Ein Fohlen für Doria. Lise Gast. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lise Gast
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711509210
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Adresse, auch die Telefonnummer. Und du mir deine ...“ Er sprach mit ihr wie mit einer Erwachsenen. Dori schrieb ihre Ferienadresse auf einen Zettel.

      Jörg las, was sie geschrieben hatte. „Auf dem Schlosshof wohnt ihr? Na, da habt ihr ja Platz.“

      Sie wagte nicht zu sagen, dass der ehemalige Pferdestall längst zum Atelier geworden war, dass der Schlosshof zwar noch Schlosshof hieß, aber kein Bauernhaus mehr war. Sie nahm den Zettel mit seiner Anschrift und steckte ihn ein. Dabei hatte sie das Gefühl, als könne sie nun nicht mehr zurück.

      Wenn man nicht zurück kann, muss man vorwärts gehen, hatte Mutter ihr einmal gesagt. Dori war es, als hörte sie Mutters Stimme.

      „Komm, Peter“, murmelte sie und stieß ihn in die Seite. Vom Ring her hörte man ein helles Wiehern.

      Na endlich“, sagte Peters Mutter, als sie am Mittag heimkamen. „Wo habt ihr nur wieder gesteckt? Deine Mutter hat angerufen, Dori.“

      „Ja? Warum?“, fragte Dori aus ihren Gedanken auffahrend. „Was Schlimmes? Ist sie krank?“

      Tante Ulle – so wurde Peters Mutter genannt, eigentlich hieß sie Ulrike –, Tante Ulle lächelte ihr zu.

      „Nichts Schlimmes. Aber ich weiß trotzdem nicht, was du dazu sagen wirst. Hör zu. Deine Mutter arbeitet doch in einer Buchhandlung, bei einer Freundin, und an die hat sich jetzt ein Verlag, ein Kinderbuchverlag, mit einer Bitte gewandt. Die Verlage haben ja Vertreter, die mit dem Auto herumfahren und mit den Buchhändlern über die Neuerscheinungen sprechen, Bestellungen entgegennehmen und so. Diesem Verlag ist nun ein Vertreter krank geworden und da hat er angefragt, ob deine Mutter nicht für diesen Sommer den Außendienst übernehmen will. Sie fährt doch gern Auto und die Freundin, bei der sie arbeitet, hat nichts dagegen.“

      Tante Ulle schwieg.

      Dori sah sie nachdenklich an.

      „Und?“, fragte sie.

      „Es handelt sich um dich, Dori. Wenn deine Mutter die Vertretertour macht, wärst du ganz allein zu Hause, wochenlang. Das möchte deine Mutter natürlich nicht. Sie fragt nun vorsichtig an, ob du nicht bei uns bleiben könntest. Nicht nur die Pfingstferien, wie wir es vorhatten, sondern länger. Auch hier zur Schule gehen. Ich soll dich fragen.“

      Dori stand stumm. Dann sah sie Peter an. Der zuckte die Achseln. Er hatte eigentlich nie eine eigene Meinung. Immerhin war er auch nicht, wie manche Jungen, überall und immer dagegen, wenn man etwas vorschlug. Dori sah wieder zu Tante Ulle hin.

      „Würdet ihr mich denn wollen?“

      „Aber Dori! Natürlich wollen wir dich“, lachte Tante Ulle und nahm sie in den Arm, drückte und schüttelte sie ein bisschen. „Dummes Kind, gern wollen wir dich. Und du? Willst du?“

      Durch Doris Hirn blitzte es. Wenn sie den Sommer über hier blieb ...

      „Oh, gern, gern!“, hörte sie sich rufen. „Für den Sommer? Oder noch länger? Tante Ulle –“ Und nun war sie es, die die Tante umarmte, und zwar so heftig, als wollte sie ihr alle Rippen brechen. „Ich darf bei euch bleiben? Hurra, hurra, hurra!“

      „Du, das kommt gerade wie vom Himmel. Jetzt kann ich den Donner kaufen“, flüsterte Dori, kaum dass sie Peter ins Badezimmer gezerrt hatte. Sie sollten sich vor Tisch die Hände waschen.

      „Den Donner? Donner und Doria“, sagte Peter verblüfft. Er hatte nicht im Traum daran gedacht, dass Dori so etwas wahr machen könnte. „Reicht denn dein Geld?“

      „Weiß ich nicht. Sonst mache ich eben Schulden. Beim Pferdehandel werden oft Schulden gemacht.“ Dori war nicht zu bremsen. „Jetzt oder nie! Ehe er zum Metzger kommt ...“

      „Und Mutter? Hast du Mutter gefragt?“

      „Tante Ulle?“ Auf einmal war Dori still. Darüber hatte sie in ihrer Begeisterung nicht nachgedacht. Kaufen konnte sie Donner vielleicht, aber wo ihn unterbringen?

