Spurgeon neu entdeckt. Arndt Schnepper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arndt Schnepper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783417269994
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tun?« Konkret ging es dann wohl meist um die Auswahl des Predigttextes. Susannah erzählt weiter, dass sie beide meist ein wenig miteinander gesprochen hätten und Charles dann wieder zuversichtlich zu seinem Schreibtisch zurückgekehrt sei. Was hier beiläufig Erwähnung findet, ist eine oft geteilte Erfahrung: Der Predigt hilft es, wenn sie vorher mit jemandem geteilt wird. Diese Einsicht gilt vor allem bei inneren Blockaden. Dabei kommt es gar nicht darauf an, dass mein Gegenüber ein theologischer Experte ist. Streng genommen muss mein Gegenüber überhaupt nicht viel zur Predigt wissen. Oft reicht es einfach, wenn ich vor jemandem meine Gedanken ein wenig ausbreite. Indem ich spreche, klart mein Geist auf. Und die Kommentare sind dann wie Leuchtkugeln. Sie können klug sein oder nicht – in jedem Fall schenken sie Licht. Also: Wenn ich wieder einmal auf der Stelle trete, einfach aufstehen und mit jemandem sprechen – es hilft.

      Wifey, what shall I do? | Autobiography IV, 65

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      Jede Blume wartet, dir etwas zu sagen.

      Charles lebte in der Erwartung, dass Gott durch seine Schöpfung zu ihm spreche. Nicht, dass er meinte, die Natur könne ihm etwas sagen, was nicht schon in der Bibel zu lesen sei. Eine zweite Offenbarungsquelle war sie ihm nicht. Dennoch war er gewiss, dass er mittels ihrer Erscheinung die Wahrheit tiefer verstehen könne. Vegetation, Tierwelt, Gestein, Gestirne – fast alles konnte für ihn zu Gottes Medium werden. Man solle, so Charles, mit offenen Augen in die Welt treten und die Dinge wahrnehmen. Er spricht an dieser Stelle gerne von Meditation, also der aufmerksamen Betrachtung. Obwohl er selbst viele Bücher schrieb und noch mehr besaß, traute er der Natur eine ganze Menge zu. Verglichen mit ihr waren ihm Bücher nur »arme Sachen«. Mit dieser Ansicht befand er sich ganz im Einklang seines Meisters. Auch Jesus, so berichten es die Evangelien, wies seine Zuhörer auf die Lilien, die Sperlinge und den Senfbaum hin. Darum: Eine Predigt gewinnt, wenn sie in der Landschaft reifen kann. Der Blick auf den Bach, die Birke oder die Butterblume lässt meist tiefer sehen als bloß ein aufgeschlagenes Buch.

      Every flower is waiting to teach you. | Lectures to my Students, 198

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      Den richtigen Predigttext erkennen wir wie einen Freund.

      In der englischen Staatskirche lag ein festes Formular vor, das die Predigttexte vorschrieb. In den presbyterianischen Kirchen, die auf Johannes Calvin zurückgingen, gab es auch die Tradition der Predigtreihe. Dort wählte der Prediger ein biblisches Buch aus, das er dann fortlaufend auslegte. Charles konnte sich für keines der beiden genannten Modelle erwärmen. Er favorisierte eindeutig die persönliche Auswahl. Meist wartete er bis zum Samstagabend, bis er sicher war, nun den passenden Text gefunden zu haben. Man wendet gegen diese Form heute gerne ein, dass sie doch sehr willkürlich sei. Doch Charles hätte sich hier missverstanden gefühlt. Er wollte gar nicht selbst den Text aussuchen. Er rechnete vielmehr mit dem Heiligen Geist, dass er ihm den sachgemäßen Text weise. Das ist, so finde ich, ein faszinierender Gedanke. Und wie erkennt man Gottes Geist? Charles meinte: Der richtige Text kommt wie ein Freund daher, bei dem wir intuitiv wissen: Ja, der ist es!

