Ein Fohlen für Doria. Lise Gast. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lise Gast
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711509210
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Da kann man reiten, Stunden und Stunden ...“

      „Wie lange braucht man denn mit dem Schiff?“, fragte Peter. Er hörte also auch zu. Großmutter antwortete:

      „Neun Tage. Mit dem Flugzeug heute neun Stunden. Aber zu Schiff ist es wunderschön.“

      „Bist du seekrank geworden?“, wollte Dori wissen. Großmutter lachte.

      „Und wie! Mehr als einmal. Aber ich konnte es trotzdem nicht lassen. Ich hatte mich in Island verliebt, in das weite, weite Land. Zum Reiten ist es wunderbar. Immer Höhen und Täler, Seen, überall Schafe, keine Menschen. Da kann man reiten und reiten, bis man satt ist ... Ich hatte mir damals gewünscht einmal so lange zu reiten, bis ich selbst sagte: Jetzt reicht’s.“

      „Und hast du das gesagt?“

      „Eigentlich nie. Weder gesagt noch gedacht. Aber ich ritt im Pulk und die anderen hörten am Abend auf.“

      „Wärst du auch in der Nacht, im Dunkeln, weitergeritten?“, fragte Dori. Großmutter lachte.

      „Dort wird es gar nicht dunkel im Sommer und ich war im Sommer dort. Es bleibt in der Nacht so hell wie am Tag ... Unglaublich! Man kann nachts fotografieren, ohne Blitz, wie hier am hellen Mittag. Dafür ist es dann im Winter immerfort dunkel, das könnt ihr euch wahrscheinlich auch nicht vorstellen. Manche Leute vertragen es auch nicht und meinen, sie werden verrückt. Wer dort geboren ist, ist natürlich daran gewöhnt ... Aber im Sommer ist es herrlich. Und was man alles zu sehen bekommt! Wasserfälle und Geysire – das sind natürliche Springbrunnen, die hoch in den Himmel schießen. Und heiße Quellen. Da gibt es im Freien Bäder, die so warm sind, dass man darin baden kann, während die Luft so kalt ist, dass die Leute in gefütterten Anoraks oder Pelzjacken herumlaufen. Ja, wir haben Bilder davon gemacht, ich zeig sie euch mal. Und die Pferde gehen vorwärts, dass es eine Freude ist, immer schnell, niemals Schritt. Auch bergab, was man doch hier nie tut, daran muss man sich erst gewöhnen. Manche tölten, habt ihr davon schon gehört? Das ist ein rasend schneller Schritt, der so gut wie überhaupt nicht wirft. Man reitet dort immer fünfzig Minuten, die letzten zehn davon im Galopp. Das ist ein Genuss! Dann dürfen die Pferde zehn Minuten ausruhen.“

      Großmutter erzählte noch mehr. Wie sie in Schulen gewohnt hatten – im Sommer sind dort Ferien – und frühmorgens heiß gebadet hatten in Bädern, in denen das Wasser aus der Erde gesammelt wird. Wie sie an die Vulkane herangeritten waren und – immerhin von weitem, denn Pferde mögen Feuer nicht – die Hexenküche der letzten Feuerausbrüche angesehen hatten, glühende Lava, in der es noch knisterte ...

      Die Johannisbeeren waren fertig, ohne dass die Kinder es so recht gemerkt hatten. Mutter lobte ihre Hilfe sehr. Großmutter erbot sich das Abendessen zu machen, damit Mutter beim Einkochen bleiben konnte. Auch das lobte Mutter und bedankte sich.

      Am anderen Tag lobte sie nicht mehr und da war auch nichts zu loben. Es gab Zeugnisse und sie waren verheerend ausgefallen. Peter war nur probeweise versetzt und Dori gar nicht, sie musste die Klasse wiederholen; es wimmelte nur so von Fünfen bei ihr und eine Sechs hatte sie auch. Tante Ulle schalt, dass die beiden ganz klein und hässlich dastanden.

      „Von jetzt an geht keiner mehr weg, ehe die Schularbeiten bis aufs Letzte fertig sind“, bestimmte Tante Ulle, „und wenn ich keine Zeit habe nachzusehen, dann tut es Großmutter.“

      Sie war ganz außer sich. Dazu kam, dass ihr Mann, gerade heimgekommen, gleich wieder fort musste auf eine längere Reise. Dori kannte ihn noch nicht und wurde ihm vorgestellt als „neue Tochter“. Gottlob verschwieg Tante Ulle, wie diese Tochter in der Schule war. Großmutter tröstete.

      „Ich sehe jetzt nach den Schularbeiten, du kannst dich darauf verlassen, Ulle“, sagte sie und dabei blinzelte sie den Kindern zu. Zunächst waren ja große Ferien, da gab es keine Schularbeiten.