      „Er könnte doch hier auf dem Hof rumlaufen“, sagte sie. Es klang bemerkenswert lahm, wie Dori sonst nie sprach. „Wir bauen ihm einen Verschlag ...“

      „Der Hof hat keinen Zaun“, wandte Peter ein, „und ob Vater erlaubt, dass wir einen Verschlag bauen?“

      „Aber Donner käme doch sonst zum Metzger“, rief Dori verzweifelt. „Da muss man doch alles versuchen. Und wenn ich ihn doch bezahlen kann! Ich glaube bestimmt, dass es reicht. Wozu hab ich denn jahrelang gespart?“

      „Frag doch Mutter“, sagte Peter schließlich leise. „Mutter sagt so leicht nicht Nein.“

      „Ich weiß nicht. Gerade hat sie meiner Mutter den Gefallen getan mich hier zu behalten und nun komm ich mit so was ... Oh Peter, wenn der Donner sterben müsste, nein, nein, nein!“

      Sie weinte. Die Tränen kullerten ihr über die Wangen, sie wischte sie gar nicht ab. Peter war drauf und dran mitzuweinen, als er plötzlich eine Idee hatte.

      „Du, ich weiß was! Ich weiß, wo wir ihn hinbringen können! Auf die Schmetterlingswiese! Dort sind dieses Jahr nur zwei Rinder, die fressen die Wiese im Leben nicht ab. Und einen Unterstand gibt es auch.“

      „Peter! Dass du darauf kommst! Das wäre himmlisch! Wir könnten jeden Tag hinradeln und nach ihm sehen.“

      „Aber der Besitzer hat damals gesagt, Donner hätte zwei Kälber fast zu Tode gejagt“, meinte Peter jetzt nachdenklich. „Ob wir ihn überhaupt dorthin bringen dürfen?“

      „Wir müssen eben fragen. Vielleicht hatten die Kälber ihn angegriffen. Oder mit den Hörnern gestoßen. Also fragen müssen wir auf jeden Fall. Erst mal müssen wir den Schmetterlingswiesenmann kennen lernen – oder kennst du ihn schon? Umso besser. Also nichts wie hin.“

      „Erst essen, Mutter wartet“, sagte Peter. „Hast du denn keinen Hunger?“

      „Überhaupt nicht. Wie kann man Hunger haben, wenn –“

      „Dori! Peter! Wo bleibt ihr denn?“, hörten sie jetzt Mutters Stimme. Da mussten sie wohl antworten und zu Tisch kommen. Und nach dem ersten Bissen merkte auch Dori, was für einen Hunger sie hatte. Mutter sah mit Behagen, wie sie futterte.

      „Das tut euch gut. Was habt ihr am Nachmittag vor? Wieder mit den Rädern los?“

      „Ja. Wir haben viel vor, Wichtiges vor. Und du?“, fragte Dori noch schnell. Tante Ulle sollte nicht denken, sie hätten sie ganz vergessen. Die lachte.

      „Rennt nur zu eurem Wichtigen! Hauptsache, es gefällt dir bei uns!“

      „Und wie!“ Mit einer Spur von schlechtem Gewissen, weil sie nicht sagen wollten, was so wichtig war, fiel Dori der Tante noch mal um den Hals. „Es ist so schön bei euch – danke, danke!“ Und hinaus war sie, Peter ihr nach. Tante Ulle schüttelte lachend den Kopf. Sie hatte sich immer eine Tochter gewünscht, nun hatte sie eine. Und was für eine!

      Dori saß auf dem Bett und schüttelte ihre Sparbüchse. Diese Sparbüchse war kein Sparschwein, wie man es oft sieht, sondern – wen wundert’s? – ein Pferd. Es war ein sehr ulkiges Pferd aus Ton, dick wie ein voll gestopfter Strumpf, mit ganz kurzen Beinen und einem Schlitz auf dem Rücken. Mähne und Schweif waren hell.

      „Wie bei Donner“, sagte Dori und schüttelte und schüttelte. Es kam aber nichts aus dem Schlitz heraus.

      „Du musst es zerschlagen“, meinte Peter, der gespannt zuguckte. „Anders kommst du nie an dein Geld.“

      Dori tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.

      „Zerschlagen! Ein Pferd! Du bist wohl nicht bei Trost!“

      „Aber wenn du sonst nicht rankommst!“

      Dori drehte das dicke Pferdchen um und um. Am Bauch hatte es eine viereckige Stelle, die aussah wie ein zugemauertes kleines Fenster.

      „Da! Da kann man es aufmachen!“ Peter riss das Pferd an sich, doch Dori griff schnell wieder danach.

      „Du