Sie lächelt auch wieder, aber noch ein bißchen verweint und bittet:
»Ein Reitpferd für dich, Harro –«
»Und eins für dich!«
»Ach, nicht für mich, du weißt, ich mache mir aus dem Reiten nichts. Du willst ja nur gerne so früh am Morgen reiten, und da ist Schlafen am allerschönsten.«
»Ganz wie du willst. Aber nun wollen wir von etwas anderem reden. Es ist ja eine Schande unter den Zweigen da! Hier ging ich heute morgen, als die Sonne aufging und ich deine Blumen suchte. Da dachte ich auch nicht, daß wir auf diesem Wege miteinander von Gäulen handeln würden.
Aber siehst du, ich bekam einen Schrecken. Den ganzen Braunecker Train sah ich nach und nach bei uns einrücken. Ich weiß, Liebste, du willst mich in Watte packen, aber ob da nicht eine richtige Sorgenlast dabei für mich herauskommt?«
»Harro, ich bin nun gar nicht mehr so dumm, wie du glaubst. Ich habe doch so viel gelernt bei Tante Helen. Nein, du mußt nicht lächeln. Hör mich doch an. Vater hat für mich das Vermögen meiner Mutter ganz unberührt gelassen, alle Zinsen dazu getan ... aber Harro, lache doch nicht immer, wenn ich einmal richtig praktisch bin.«
»Es ist so wundervoll, dich hier im Gloria von Zinsen sprechen zu hören! Es ist eine Komik dabei. Weißt du, was ein Zins ist?«
»Doch,« erklärt sie stolz. »Ich habe bei dem Herrn Kantor Zinsrechnungen gemacht, richtig herausgebracht habe ich sie allerdings nicht: aber Herr Kantor brachte es allemal wieder zurecht, und das könntest du doch auch, du kannst ja alles! Und Vater meint, wenn ich nicht zu extravagant sein wollte und es nicht mit dem Pariser Toilettenwahnsinn bekäme, so könnten wir sehr gut davon leben.«
Harro pflanzte sich vor sie hin in seiner ganzen Länge. »Und mich hast du dir ausgedacht als deinen Pensionär, den Prinzgemahl und Kuponabschneider! Das Malen wird mir vielleicht noch allergnädigst gestattet. Das Modellieren, als schmutzig und nur in einem Kittel zu machen, schon nicht mehr. Die Plastik ist ausgeschlossen, weil händeverderbend und überhaupt handwerksmäßig.
Der ganze Braunecker Pompe funèbre herüber verpflanzt. Der Hof voll grüner oder sonst papageienfarbiger Laffen.
Drei Glockenstunden essen.
Märt wegen Abweichung seiner Nasenlinie vom klassischen Ideal in den Stall verbannt. Köche, – ein hoffnungsloser Kampf mit dem Fett, das nicht nur den Leib, sondern auch die Seele überzieht. Da hast du deinen Rentenempfänger.« »Harro, hör auf! Schrecklich bist du. O hör mich doch an! Ich muß dir doch mein Geheimnis sagen! Vater und Mama dürfen es niemals wissen. Ich habe heimlich bei Tante Helen Kochen gelernt! Ich kann alles mögliche machen. Auch Dinge, die nicht teuer sind. Und Filetbraten und Reispudding, den ganz arme Leute essen. Ich habe mir solche Mühe gegeben!«
»O du süßes Närrchen, du süßes du! O du ganz weißes Unschuldslämmchen! Und du hast wirklich einen Kochlöffel in die Hand genommen! Das ist ein Stilfehler! Ja, ich glaube es dir ja, es ist dir immer Ernst, aber Mondscheinprinzessinnen oder junge Königinnen kochen nicht, da gibt es andere Menschen, die das für sie tun.
Die brauen höchstens Liebestränke und kredenzen sie unversehens armen Rittersleuten, Ruinenmenschen. Sieh das Gold dort durch die Tannen am tiefen Himmel.«
»Harro, du nimmst mich nicht ernst... du meinst...«
»Doch, Rose, ich sehe mitten hinein in dein Herz, mitten hinein! Ach, mein blauer Himmel. Nun ist er wieder über mir ausgespannt!
