Damals war ich siebzehn. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711718452
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ihre Tochter von der Seite an, aber sie sagte nichts. Sie begriff, dass dort der Treffpunkt, war. Neben Evelyn überquerte sie die schmale belebte Straße und trat den Rückweg an.

      Ihr war sehr unbehaglich zumute. War es nicht unfair, Hoffnungen zu erwecken, die sie nie erfüllen konnte? Hätte sie sich überhaupt auf dieses Unternehmen einlassen sollen? Aber sie konnte doch nicht die Hände in den Schoß legen und mit ansehen, wie Evelyn in ihr Unglück lief. Doch war dieser junge Mann wirklich Evelyns Unglück? Hatte sie selbst nicht vielleicht eine harmlose Liebelei dramatisiert?

      Ein Blick auf Evelyns entschlossenes, sehr gespanntes Profil machte ihr klar, dass sie im Begriff stand, sich zu belügen. Es ging um mehr als einen Flirt, und sie, die Mutter, trug die Verantwortung, dass ihr Kind keinen Schaden dabei nahm.

      Die große Terrasse neben dem Café war gut besetzt. Aber sie hatten Glück. Gerade als sie sich suchend umsahen, wurde ein Tisch nahe der Balustrade frei.

      Magdalene bestellte für sich eine Portion Tee, für Evelyn einen Früchtebecher mit Sahne. Sie wussten nichts miteinander zu reden. Magdalene zündete sich eine Zigarette an, sah zu dem mächtigen Dom hinüber, beobachtete das Vorbeifluten der Passanten, ohne doch wirklich etwas zu sehen. Sie spürte Evelyns wachsende Nervosität.

      Plötzlich überfiel sie jähe Hoffnung. Wenn der Junge nun nicht kam – wenn er das Zusammentreffen mit ihr, Evelyns Mutter, scheute? Für Evelyn würde es ein Schlag sein, gewiss. Aber wie viel würde ihr erspart bleiben! Und sie würde ganz in ihrer Nähe sein, bereit, sie in ihre Arme zu nehmen und sie zu trösten, wie sie es oft getan hatte, als Evelyn noch ein kleines Mädchen war.

      Schon senkte sich die Sonne, und es wurde kühl. Evelyn fröstelte in ihrem leichten Frühjahrskleid.

      Magdalene sah es. »Meinst du nicht, wir sollen gehen?« sagte sie und berührte sacht Evelyns eiskalte Hand.

      Aber die antwortete nicht. Ihre Augen leuchteten auf, sie sah zum Eingang der Terrasse hin. Ohne dass ein Wort gefallen war, wusste Magdalene, dass er kam …

      Unwillkürlich zog sie ihre Hand zurück.

      Erst als Evelyn strahlend sagte: »Das ist Hans Hilgert, Mama«, blickte sie auf.

      Sie sah einen hoch gewachsenen jungen Mann in einem schlichten Anzug, braune Augen, die unter kräftigen Brauen sie mit entwaffnender Offenheit anblickten, einen gut geschnittenen Mund, ein festes Kinn mit einem Grübchen.

      »Bitte, setzen Sie sich«, sagte sie, außerstande, sich zu einem Lächeln zu zwingen, und dann, als er auf dem weiß gestrichenen Stuhl Platz genommen hatte, fügte sie hinzu: »Habe ich Sie nicht schon irgendwo gesehen?«

      »Natürlich, Mama«, erklärte Evelyn rasch, »Hans war mit am Flugplatz, als wir ankamen. Der Unteroffizier, du weißt doch.« »Ach so«, sagte Magdalene nur und wandte den Blick ab, um den Jungen nicht in Verlegenheit zu bringen.

      »Aber das ist nicht wie früher, Mama«, sagte Evelyn eifrig, »er kann noch Offizier werden. Mit Sonderlehrgängen. Nicht wahr, Hans?«

      »Vielleicht gestattest du Herrn Hilgert erst einmal etwas zu sich zu nehmen, Evelyn«, sagte Magdalene bemüht, das Gespräch auf einen normalen Unterhaltungston zu bringen.

      »Möchten Sie sich etwas bestellen? Vielleicht ein Eis?«

      »Dann nehme ich auch noch eines«, sagte Evelyn.

      »Lieber nicht, Evi«, sagte Hans Hilgert, und war das erste Mal, dass er in diesem Beisammensein zum Sprechen kam, »es ist schon zu kühl zum Eisessen. Du siehst ganz verfroren aus.«

      Obwohl sie versuchte, sich dagegen zu wehren, nahm diese Fürsorge Magdalene für den jungen Mann ein. Sie spürte instinktiv, dass an der Ehrlichkeit seiner Gefühle für Evelyn nicht zu zweifeln war.

      »Dann einen Kognak«, sagte Evelyn. Magdalene stimmte zu. »Ich glaube, ein Kognak wird uns allen dreien gut tun.« Sie winkte einem der Ober, bestellte, bat gleichzeitig um die Rechnung.

