Ein Fohlen für Doria. Lise Gast. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lise Gast
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711509210
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da –“, rief Dori und lehnte das Fahrrad gegen den Zaun. Sie war erhitzt und erschöpft: Donner hatte heute wieder mal seinen donnerigen Tag gehabt. Wie ein Verrückter war er über die Wiese gerast, wenn sie ihn fangen wollten, hatte gebockt und getobt, mit beiden Hinterbeinen ausgeschlagen, dass seine Hufe hoch in die Luft schlugen, und sich nicht greifen lassen. Und dabei war es doch wahrhaftig an der Zeit, dass er halfterzahm gemacht wurde. Wie sollten sie ihn sonst beispielsweise zum Schmied bringen, damit der ihm die Hufe schnitt, oder, wenn es nötig war, zum Tierarzt.

      Es machte natürlich auch Spaß so ein wildes Pferd zu haben. Eins, das alles tat, was man wollte, nur still herumstand und fraß – wie langweilig musste das sein! Langweilig war Donner wirklich nicht. Aber etwas weniger Temperament hätte auch gereicht.

      Mit den Rindern hatte er sich sofort angefreundet, zuerst beinahe zu sehr. Er kam ja direkt von der Mutter und ging sogleich an eines der Tiere heran um nach dem Euter zu suchen. Das Rind, Dori hatte es Goldi getauft, weil sein Fell einen goldenen Schimmer hatte, wenn die Sonne darauf fiel, Goldi also hatte misstrauisch geguckt und mit dem Schwanz geschlagen. Dann war es davongesprungen, anders als Donner sprang, merkwürdig tapsig und mit steil hoch gestelltem Schwanz. Dori hatte sich vor Lachen hingesetzt, gerade auf einen kantigen Stein, und war schimpfend wieder aufgesprungen. Peter hielt sich den Bauch vor Lachen.

      Das war ganz am Anfang gewesen. Inzwischen hatte Donner wohl eingesehen, dass Rinder kein Euter voll süßer Milch haben, wie seine Mutter eins hatte. Er war längst gewohnt zu grasen, hielt sich an die saftigen Gräser der Schmetterlingswiese und gedieh, wie man sah, ganz ordentlich dabei.

      Das andere Rind – Peter taufte es Silber, obwohl es natürlich nicht silbern war, aber heller als Goldi – suchte von sich aus Donners Gesellschaft. Es ging zu ihm hin, wenn er ruhig stand, beroch ihn erst aus einiger Entfernung und machte sich dann näher an ihn heran. Jetzt waren alle drei längst miteinander vertraut, rupften nebeneinander das Gras vom Boden und schlugen mit den Schwänzen die Fliegen weg, die sie umsummten.

      „Schweif heißt das“, belehrte Dori Peter, als der einmal „Schwanz“ sagte. „Kühe haben meinetwegen Schwänze, Pferde haben Schweife.“

      „Aber Mädchen tragen Pferdeschwänze“, brummte Peter. Dori lachte und fuhr sich durch das struppige Haar.

      „Ich etwa?“

      „Du! Du bist ja auch kein richtiges Mädchen“, erwiderte Peter verärgert. „Mädchen spielen mit Puppen und –“

      „Das war einmal. Mädchen reiten – besser als Jungen“, rief Dori vergnügt, „kannst jeden Reitlehrer fragen. Mädchen sind mutiger und heulen nicht gleich, wenn sie aussteigen.“

      „Und die besseren Leistungen im Reiten bringen Männer und nicht Frauen“, sagte Peter schnippisch. Dori hatte ihm das selbst einmal erzählt. Sie lachte.

      „Du sicher nicht. Du hast ja sogar Angst den Donner anzufassen.“

      „Fass du ihn mal an, wenn er so rast!“

      Sie zankten und vertrugen sich dann wieder.

      Heute war es keinem von beiden gelungen, den übermütigen kleinen Hengst zu erwischen. So standen sie atemlos still, als sie die Räder den Schlossberg hinaufgeschoben hatten, und sahen zu, wie die Männer die Möbel ins Pförtnerhäuschen bugsierten.

      „Ihr dürft ruhig mit anfassen und die kleineren Sachen hineintragen“, sagte Peters Mutter, die gerade aus dem Häuschen herauskam. „Wo habt ihr euch denn den ganzen Nachmittag herumgetrieben? Los, los, es fällt euch kein Stein aus der Krone, wenn ihr mal helft.“

      Tante Ulle konnte ja nicht wissen, wie sehr sie heute schon herumgerannt waren. Dori warf Peter einen auffordernden Blick zu und ging zum Wagen hinüber. Tante Ulle griff auch zu.

      „Wann kommt Großmutter denn?“, fragte Peter.