Nur deine Kochkunst nehme ich nicht zu ernst.«
»Ja, würdest du denn wie Tante Helen nichts davon essen wollen? Und denk dir: Schließlich... ach, nun lachst du wieder –«
»Darf ich mich denn nicht freuen? Freilich eß ich davon im zuckrigen Häuschen im Walde, wo du mir Pfannkuchen bäckst.«
»Harro,« sagte sie kleinlaut, »das tu ich nun wirklich nicht so sehr gerne. Sie zischen gewaltig, und es eilt sehr, und das Feuer tut nicht immer, was man will.«
»Gut, dann backe ich und du nimmst einen Rührlöffel in deine schlohengelweiße Hand und rührst damit! O du blauer Himmel! Und ein ganzes Jahr soll ich noch warten, bis ich dich nach dem Thorstein hinüber bekomme. Und habe mich so beeilt! In drei Monaten könnte das Nötigste fertig sein. Natürlich nicht alles, bei manchem möchtest du doch auch dabei sein!«
»Das ist ganz unmöglich, Harro! Ein Jahr noch in Brauneck! Wie soll das werden?« Er sah sie erstaunt an. »Was ist dir, Rosmarie? Ich dachte, ich könnte dich einmal nur mit tausend Tränen von Brauneck losreißen.«
»Es ist eine andere Luft dort, Harro. Es ist nicht mehr mein altes Brauneck. Ich fühlte es schon gestern, als ich nach Hause kam. Wie hatte ich mich gefreut. Aber da war etwas Fremdes, etwas, das sich wie eine Last auf mich legte. Und heute, – nein, es geht nicht. Du mußt mit dem Vater reden, ihn bitten. Wenn ich's tue, so schmerzt es ihn zu sehr.«
»Um dich bitten, ja das will ich, aber dein Vater hatte Gründe, sehr gute Gründe, warum er es nicht wollte.«
»Ach, Harro, Mama kann uns nicht beisammen sehen! Sie erträgt es nicht. Ich sah in sie hinein heute! Frag mich nicht! Nein, aber glaube mir!... Und ich fürchte mich vor ihr. Ich zittre. – Nur wenn du dabei bist, bin ich ruhig.
Ich will nicht wieder mit ihr allein sein. Ihre Diamanten blitzen so sehr. Ich hasse Diamanten. Es sind böse Steine. Es träumte mir einmal, ein großer, blitzender, leuchtender Diamant werfe seine Strahlen nach mir, seine sieben Strahlen. Und der letzte traf mein Herz. Da ging ich noch zwei Schritte, dann fiel ich, zuerst auf mein rechtes Knie und dann vornüber, und dann wußte ich, nun bist du tot.«
»Rosmarie, du bist seltsam! Nein, auf das Träumen ist bei dir wirklich nichts zu geben. Ich habe auch schon im Traum allerhand Todesarten erlitten, – so viele, als gar nicht nötig gewesen wären, selbst mich umzubringen. In Berlin war das greulich. – Aber wenn du bange bist... Nur Vaters Gründe –«
»Und vor meinen Ansprüchen, Harro, brauchst du dich nicht zu fürchten. Ich kann auch hartnäckig sein. Und wie sehr! Und wie du es nicht haben möchtest, weiß ich ja...«
Schweigend gingen sie nebeneinander her. Dort plätscherte schon der kalte Brunnen, ein wundervoller Abendglanz lag auf den uralten Eichen, die ihn umstanden. Alte, blitzgestreifte Recken mit langen Schlangenarmen und wild zerrissener Rinde. Jeder eine Individualität. Lange, lange über die Zeit hinaus. wo sie noch nützen könnten, geschont, dem forstlichen Auge ein Greuel als nutzlos und den Platz versperrend, für ein Malerauge köstlich, so standen sie da, die Eichen der Braunecker. Dort warten die Wagen, und man sieht, daß Mama schon eingestiegen ist.
»Kann ich mit dir fahren, Harro, o bitte!«
»Wenn man dich mir anvertraut. Ich glaube übrigens, Vater hat mir scharf genug auf die Hände gesehen.«
Es wird genehmigt, nicht ohne daß man es dem Fürsten ansieht, daß er mit dieser Heimfahrt neben seiner Gemahlin ein Opfer bringt.
Ach, wenn sie nur länger währte, die herrliche Fahrt. Durch den goldenen Abend, die feurigen Pferde vor sich, die Harro so sicher lenkt, geborgen, hoch über den Erdendingen, beschützt vor lauerndem Haß.
»Fahren ist schön,« sagt Rosmarie. »Ich wußte es gar nicht. Aber nur, wenn man da oben frei sitzen kann.
Sieh, wie der Himmel blüht mit Rosen, und dort der Fluß ein goldenes Band, und der sanfte Wälderschatten! Ach und sieh dort den Parkrand nach der Bergwiese zu, wie geheimnisvoll der Übergang zum Dunkel ...
Oh, wie ist das Leben schön, Liebster. Und die Heimat. Und ich möchte nicht sterben. Ich möchte leben mit dir, bis wir ganz alt und weiß geworden sind!«
»Wer redet vom Sterben, Holdseligste, das ist nur, weil du noch nicht recht an das Glück glauben kannst und meinst, es werde dir plötzlich wieder aus der Hand gerissen. Nein, da habe ich doch mehr Zuversicht. Sieh, wie das Fenster glänzt im roten Turm, wie ein kleines rotes Feuer!«
»Es