Nun, da hätte er mit seinem Bau nicht so zu eilen brauchen, keine vier Stunden Schlaf hat er sich gegönnt, und seine hohe Gestalt ist ganz mager darüber geworden.
Überhaupt ist es ihm, als legten sich ihm wahre Zentnerlasten auf seine Schultern, da nun der Fürst den »durchaus nötigen« kleinen Wagenpark erörtert und er mit leichtem Angstschweiß bedenkt, wie er nur die äußeren Bedingungen für das alles beschaffen soll. Und noch immer hat er gehofft, den Haushalt auf Thorstein selbst bestreiten zu können. Rosmarie mag ja ihre Toiletten, und was alles dazu gehört, selbst besorgen; als Rosmaries Pensionär leben zu müssen, das ist eine Pille, die er noch nicht herunter gebracht hat. Und Porträtmalen, durch das er ja viel verdienen könnte bei all den Beziehungen, die er bekommen würde, das wird der Braunecker Standpunkt auch nicht ertragen.
So bleiben ihm nur seine Bilder und vielleicht hie und da eine plastische Arbeit zu verkaufen. Und es ahnt ihm schon, daß er um jedes Bild, das er hergeben wollte, mit Rosmarie einen Kampf haben werde.
Sie pflegte jeden Verkauf mit Entrüstung aufzunehmen. Nur durch die Notwendigkeiten des Baus konnte sie überwunden werden. Er stöhnt innerlich, während der Fürst ahnungslos und in behaglicher Breite die Notwendigkeit von mindestens, allermindestens vier Wagenpferden, zwei Reitpferden, zwei Arbeitspferden erörtert.
Und der Dank für das schöne Geschenk, das ihn heute morgen überraschte, bleibt ihm fast im Halse stecken. Rosmarie, dein Geldsack! Muß dein armer Harro ihn wirklich durch allen Schlamm schleppen?
Dabei fühlt er sich doch als Undankbaren, auf den so viel Güte gehäuft wird, und fast wie ein überfüttertes Kind, das nach dem immer wiederkehrenden süßen Breilöffel ausschlägt.
Endlich bemerkt der Fürst selbst den Druck, der auf ihm liegt, und denkt: Natürlich. Ein Verliebter. Und sie wollen allein sein, die beiden.
Und er sagt lächelnd: »Wir fahren nach dem Walde, um fünf Uhr, wenn die größte Hitze nachgelassen hat, und ich nehme die Fürstin auf mich, wir gehen vom kalten Brunnen nach den lichten Eichen, – natürlich, wenn es der Fürstin nicht zu viel wird, sie liebt das Spazierengehen nicht. Aber ihr geht dorthin, und der Wagen kann euch dort abholen.« –
Harro muß nun seine freudige Zustimmung ausdrücken, obgleich er nicht ohne Schauder an die Umständlichkeit denken kann, mit der ihm ein kurzer, gemeinsamer, von hinten beaufsichtigter Weg gewährt wird. Himmel, und das noch ein Jahr! Die Ungeduld zerreißt ihn fast. Zu den Geduldigsten gehört er ja ohnedies nicht. Aber häßlich wäre es, den Fürsten, der sich wohl als überaus weitherzigen Beschützer der Liebenden fühlt, zu kränken. – Fürs ganze Leben vertraut man sie mir an, ich kann mit ihr tun, was ich will, ihr langsam jede Lebensfreude nehmen, ihr das Herz brechen, aber jetzt eine halbe Stunde mit ihr in der köstlichen Hitze unter der blühenden Linde zu sitzen, auf dem Lindenstamm, – das vertraut man mir nicht an. Und sie leidet, die Sache ist nicht so geringfügig, wie sie behauptet.
Es wird endlich wahr. Sie fahren in den Wald, der Fürst und Harro mit den neuen Goldfüchsen, und der Fürst sieht mit kritischen Augen zu, wie Harro die Zügel führt, und kann nach kurzer Zeit seine ehrliche Anerkennung nicht unterdrücken.
»Man meint, du habest nie etwas anderes getan, Harro, als die Zügel geführt.«
»So etwas vergißt man doch nicht, Vater.«
»O doch, aber du kannst, scheint es, alles.«
Harro lachte. »Nein. Aber wenn man überhaupt etwas kann, dann kann man immer vielerlei, hab ich gefunden. Es sind übrigens prächtige Gäule. Mein Märt bringt den Mund nicht mehr zusammen, er ist ein Grinsen. Und die Pflege, die sie bekommen, wird sehr gut sein. Märt ist übrigens auch einer, der verschiedenes kann.«
»Nun, wenn er zuverlässig ist, kannst du ihm wohl am besten die Aufsicht im Stall übertragen, auf dem Kutschierbock macht er sich doch nicht gut. Sein Aussehen, auch wenn er gut angezogen ist, wirkt doch ein wenig gar zu grotesk.«
Harros Stirn hat sich schon wieder recht umwölkt, aber da ist zum Glück der Wald, und sein herrlicher kühler Atem weht ihnen entgegen. Noch ein paar Minuten traben die Pferde über den weichen Waldboden, ein leuchtend blau und weißer Nußhäher fliegt über den Weg, und der Fürst hat wieder Gelegenheit, Harros Zügelführung zu bewundern. Und dann hält der Wagen.
