Schwarzes Echo. Michael Connelly. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Connelly
Издательство: Bookwire
Серия: Kampa Pocket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783311702269
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gab der Junge kraftlos zurück.

      Bosch wusste, dass er sich keine Sorgen machen musste. Das IAD, das Department für Innere Angelegenheiten, würde sich die Beschwerde eines Officers über einen anderen ohne Zeugen oder Bandaufzeichnung nicht einmal ansehen. Das Wort eines Cops gegen das eines anderen war etwas, bei dem man in diesem Dezernat nichts unternehmen würde. Tief in ihrem Inneren wussten sie, dass das Wort eines Cops nichts wert war. Deshalb arbeiteten die Leute vom IAD immer paarweise.

      Eine Stunde und sieben Zigaretten später hatte Bosch es gefunden. Die Fotokopie eines Polaroids von dem jadebesetzten Goldarmband gehörte zu einem fünfzig Seiten dicken Packen von Beschreibungen und Fotos von Gegenständen, die bei einem Raub in der WestLand National Bank an der Ecke Sixth und Hill verschwunden waren. Endlich konnte Bosch die Adresse einordnen und erinnerte sich an das dunkel getönte Glas des Gebäudes. Im Inneren der Bank war er nie gewesen. Ein Banküberfall, bei dem Schmuck geraubt wurde, dachte er. Das machte nicht viel Sinn. Er betrachtete die Liste. Bei fast allen Gegenständen handelte es sich um Schmuckstücke, doch für einen Banküberfall waren es zu viele. Allein Harriet Beecham hatte acht alte Ringe, vier Armreifen, vier Ohrringe verloren. Außerdem hatte man die Stücke als gestohlen, nicht als geraubt vermerkt. Er ging die Fahndungsmeldungen durch, konnte aber nichts finden. Nur einen Kontakt zum FBI: Special Agent E.D. Wish.

      Dann fiel ihm auf, dass in einem Feld auf dem Fahndungsblatt drei Tage als Datum des Einbruchs angegeben waren. Ein Einbruch, verteilt über eine Spanne von drei Tagen in der ersten Septemberwoche. Das Wochenende um den Labor Day herum. Da waren die Banken in der Innenstadt drei Tage geschlossen. Jemand hatte ein Ding in einer Bank mit einem Tresorraum gedreht. Ein Tunneljob? Bosch lehnte sich zurück und dachte darüber nach. Wieso erinnerte er sich nicht daran? So ein Einbruch wäre doch tagelang durch die Medien gegangen. Im Dezernat hätte man sogar noch länger davon gesprochen. Dann fiel ihm ein, dass er am Labor Day in Mexiko gewesen war, und die drei darauffolgenden Wochen ebenfalls. Der Bankraub war geschehen, als er seine einmonatige Suspendierung wegen des Dollmaker-Falles verbüßt hatte. Er beugte sich vor, nahm einen Hörer ab und wählte.

      »Times, Bremmer.«

      »Hier ist Bosch. Sie arbeiten immer noch jeden Sonntag, was?«

      »Von zwei bis zehn, jeden Sonntag, ohne Bewährung. Also, was gibt’s? Seit … hm … Ihrem Problem mit der Dollmaker-Sache haben Sie nichts mehr von sich hören lassen. Gefällt Ihnen die Hollywood Division?«

      »Geht so. Muss ja.« Er sprach leise, damit der Detective vom Dienst ihn nicht belauschen konnte.

      Bremmer sagte: »So schlimm? Na, ich habe gehört, Sie hätten heute Morgen die Leiche vom Damm gekriegt.«

      Joel Bremmer schrieb schon länger für die Times über die Polizeiarbeit, als die meisten Cops bei der Truppe waren, Bosch eingeschlossen. Es gab nicht viel, was er über das Department nicht hörte oder nicht mit einem Anruf herausfinden konnte. Vor einem Jahr hatte er Bosch angerufen, ob er einen Kommentar zu seiner Suspendierung abgeben wollte, ohne Bezahlung. Bremmer hatte früher als Bosch davon gewusst. Normalerweise hasste das Department die Times, und die Times sparte nie mit ihrer Kritik am Department. Aber mitten drin saß Bremmer, dem jeder Cop trauen konnte, was viele, wie Bosch, auch taten.

      »Ja, das ist mein Fall«, sagte Bosch. »Bisher gibt es da nicht viel. Aber Sie müssen mir einen Gefallen tun. Wenn es so läuft, wie ich annehme, dürfte es etwas werden, was Sie interessiert.«

      Bosch wusste, dass er ihn nicht zu ködern brauchte, aber der Reporter sollte wissen, dass es später noch etwas geben konnte.

      »Was brauchen Sie?«, sagte Bremmer.

