den Koran und sprach darüber, wie wichtig es sei, dass man „die roten Vögel mit den roten Vögeln“ halten müsse und „die blauen Vögel mit den blauen Vögeln“, was nur noch weitere Zuhörer vertrieb.
Ich glaube, es dauerte nicht lange, bis mein Bruder erkannte, dass dies so nicht funktionierte. Diese Studenten hatten sich wirklich gefreut, ihren Helden persönlich zu sehen, doch als er sie dann offen attackierte, fühlten sich die meisten vor den Kopf gestoßen. Es war nicht so, dass alle gegangen wären – oder die meisten –, doch der Effekt war deutlich merkbar und peinlich für meinen Bruder, auch wenn er zu denen, die dageblieben waren, weitersprach. Nach seiner Rede sprach der Sportjournalist Robert Lipsyte mit Muhammad über seine abschätzigen Bemerkungen, doch mein Bruder leugnete, dass das Publikum Vorbehalte hatte. Er sei zu stark, erzählte er Lipsyte, und seine Botschaft sei zu mächtig, weswegen sie jenseits der Aufnahmefähigkeit des Publikums liege. Lipsyte widersprach meinem Bruder. Es sei deutlich zu sehen gewesen, dass sich niemand dafür interessierte, was Muhammad über Rassentrennung zu sagen hatte oder darüber, dass man kein Gras rauchen sollte, meinte er. Man muss bedenken, dass dies alles zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung stattfand und viele dieser jungen Leute sich sehr für die Integration der farbigen Bevölkerung engagierten. Für sie stand Muhammad mit solchen Ansichten auf der falschen Seite. Er machte sich damit nicht gerade beliebt beim Publikum.
Im Nachhinein verstand Muhammad, dass sein Stil als Redner am Anfang ein Desaster gewesen war, auch wenn er sich nicht selbst dafür die Schuld geben wollte. Er blieb bei seiner Ausrede – die Anwesenden könnten damit nicht umgehen. Er hätte niemals zugegeben, dass er einfach schlecht war, sondern behauptete lieber, dass die Kraft der Worte das Publikum überforderte. Man konnte meinen Bruder nicht mit Worten besiegen – er war so energisch in seinem Kampf, seine Prinzipien, und alles, woran er glaubte, hochzuhalten –, doch nach einigen weiteren Auftritten fing er an, zu akzeptieren, dass er sich zumindest andere Meinungen anhören sollte. Er begann damit, nach seinen Reden Fragen