Der wenig dekorative Märt hat unter der breiten Eiche gewartet und bekommt nun die Zügel, und Harro kann den Damen beim Aussteigen helfen. Es geht ein breiter grasiger Weg durch den Wald, der hier gemischte Bestände hat. Große herrliche Buchen, mit Stämmen wie graue Marmorsäulen, über die an der Nordseite ein grünlicher Hauch wie die allerschönste Patina läuft. Und hohe Tannen mit langen Armen wie mit deutenden Händen dazwischen. Der Weg senkt sich ein wenig nach Osten, und wo ihn die Zweige abschließen, da ist sein Ende so heimelig, so hold umschlossen, als führe kein Weg mehr hinaus in die hastende, unruhige Welt. Diesen Weg, der aus unbekannten Gründen »das Gloria« heißt, lieben alle, und der Fürst hat einst dahin mit sieben Jahren seinen ersten weiten Ausritt gemacht, er kennt jeden Baum und kämpft mit seinem Forstmeister um ihre Erhaltung über die Zeit hinaus.
Und nun gehen Harro und Rosmarie über die freundlichen Sonnenflecken auf dem grünen Teppich dahin. Die hohen blassen Waldglocken, die am Wege stehen, nicken ihnen zu, die Waldtäuber rufen einander, und der Nußhäher wie ein lebendiger Edelstein flirrt vorüber.
Die alten Herrschaften sind zurückgeblieben, und nun schließen bald die Zweige sie ein.
Die beiden hohen Gestalten gehen nebeneinander. Harro fürchtet Rosmarie zu berühren oder ihr den Arm zu reichen, ehe er weiß, wo sie verletzt ist.
»Liebste, sieh nicht immer hinweg, laß mich in deine Augen sehen. Mein Armes... ist es noch schlimm?«
»Nicht davon reden, Harro! Du sollst mir lieber sagen, was dir ist. Ich sehe eine Falte. War es dir nicht recht, daß Vater dir die Füchse sandte? – Ich erschrak ein wenig, als er es mir sagte, aber es sollte auch eine Überraschung für mich sein.«
»Du wirst mich doch nicht für so undankbar halten; die Pferde sind sehr schön.«
»Ich fühl es doch, es ist dir etwas nicht recht gewesen?«
»Liebste, warum sollen wir uns diesen wunderschönen Tag vergällen?«
Über Rosmaries Antlitz zuckt es bei seinen Worten. Ja vergällt! Aber das soll er nicht mit erleiden. Und nun legt er seinen Arm um ihre Schultern, nachdem er vorher mit einem Blick nach hinten sich vergewissert hat, daß eine freundliche Bodenwelle sie von den Nachkommenden abgeschlossen hat.
»Tu ich dir so nicht weh, Liebste?«
»Nein, aber Harro, ich sehe deutlich, es hat dich etwas bekümmert, waren es die Pferde? Mama war doch sehr angenehm, so wie sie nur überhaupt sein kann?«
»Über ihren Anblick bin ich erschrocken, greulich ist auch die weiß und rote Farbe, die sie im Gesicht trägt. Wie eine bemalte Holzfigur, fürchterlich!«
»Ich glaube, sie findet es schön! Was hat Vater mit dir geredet? Ich sagte ihm, du würdest über sein Geschenk erschrecken. Du hättest doch lange gern ein Reitpferd gehabt, aber da es ja nicht von leeren Farbentuben und durchrissenen Papierkuverts leben könne, könntest du es nicht haben. Aber er lachte mich aus und sagte: Du wüßtest schon, von was ein Pferd lebe.« –
»Ja, und von was sechs, nein acht Gäule leben!« grollte Harro. »Rein kahl auffressen werden sie mich.«
»Acht Gäule! Aber es sind doch nur zwei!«
»Liebste, ich bin doch heute belehrt worden, daß das mindeste, was du verlangen kannst, acht Gäule sind.«
»Ich verlange? Acht Gäule!«
Rosmarie sieht ganz weiß und schreckversteint aus. Da lacht er hell auf. Wie das aus seiner breiten Brust herauftönt. Mit einem Schlag ist die Wolke von Stirn und Augen verschwunden, und der helle Sommertag lacht aus ihm heraus.
»Nun ist mir's wieder wohl. Alle Sorgen soll der Teufel holen! Ach verzeih, man wird so