Ach Liebste –, eine Bitte von Deinem demütigen Harro! Versuche Dir auszudenken, daß das Braunecker Zeremoniell in mein Haus, fast hätte ich gesagt, meine Ruine, verpflanzt, Deinen untertänigsten Diener tief unglücklich machen würde. Die langen Mahlzeiten in der Zeit, wo die Arbeit am meisten fördert, das beständige Auf- und Abflirren von unbeschäftigten Lakaien in Schokolade- oder andern Farben! – Weißt Du, bei Euch sah ich sie gar zu oft, wie sie die Kastanien krummlehnten. Überlege Dir, Liebste, ob Du dies alles zu Deinem Glücke für unbedingt nötig findest. Ob Du Dir deklassiert vorkämest, wenn Dir einmal ein nettes, sauberes, freundliches Mädchen in einem weißen Häubchen die Schüsseln hereinbrächte? Wenn Dich aber nur die leiseste Furcht anwandelt, in diese Niederungen herabzusteigen, so will ich mich bescheiden. In einigem aber ahnt mir jetzt schon, daß ich stets hartnäckig bleiben werde. Das liegt schon daran, daß Du einen um sein Brot arbeitenden Mann haben wirst. Ich weiß wohl, daß Du mich gerne auf Daunen betten möchtest und jede Plage und Sorge von mir fernhalten und kein rauhes Lüftchen an mich heranlassen, wie Du ja jetzt schon Versuche machst.
Aber in mir ist etwas, was nur bei dem Knechtsschragen, auf dem ich immer noch liege, und im Kampf mit dem Sturmwind gedeihen kann. Laß Dir das alles durch Dein liebes Herz gehen, und das wird Dir das Rechte schon zeigen. Du hast ja von allen Menschen mich immer am besten verstanden, schon als Du ein kleines Kind warst und eigentlich das alles, was Du von mir hörtest, weit über Deinen Horizont gehen mußte.
Aber Du hattest eben den sechsten Sinn! Und namentlich für mich. Was sagst Du zu dem Plafond im Schmollzimmer? Ich habe mir Deinen Brief vom Frühling noch einmal geholt und habe daraus die Idee genommen. Den Frühling selbst zwar, in seinem blauen Mantel, so lieb mir das Bild ist – aber ihn an der Decke aufzuspießen, das widerstrebte mir. Er könnte einem doch da oben zu viel werden. So ist's eine Symphonie in blau geworden. Blau, blauer, am blauesten, sagte Dein Vater bei unsern Morgengängen an der Riviera. Blauer, abgetönter Himmel und darüber ein Flug Zugvögel, gegen die dunkeln Schwingen wird das Blau erst recht leuchtend. Und der Abschluß ein leichtes Goldgitter, über das ein Frühlingsregen emporquillt, Goldregen, Flieder, Apfelblütenzweige, ein glutiger Rotdorn. Ist Dir das nun so lieb? Um Deine Panneaux, soweit sie fertig sind, bitte ich, es wird gut sein, wenn ich sie zuweilen hinhalte, sie zu befestigen wage ich nicht, von wegen meiner Klackerei. Und nun meine ich, die Stücke schließen immer schmale holzgeschnitzte Bäumchen ab, nur wenig erhaben, die sich nach oben verästen, alles in Gold, und damit zur Decke überleiten. Dazwischen immer wieder die graugrüne Wandbespannung, damit alles nicht unruhig wird.
Wenn wir in den fertigen Räumen einmal halb so viel Genuß haben werden, wie es mir die Arbeit daran gibt, so werden wir nie nötig haben, länger als eine halbe Stunde zu schmollen.
Ich sehe mit Stolz, daß ich bereits den vierten Bogen ergreife. Nie habe ich noch an irgend wen einen Brief auf die dritte Seite des ersten Bogens gebracht.
Nimm's nicht allzu tragisch. Liebste, um was ich dich gebeten habe. Du sollst ja glücklich sein. Das ist die große Hauptsache. Und zeigt es sich, daß es ohne Schokoladene nicht geht und ohne den ganzen Train, den Du von Kind auf gewöhnt bist, so wird sich das auch finden. Nur in einem kann ich nicht nachgeben. Was meine Arbeit betrifft. Das wirst aber Du am allerwenigsten verlangen.
Leb wohl, Holdseligste, Süßeste! Wenn ich doch einen blauen Himmel malen könnte, so blau, so blau, wie ihn deine Liebe über mein Leben ausgespannt hat.
Dein Harro.
Brief der Fürstin von Brauneck an ihre Freundin Gräfin Effie Thara.
Meine liebe Effie!
