Ein Fohlen für Doria. Lise Gast. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lise Gast
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711509210
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ein wenig losen Zucker auf die Hand zu streuen. So brachte sie den Zucker schließlich doch einmal an Donners Mäulchen. Er zuckte zwar zuerst zurück, begann aber gleich darauf sich die Lippen zu lecken. Voller Hoffnung ihn nun an sich zu gewöhnen, versuchte Dori es danach mit Mohrrüben; die aber wollte er nicht. Da biss sie ganz kleine Stückchen ab und legte sie auf ihre Hand, auf die sie wieder ein bisschen Zucker gestreut hatte. Als Donner neugierig herankam, gelang es ihr, ihm etwas davon in den Mund zu schieben. Und siehe da, es schmeckte ihm. Beim Lecken und Kauen nickte er mit dem Kopf, wie es die Ziegen machen.

      Seit ein paar Tagen kam er schon von selbst heran, wenn sie die Hand hinhielt, schnoberte daran und fing dann an zu lecken. Und nun hob er sogar eins der Vorderbeine und tappte damit zu ihr hin! Peter, den sie halblaut gerufen hatte, stand dabei und staunte.

      Peter hatte keine Geduld mit Donner, das war Dori längst klar geworden. Er fuhr zwar mit, wenn sie zur Schmetterlingswiese aufbrach, aber eigentlich mehr um sich zu Hause unsichtbar zu machen. Sonst hieß es doch in einem fort: „Hol mir doch schnell mal –“ oder „Ihr könntet heute mal –“ Peter klemmte sich ein paar Comic-Hefte auf seinen Gepäckträger und setzte sich in einen geschützten Winkel der Wiese um zu lesen.

      Goldis Bein war längst geheilt. Bei seinen Besuchen auf der Schmetterlingswiese hatte Haakon sich davon überzeugt. Oft kam er nicht. Dori hatte sich angewöhnt auf dem Heimweg bei ihm hereinzuschauen.

      Anfangs hatte sie ein wenig aufgeräumt, bis Haakon sagte, nun genüge es. Er war merkwürdig befangen, wenn er ihr half. Dori merkte, dass er immer nur mit der rechten Hand zugriff. Der linke Arm hing steif herunter und Haakon drehte sich meist so, dass er Dori die rechte Seite zuwandte. Wahrscheinlich ist der Arm gelähmt, dachte sie, aber sie wagte nicht ihn zu fragen. Dafür, dass er nicht beide Hände gebrauchen konnte, war sein Haus eigentlich ganz schön in Ordnung.

      Heute hatte Dori sich vorgenommen einen Kuchen für ihn zu backen.

      „Was für einen mögen Sie denn am liebsten?“, fragte sie. Haakon lachte.

      „Jeden, der mit-kuchen endet.“

      „Backt Karin Ihnen denn nie einen?“, fragte Dori.

      „Wenn ich sie bitten würde ... Aber Karin wird so bald nicht wieder kommen.“ Dori sah auf.

      „Ist sie krank?“

      „Oh nein. Oder doch. Schlimmer.“

      „Schlimmer? Ist sie –“

      „Verliebt. Sind Mädchen verliebt, kann man sie nicht für voll nehmen. Sie sind dann – wie drückt man es liebenswürdig aus? Schwachsinnig“, sagte Haakon und grinste. Er konnte grinsen wie ein Lausejunge, das gefiel Dori so an ihm. Sie mochte ihn gern.

      „Und Jungen?“, wollte sie wissen.

      „Jungen? Du meinst: Männer? Die sind es auch. Glaub nicht, dass es bei denen anders ist. Das ist bei allen Menschen gleich.“

      Dori schwieg und überlegte. Schließlich fragte sie: „Kommt Karin nicht wieder zu Ihnen?“

      „Vermutlich nicht.“

      „Kann ich dann für Sie einkaufen?“

      „Ja, das wäre mir lieb. Ich gehe nicht gern ins Dorf.“

      Dori freute sich. „Ich schreib mir alles auf.“

      „Hast du denn Zeit dafür?“, fragte Haakon nach einer Weile vorsichtig. „Du musst doch auch Schularbeiten machen und jeden Tag bist du auf der Wiese.“

      „Ach, was wir mündlich aufhaben, das lerne ich dort. Man kann ja lernen und trotzdem aufpassen, ich meine, auf den Donner. Und das Schriftliche ist nicht so viel. Manches mache ich schon in der Schule, wenn wir mal eine Freistunde haben. Und wenn man in der Stunde gut aufpasst, gehen die Schularbeiten schnell.“

      Der Kuchen wurde wunderbar, er duftete köstlich. Dori hatte Rosinen und Mandeln in den Teig getan.

      „Hast du die gekauft?“, fragte Haakon schnuppernd. Dori lachte.