      »Wie Sie wissen, habe ich am Labor Day im letzten Jahr meinen verlängerten Urlaub genommen, dank des IAD. Deswegen ist mir diese Sache entgangen. Aber da gab es …«

      »Der Tunneljob? Sie wollen mich doch nicht nach der Tunnelsache fragen, oder? Hier unten in Downtown? Der ganze Schmuck? Verkäufliche Pfandbriefe, Aktien, vielleicht Drogen?«

      Bosch hörte, wie die Stimme des Reporters eine Spur eindringlicher wurde. Er hatte recht gehabt. Es war ein Tunnel gewesen, und die Geschichte war lang und breit ausgeschlachtet worden. Wenn Bremmer sich so sehr dafür interessierte, handelte es sich um einen wichtigen Fall. Trotzdem überraschte es Bosch, dass er nichts davon gehört hatte, als er im Oktober wieder an seine Arbeit gegangen war.

      »Ja, genau die Sache«, sagte er. »Ich war weg, deshalb habe ich es verpasst. Irgendwelche Festnahmen?«

      »Nein, nichts dergleichen. Zuständig ist das FBI, soweit ich weiß.«

      »Ich möchte mir heute Abend die Ausschnitte ansehen. Ginge das?«

      »Ich kümmere mich um Kopien. Wann kommen Sie?«

      »Ich mach mich bald auf den Weg.«

      »Ich gehe recht in der Annahme, dass es etwas mit der Leiche von heute Morgen zu tun hat?«

      »Sieht so aus. Vielleicht. Ich kann jetzt nicht reden. Und ich weiß, dass die Spinner vom FBI den Fall haben. Mit denen treffe ich mich morgen. Deshalb möchte ich die Ausschnitte heute Abend noch sehen.«

      »Ich bin da.«

      Als er aufgelegt hatte, betrachtete Bosch die FBI-Fotokopie des Armbands. Es gab keinen Zweifel, dass es sich um das Stück handelte, das Meadows versetzt hatte und das auf Obinnas Polaroid zu sehen war. Das Armband auf dem FBI-Foto lag um ein mit Leberflecken übersätes Handgelenk. Drei kleine, geschnitzte Fische schwammen auf einer Woge aus Gold. Bosch nahm an, dass es sich um Harriet Beechams einundsiebzigjähriges Handgelenk handelte und man das Foto aus Versicherungsgründen aufgenommen hatte. Er sah zu dem Detective vom Dienst hinüber, der noch immer in seinem Waffenkatalog blätterte. Er hustete laut, wie er es in einem Film mit Nicholson gesehen hatte, und riss gleichzeitig das Fahndungsblatt aus dem Ordner. Der Junge sah zu Bosch herüber, dann widmete er sich wieder Waffen und Munition.

      Als er das Fahndungsblatt in seine Tasche schob, ging Boschs elektronischer Pieper los. Er nahm den Hörer ab und rief das Revier in Hollywood an, rechnete damit, dass ihn eine weitere Leiche erwartete. Ein wachhabender Sergeant namens Art Crocket, den alle nur Davey nannten, nahm den Anruf entgegen.

      »Harry, bist du immer noch draußen?«, sagte er.

      »Ich bin im Parker Center. Musste ein paar Sachen nachsehen.«

      »Gut, dann bist du ja schon in der Nähe vom Leichenschauhaus. Ein gewisser Sakai hat angerufen und gesagt, er muss dich sprechen.«

      »Mich sprechen?«

      »Er hat gesagt, ich soll dir ausrichten, dass sich was ergeben hätte und sie die Autopsie schon heute machen. Genauer gesagt, sind sie im Augenblick dabei.«

      Bosch brauchte fünf Minuten zum County-USC-Hospital und eine Viertelstunde, um einen Parkplatz zu finden. Das Büro des Gerichtsmediziners lag hinter einem der Krankenhausgebäude, die nach dem Erdbeben 1987 für abbruchreif erklärt worden waren. Es war ein gelbes, zweistöckiges Fertighaus ohne architektonischen Reiz oder Ausstrahlung. Als Bosch durch die Glastüren trat, durch die die Lebenden hereinkamen, und dann weiter in die Eingangshalle ging, kam er an einem Detective vom Sheriff’s Department vorbei, mit dem er Anfang der Achtziger einige Zeit in der Night-Stalker-Sondereinheit zusammengearbeitet hatte.

      »Hey, Bernie«, sagte Bosch und lächelte.

      »Leck mich am Arsch, Bosch«, sagte Bernie. »Wir anderen haben auch Fälle, die wichtig sind.«

      Bosch blieb einen Augenblick lang stehen und sah dem Detective hinterher, der über den Parkplatz lief. Dann ging er hinein und dann nach rechts, einen behördengrünen Korridor hinunter, kam durch zwei Paar Doppeltüren – und der Gestank wurde immer schlimmer. Es roch nach Tod und extrastarkem Desinfektionsmittel. Der Tod behielt die Oberhand. Bosch betrat den gelb gefliesten Desinfektionsraum. Larry Sakai war da und zog gerade einen Umhang aus Papier über. Papiermaske und -schuhe hatte er schon an. Bosch nahm sich die gleiche Ausrüstung aus einem der Pappkartons auf dem Metalltisch und begann, sie überzuziehen.

      »Was