Also Du hast auch schon ein Gerücht gehört und fragst nun, wie es denn möglich sei! Nun, ich muß Dir leider alles bestätigen ... Du wirst mir zutrauen, daß es mir darin wie in andern Dingen gegen die Einsicht gegangen ist. Du sagst, die Sache habe die Herrschaften so peinlich berührt, daß Du Dich beeilt habest, sie vorerst zu dementieren, bis sie sich an den Gedanken etwas gewöhnt haben. Nun, ich sehe nicht ein, was dabei herauskommt. Denn an der Sache selbst wird nichts mehr zu ändern sein. Der Fürst ist ganz verändert seither. Ganz eisern starr, und wie ich bemerke, kommt er immer mehr unter den Einfluß dieses zielbewußten Intriganten. Daß ich traurige Tage verlebe, wirst du mir glauben. Ich habe es noch nicht übers Herz gebracht, nach Brauneck zurückzukehren, wo es mir jeden Tag geschehen kann, daß ich diesem Mann begegnen muß. Er sei zwar noch nicht in Brauneck gesehen worden, aber der Fürst reitet ganz offen jede Woche hinüber. Du hast mit Recht gesagt, daß es eine schwer erklärliche Kurzsichtigkeit war, daß wir Rosmarie nicht eine einzige Saison in Berlin gegönnt haben, wo sie doch andere Menschen kennen lernen, überhaupt hätte vergleichen können. Nun ist sie mit ihren neunzehn Jahren, wo andere erst aus der Kinderstube treten, schon fürs Leben festgelegt.
Ja, meine liebe Effie, nur eines möchte ich dazu sagen... Du ahntest nicht, wie schwer es gewesen wäre, Rosmarie nur wenigstens annähernd in eine gesellschaftsfähige Form zu bringen. Ihre Taillenweite beträgt achtundsechzig Zentimeter. Ich sage nichts weiter. Dann ihre Füße. Sie behauptet, nur sandalenähnliches Zeug tragen zu können, und so wandelt sie mit breiten, formlosen Latschen herum. Die Herrschaften sollen gesagt haben, sie habe einen wundervollen königlichen Gang. Wenn ein solcher Gang nur mit diesem Schuhwerk zu erkaufen wäre, so möchte ich darauf verzichten. Die Dame, die Ihrer Majestät Kleider schneidet, verriet mir auf flehendes Bitten ein Geheimnis, wie ich Rosmarie noch in erträgliche Form bringen könnte in kurzer Zeit. Sie müßte wenigstens sechs Wochen lang Tag und Nacht eine Corsage aus allerfeinsten Gummischnürchen tragen, das sei das einzige nach so langer Vernachlässigung. Aber wie brächte ich Rosmarie dazu? Sogar schwerlich nach einer gesellschaftlichen Niederlage, wenn sie die überhaupt merkte. Du ahnst also ein wenig die Schwierigkeiten, die ich mit meiner Tochter habe. Nun, als Künstlerfrau kann sie ja aussehen, wie sie will, und ihrem Manne wird sie ja auch so genügen. Er ist ja ganz verbauert. Es ist eigentlich schade um ihn. Früher war er trotz seiner Wunderlichkeiten doch ein Kavalier. Aber nun dieser lange Umgang mit Künstlern, Modellen oder wer weiß was, es ist ja wohl zu begreifen. Früher pflegte ihm auch etwas anderes zu gefallen. Im Juli soll die Verlobung veröffentlicht werden, bis dahin soll Rosmarie in Baden bei meiner Schwägerin Helene bleiben. Du kennst sie ja und ihre Originalitätssucht und wirst Dich nicht verwundern, daß sie der Sache bei ihrem Bruder auch gar keine Schwierigkeiten machte. Die Gute wird immer dicker und bekommt den Anflug eines tüchtigen Schnurrbärtchens. Augenblicklich steht sie sich sehr gut mit Rosmarie, die ihren Eigentümlichkeiten zu schmeicheln versteht. Darin ist Rosmarie überhaupt groß, sie hat sich sogar an mich gemacht, aber ich durchschaue sie eben doch zu gut und kann zu wenig vergessen, was sie mir alles hinterrücks zuleid getan. Und ins Gesicht. Das beliebt sie aber vollständig vergessen zu haben.
Hier bin ich ja eine Weile vor ihr sicher, ich habe Lenette bei mir, ihre Verlobung ist nur noch eine Frage der Zeit, allerdings erleben wir immer noch manches Aufregende. Ich habe die Pferde da und reite viel, Lenette und ich verkehren viel mit den Schwelms, die hier in der Nähe ihren Sitz haben. Dorthin reite ich, meist in Begleitung des jungen Arno Schwelm, der sehr amüsant ist. Er ist auch ein guter Schütze, und in Schwelm ist eine sehr schöne Schießbahn. Wir schießen oft, und ich komme ihm immer mehr nach. Neulich habe ich ihn sogar übertroffen. Wir schossen lange, ich ohne besonders gute Resultate. Da meinte er, ich schieße zu temperamentlos. Die Scheibe interessiere mich offenbar nicht genug. Ich sollte versuchen mir vorzustellen, daß ich anstatt nach der langweiligen Scheibe nach etwas schieße, was mich bedrohe, oder, lachte er, was ich hasse. Dem Betreffenden schadet es ja nichts. Er hat manchmal solche Einfälle. Du weißt, daß er großes, ja fast unheimliches Glück bei den Frauen haben soll. Von mehreren Duellen, die er gehabt hat, weiß man. Einmal saß er ja ein ganzes Jahr auf der Festung, die Geschichte wird aber nicht weiter erzählt. Er ist sehr hübsch, nur hat er zweierlei Augen, eins blau, eins braun, was seinem Gesicht etwas Zerrissenes gibt. Ich wundere mich, wie außerordentlich eifrig er auf seine täglichen Ritte ist, und ich muß sagen, ohne das Anregende