      „Nein. Sie sind ein Geschenk von Großmutter.“

      „Und du hast sie nicht gegessen, sondern –“

      „Mitgebracht. Sie passen doch gut in den Kuchen?“

      „Sehr gut. So einen hab ich lange nicht gegessen. Ich danke dir ... Jetzt musst du aber gehen.“

      Dori stand schon auf dem Sprung.

      „Die Kuchenform wasche ich morgen aus ...“

      Wo steckst du denn, Dori?“, fragte Tante Ulle. „Ich habe so viel zu tun. Johannisbeeren abstielen ... Ja, das mussten wir auch, als wir Kinder waren. Da, guck“, sie deutete auf eine große Schüssel, die auf dem Sitzplatz vor der Küche stand, „das schaffe ich nicht allein.“

      Peter saß schon mit saurem Gesicht da und stielte Beeren ab. Dori setzte sich daneben. Sie mochte Johannisbeeren nicht. Erst schmeckten sie ganz gut, aber dann kriegte man einen ganz wunden Gaumen davon. Gerade kam Großmutter über den Hof.

      „Na, so fleißige Kinder ...“, sagte sie und lachte ein wenig. „Da kann ich mich ja nicht lumpen lassen und muss mit ran!“

      Wenn Großmutter dabei war, wurde es gleich besser. Sie konnte so gut erzählen. Und sie gab ganz offen zu, dass sie früher auch wütend gewesen war, wenn sie helfen musste. Einmal war sie auf die Idee gekommen, dass die Spatzen ihr eigentlich die Arbeit abnehmen könnten. Da nahm sie heimlich den Spatzenschreck weg, der in Form eines Katzengesichts über den Johannisbeersträuchern aufgehängt war, grüne, funkelnde Augen hatte und Furcht erregend glitzerte. Aber ihre Mutter kam dahinter und es gab ein großes Strafgericht.

      Am schönsten aber erzählte sie von ihren Reisen.

      „Ich bin überall dorthin gefahren, wo es Pferde gibt“, sagte sie und lächelte Dori an, „ich wollte immer die Heimat der Pferde kennen lernen. Nach Ostpreußen fuhr ich zuerst – dort sind ja die Trakehner her, die Pferde mit der Elchschaufel, ihr kennt sicherlich den Brand. Später habe ich dann andere Länder besucht. Auf den Shetlandinseln war ich, wo die ganz kleinen Pferde herstammen, die jetzt oft für Kinder gekauft werden. Dort wachsen die Kinder ja geradezu mit Ponys auf. Wenn sie ganz klein sind, die Kinder, setzt man sie in einen Korb und hängt den über den Pferderücken, auf eine Seite den Korb, auf die andere irgendetwas ebenso Schweres. Und dann führt man die Ponys umher, weil man mit dem Kinderwagen nicht gut vorwärts käme; es gibt dort nämlich keine asphaltierten Wege. Jedenfalls war es damals so, als ich dorthin kam. Später reiten die Kinder; sie sitzen mit gespreizten Beinen auf dem Ponyrücken und halten sich an der Mähne fest. Shetlandponys haben ja ganz dicke Mähnen. Die Kinder müssen in der Balance sitzen, denn ihre Beine sind noch zu kurz, als dass sie Knieschluss haben könnten. Dort hättest du aufwachsen mögen, gelt, Dori?“

      Dori sah Großmutter ein wenig misstrauisch an. Ahnte sie etwa ...

      Aber Großmutter fuhr fort, freundlich und ruhig: „Auch nach Norwegen zog es mich. Ihr wisst ja, wie die Norweger aussehen: hellgelb mit schwarzweißer Mähne, die man so kurz schneidet, dass sie aufrecht steht. Schön sieht das aus, nicht wahr? Und wenn man es geschickt macht, die Mähne in der Mitte etwas länger lässt und im Bogen schneidet, dann sieht es aus, als trüge das Pferd den Hals schön gebogen. Auch bei den Haflingern war ich. Sie stammen aus Südtirol und sind Gebirgspferde, etwas größer als Norweger. Sie haben einen Schuss Araberblut in sich. Herrlich sieht es aus, wenn ihre Mähnen, hell, zu mahagonifarbenem Fell, stäubend über dem Hals stehen! Es gibt auch da größere stämmige und elegante kleinere Tiere. Haflinger fand ich immer hinreißend. Auch in Andalusien bin ich gewesen, Westernpferde habe ich in Amerika gesehen –“

      „Auch geritten?“, fragte Dori atemlos.

      „Auch das. Zugerittene Westernpferde sind gar nicht so schwer zu reiten, wie man denken sollte, obwohl sie sehr schnell sind. Aber sie stehen auf den Meter ... Und dann Island und seine Pferde! Es sind ja Ponys, aber sie tragen auch Erwachsene. Sogar schwere Männer. Sie sind jetzt oft zu finden hier bei uns, weil sie genügsam sind und