      „Morgen. Hier, nimm den Kasten ... Der ist nicht schwer, tu nicht, als brächest du zusammen. Und Dori nimmt den Teppich, den kleinen, Dummerle! Den großen bringst du nicht fort ...“

      Die beiden gehorchten. Dabei erinnerte sich Dori ziemlich bänglich an die Schularbeiten, die noch nicht gemacht waren. Solange sie mit Donner auf der Schmetterlingswiese herumgetobt war, hatte sie mit keinem Gedanken daran gedacht.

      „Wir schreiben morgen eine Arbeit, ich muss noch lernen“, murmelte sie, während sie ein Tischchen aus dem Möbelwagen herauszerrte.

      „Das hättest du längst tun können“, antwortete Tante Ulle ungerührt, „außerdem ist es noch nicht Abend. Die Männer aber wollen noch heute zurück.“

      Und dann, am nächsten Tag, kam Großmutter. Tante Ulle hatte eine Girlande gewunden und um die Tür des Häuschens gehängt. Nett und anheimelnd sah es aus und das war nötig. Denn innen standen die Möbel noch durch- und aufeinander, weil niemand wusste, wo Großmutter sie haben wollte. Peter und Dori hatten jedes einen Strauß gepflückt und auf die Schwelle gestellt, und als Großmutter aus dem Auto stieg, rissen sie sich darum, ihr die Handgepäckstücke zu tragen. Später, als alle zusammen Kaffee getrunken hatten, durften sie mit ins Häuschen und einräumen. Das machte Spaß. Auch Großmutter half mit. Sie hatte eine Menge Bilder und hängte sie selbst auf; Dori brachte ihr Hammer und Nägel und staunte: Es waren alles – oder doch fast alles – Pferdebilder.

      „Bist du früher geritten?“, fragte sie, als Großmutter eine sehr schöne, vergrößerte Fotografie zweier Reiter aufhängte. Großmutter lachte.

      „Ich reite heute noch. Warum sollte ich nicht?“ Dori vergaß den Mund zu schließen.

      „Ich meine –“

      „Ja, auf Pferden. Nicht auf Elefanten, wie du vielleicht meinst.“

      „Auf Elefanten reiten soll gar nicht so schön sein“, fiel Peter ein, „da sitzt man oben in einer Art Korb und der Elefantenpfleger führt das Tier am Halfter. Man selbst hat überhaupt nichts zu tun.“

      „Genau. Und dann lässt man sich fotografieren, damit Kinder und Enkel einen bestaunen“, sagte Großmutter und lachte. „Hier, das ist mein Lieblingspferd, ein Hannoveraner, Dunkelschimmel, Hassan heißt er. Den hab ich viele Jahre lang geritten.“ Sie zeigte Dori eine Fotografie.

      „Aber jetzt hast du kein Pferd mehr?“, fragte die gespannt.

      „Wo sollte ich es denn hinstellen? Der Pferdestall ist doch jetzt Atelier.“

      „Aber es könnte doch –“ Dori gab Peter einen solchen Schubs, dass er noch rechtzeitig verstummte. Sie hatte sofort dasselbe gedacht. Wenn Großmutter ein Reitpferd zu Donner auf die Schmetterlingswiese stellte, könnten sie reiten ...

      Jetzt! Er tut’s, er tut’s!“

      Dori hätte am liebsten laut geschrien vor Glück, aber sie flüsterte nur. Sie hockte vor Donner, hielt ihm die Hand entgegen – und Donner hob ein Vorderbein und tappte nach ihr. Wie lange schon versuchte sie ihm das beizubringen!

      Anfangs hatte er noch nicht einmal Zucker gemocht. Mit Zucker kann man Pferde ja bestechen, wenn sie irgendetwas tun sollen, etwa die Rampe eines Anhängers hinaufgehen oder in den Stall kommen. Wenn sie aber keinen Zucker kennen?

      Gleich am ersten Tag hatte Dori sich die Tasche voll mit Zuckerstücken gestopft und war damit auf die Schmetterlingswiese geradelt um sich bei Donner einzuschmeicheln. Aber der dachte nicht daran, ein Stück zu nehmen. Er tobte nur umher und wich zurück, sobald sie mit dem Zuckerstück auf der Hand auf ihn zuging, langsam, ihm immer gut zuredend.

      Dori war sehr enttäuscht. Im Reitverein hatte sie beobachtet, dass die Leute den Pferden Zucker gaben, wenn sie sie herlocken oder belohnen wollten; auch Mohrrüben hatten sie mitgebracht. Das sei das Bessere, hatte ihr dort der Pferdepfleger gesagt. Viel Zucker sei nicht gut für die Zähne, wie bei Kindern, und auch nicht gut für den Magen. Im Zoo war einmal ein junger Elefant an zu viel Würfelzucker gestorben. Kinder hatten ihn immer wieder gefüttert und der viele Zucker übersäuerte seinen Magen, so hatte es in der Zeitung gestanden. Damals hatte Dori sich sehr gewundert.