      Sie wandte sich an Hans Hilgert. »Sie sind Flieger?«

      »Ja. Ich bin als Pilot ausgebildet. Natürlich würde ich alles versuchen, mich zum Bodenpersonal versetzen zu lassen. Ich weiß, dass Evi keine Aufregung vertragen kann, obwohl …«, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu, »Fliegen heutzutage nicht mehr gefährlicher ist als Auto fahren.«

      Magdalene erstarrte. So weit waren die beiden also schon! Sie schienen sich ganz feste Pläne für ihre Zukunft gemacht zu haben.

      Hans Hilgert erriet ihre Gedanken. »Ich bin sehr froh, dass Sie mir Gelegenheit geben, mit Ihnen zu sprechen, gnädige Frau«, sagte er. »Es ist wahr, Evi und ich möchten heiraten. Bitte, denken Sie jetzt nicht, ich sei unverschämt …«

      Magdalenes Mund war trocken. »Wie alt sind Sie?« fragte sie, und ihre Stimme klang ungewohnt rau.

      »Einundzwanzig.«

      »Evelyn ist siebzehn. Finden Sie nicht, dass Sie beide für Heiratspläne noch reichlich jung sind?«

      »Nein«, erwiderte er ruhig.

      »Sie wissen vielleicht nicht, wie verwöhnt meine Tochter ist.« Hans Hilgert zog die kräftigen Augenbrauen zusammen. »Natürlich kann ich ihr das nicht bieten, was sie gewohnt ist. Wir haben darüber gesprochen. Aber ich glaube nicht – und Evi glaubt es auch nicht –, dass das Glück durch Luxus erkauft werden kann.«

      »Von Luxus hat hier niemand gesprochen«, sagte Magdalene gereizt.

      »Entschuldigen Sie. Vielleicht habe ich dieses Wort falsch gewählt. Aber Evi sagte mir, dass Sie ein Vermögen mit in die Ehe gebracht haben, und Oberst Rott hat eine Position, wie ich sie sicher nie erreichen werde. Ich meinte nur das, sonst nichts.«

      »Und was könnten Sie meiner Tochter bieten?«

      »Aber Mama«, sagte Evelyn, »du redest so altmodische Dinge. Natürlich verdient Hans genug, um eine Frau zu ernähren. Und eine Wohnung könnt ihr uns wirklich kaufen. Das wäre doch nicht zu viel verlangt. Außerdem habe noch den Schmuck von Großmutter.«

      »Du vergisst, dass du ohne unsere Einwilligung gar nichts unternehmen kannst.«

      »Das habe ich keinen Augenblick vergessen«, sagte Evelyn und sah ihre Mutter mit flammenden Augen an, »sonst würde ich nämlich gar nicht mit dir diskutieren. Du verlangst dauernd, dass wir unsere Pläne verteidigen sollen. Nenn mir nur einen einzigen vernünftigen Grund, warum ich Hans nicht heiraten soll.«

      »Weil du noch zu jung bist. Viel zu jung, um zu wissen, wo dein wahres Glück liegt.«

      »Du irrst dich. Ich habe es dir und Papa zu verdanken, dass ich keineswegs weltfremd erzogen worden bin. Ich habe niemals Scheuklappen vor den Augen gehabt. Ich habe viele Liebesgeschichten mit angesehen, die unglücklich ausgegangen sind und viele unglückliche Ehen. Aber niemals ist das Geld daran schuld gewesen.«

      Der Kellner brachte ein Tablett mit den Kognaks, Magdalene bezahlte. Sie tranken alle drei, ohne sich anzusehen.

      »Ich verlange gar nicht, dass du auf deine Liebe verzichtest«, sagte Magdalene, »ich möchte nur, dass du dich prüfst. Ich habe dir vorgeschlagen, mit mir zusammen auf ein paar Monate zu verreisen.«

      »Aber ich will nicht!« rief Evelyn. »Meinst du, ich durchschaue nicht, was du vorhast? Erst fährst du mit mir fort. Irgendwohin, vielleicht an die Riviera. Dort versuchst du mich abzulenken, damit ich Hans vergesse. Wenn du siehst, dass dir das nicht gelingt, ziehst du den Aufenthalt hinaus. Und dann, plötzlich kommt ein Telegramm von Papa, dass er sich wieder zum Außenministerium hat versetzen lassen, und dass wir uns alle im Kongo oder in Oslo oder was weiß ich wo treffen sollen.«

      »Aber wenn ich dir schwöre, dass ich an nichts dergleichen gedacht habe …«

      »O doch. Das hast du. Dir hat es ja vom ersten Augenblick an in Deutschland nicht gefallen. Du bearbeitest Papa dauernd, sich doch wieder versetzen zu lassen.«

      »Doch nicht deinetwegen, Kind!«

      »Die