      What is the right text? How do you know it? We know it by the signs of a friend. | Lectures to my Students, 88

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      Überlade deine Predigt nicht mit zu viel Inhalt.

      Keine Frage: Charles predigte lang und ausgiebig. Legt man seine gedruckten Predigten als Maßstab zugrunde, so sprach er wohl meist etwa eine Dreiviertelstunde. Dieser Länge entsprach allerdings eine inhaltliche Konzentration. Es ging ihm zumeist um einen Gedanken, den er dann unaufhörlich umkreiste. Am Ende seiner Predigten wusste man dann auch, worum es ging und worauf es ankam. Gerade für Predigtanfänger ist es oft eine Verlockung, zu viele Inhalte in eine Predigt zu packen. Die Vorstellung ist: Die Zuhörenden könnten sich dann ja alle selbst das Passende heraussuchen. In der Praxis erweist sich diese Idee aber oft als undurchführbar. Durch das einmalige Aussprechen eines Satzes passiert meist gar nichts. Wahrheiten brauchen nämlich Wiederholung. Natürlich nicht so, dass sie immer wortwörtlich wiederholt werden. Es kommt vielmehr darauf an, sie mittels von Erklärungen und Erzählungen immer wieder neu darzustellen.

      […] do not overload a sermon with too much matter. | Lectures to my Students, 80

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      Wisse, wie man Pausen macht.

      Schätzungsweise dreitausend Predigten hat Charles gehalten. Viele von ihnen wurden verschriftlicht und gedruckt. So lebendig sie heute auch noch sind, so wenig vermögen sie freilich das ganze Talent von Charles einzufangen. Denken wir etwa an seine Stimmlage, seinen Tonfall oder auch die Reaktionen des Publikums. Das alles erzählen uns die Niederschriften nicht. Umso wichtiger sind deshalb seine Äußerungen zu dem, was die Predigtsammlungen verschweigen. Dies betrifft etwa die Kunst, Pausen einzulegen. Ganz offensichtlich waren Pausen für ihn kein Nebenschauplatz. Pausen wirken in der Predigt nämlich wie Satzzeichen. Sie verstärken die Frage und erhöhen die Aussagekraft. Sie signalisieren auch, dass der Predigende nachdenkt, um Worte oder mit seinen Gefühlen ringt. Wer hin und wieder pausiert, wird schnell merken, dass er die Aufmerksamkeit wie ein Magnet an sich zieht. Das ist kein Theater, sondern schlicht und einfach ein wichtiger Teil der menschlichen Kommunikation.

      Know how to pause; Make a point of interjecting arousing parentheses of quietude. | Lectures to my Students, 153

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      Nach Gottes Gnade ist Sauerstoff das Wichtigste.

      Hier haben wir ein typisches Spurgeon-Zitat! Einerseits betont er darin die unaufhebbare Rolle des göttlichen Mitwirkens bei der Predigt. Andererseits unterstreicht er aber auch den Wert des menschlichen Vermögens. Denn im 19. Jahrhundert gab es noch keine Zentralheizungen, die für angenehme Temperaturen im Gottesdienst sorgten. Also hielt man nur allzu gern die Fenster geschlossen, um das bisschen Wärme festzuhalten. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Luft oft verbraucht war. In solcher Atmosphäre ließ sich beim besten Willen nichts erreichen. Darum plädierte Charles immer für das großzügige Öffnen der Fenster. Er war überzeugt: Wenn Menschen glauben sollen, müssen sie vorher auch wach sein. Diese Binsenweisheit lässt sich ohne Weiteres auf unsere Zeit übertragen. Gottesdienstliche Räume benötigen Mindestvoraussetzungen an Temperatur, Akustik, Mobiliar und Technik. Sind sie nicht gegeben, dann wird es auch für den besten Prediger sehr schwierig.

      The next best thing to the grace of God for a preacher is oxygen. | Lectures to my Students, 138

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