      „Aber wenn es regnet, wird gelernt“, sagte Großmutter noch und versuchte streng auszusehen, „damit ihr nach den Ferien einen guten Start habt. Wo steckt ihr eigentlich immer den halben Tag?“

      „Wir radeln“, erwiderte Dori mit schlechtem Gewissen und da sie mit den Fahrrädern zur Schmetterlingswiese fuhren, war es nicht einmal richtig gelogen. Doch, es war gelogen und sie schämte sich auch dafür. Aber sie konnte doch nicht verraten ...

      Dori hatte Sorgen. Es war ihr gelungen, Donner so weit zahm zu machen, dass er „Fuß gab“, sich also gefallen ließ, wenn man ihm ein Bein anhob. Darauf hatte sie den Schmied des Dorfes gebeten zu kommen und Donner die Hufe auszuschneiden; sie wusste vom Reitverein her, dass man das von Zeit zu Zeit tun muss. Der Schmied kam auch und Donner benahm sich erstaunlicherweise ganz leidlich. Einmal flog Dori, die „aufhielt“, allerdings ein Stück in die Wiese hinaus, als er ausschlug, aber sie verbiss die Tränen – sie hatte sich mächtig an einem Baumstumpf wehgetan, auf dem sie landete – und versuchte dem Schmied zuzulächeln, als er fragte:

      „Schlimm?“

      „Gar nicht“, stammelte sie und er tröstete:

      „Junge Pferde sind halt junge Pferde. Das wird heute nicht das letzte Mal gewesen sein, dass du einen abbekommst.“

      Das war ja nun kein schöner Trost. Immerhin ging das Ganze gut vorbei. Dann aber schickte der Schmied eine Rechnung. Und Dori hatte nichts, wirklich gar nichts mehr in ihrem Sparpferd.

      „Kannst du mir was pumpen?“, fragte sie Peter. Der sah sie misstrauisch an.

      „Viel?“, fragte er.

      Sie nannte die Summe. Er zögerte.

      „Ich wollte mir doch so ein Auto kaufen –“

      „Aber erst müssen wir den Schmied bezahlen, sonst wendet der sich womöglich an deine Mutter!“

      „Frag doch Haakon“, riet Peter. Dori klopfte mit dem Zeigefinger an die Stirn.

      „Haakon anpumpen! Wo er Donner seine Weide abfressen lässt!“

      Freilich, das ging nicht.

      „Und Großmutter?“ Peter wollte sein Geld nicht herausrücken.

      „Großmutter? Vielleicht ...“

      Dori überlegte. Als sie noch daheim war, hatte sie mit ihrer Mutter ein Abkommen getroffen: Außer dem Taschengeld konnte sie sich, wenn sie wollte, noch etwas dazuverdienen: beispielsweise mit Fensterputzen, was Mutter nicht gern tat. Pro Fenster hatte sie zwei Mark bekommen. Warum sollte das hier nicht gehen?

      Sie ging zu Großmutter.

      „Soll ich dir die Fenster putzen?“, fragte sie, kaum dass sie da war. Großmutter wunderte sich.

      „Findest du sie so schmutzig?“ Alles war natürlich zum Einzug blitzsauber gemacht worden.

      „Das nicht. Aber zu Hause ... also bei meiner Mutter, da habe ich es auch gemacht.“

      „Schön, dann putz!“

      Großmutter saß an ihrem kleinen Schreibtisch und schrieb Briefe. Auf den Fensterbrettern standen Blumentöpfe mit Blüten aller Farben und Formen. Dori räumte sie vorsichtig herunter und suchte sich dann, was sie brauchte: ein Wolltuch, ein Spray.

      „Sprayen soll man eigentlich nicht, da geht die Luft um die Erde herum kaputt“, meinte sie nachdenklich und besah die Dose und die Gebrauchsanweisung. Großmutter sah auf und lachte.

      „Solches Spray kannst du ruhig nehmen. Es wird mit der Hand bedient, siehst du, so –“ sie machte es vor, „und schadet der Stratosphäre nicht. Aber es ist gut, dass du darüber Bescheid weißt. Woher eigentlich?“

      „Von Mutter. Sie hatte mal ein Buch mitgebracht, das hieß: ‚Denk an die Enkel!‘ Auch über das Waldsterben stand etwas darin. Ist das wirklich so schlimm, wie sie schreiben?“, fragte sie ängstlich.

      „Sehr schlimm“, erwiderte Großmutter. „Man muss etwas dagegen tun um es aufzuhalten, und zwar bald, so schnell wie möglich!“

      „Schadet das auch Tieren?“, fragte Dori leise.

      „Natürlich.