Selbst im Traum werde ich reicher. Leonille Gottschick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leonille Gottschick
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783903271531
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auch „Fahrgäste in Tauchanzügen“. Ich nenne sie wegen ihres geringen IQ so. Sie werden über sie noch lesen können.

      Ein anderer Fahrgast behauptete, dass er das beste Gulasch in Nürnberg kocht, und sogar 26 unterschiedliche Sorten. „Du irrst dich gewaltig“, habe ich ihm gesagt, „weil das beste Gulasch ich, Leonille, koche. Was du kochst, heißt Pörkölt, bei den anderen fügt man hinzu, welches Gulasch es ist. Zum Beispiel Hühnergulasch, Bohnengulasch oder Székelygulasch. Du kannst nicht das beste Gulasch kochen, weil um Gulasch oder Pörkölt kochen zu können, muss man gleichzeitig mit der Muttermilch den Kochlöffel in der Hand halten – also bereits in der Kindheit erlernen.“ „Säure ich das Kraut auch selber an?“, fragt König Kunde. Nach seinen 26 Gulaschsorten und nach meinem Gulasch habe ich ihm mitgeteilt, dass er besser leise sei, weil bei noch so einer Aussage er seine Haustür nicht von meinem Taxi aus erreichen werde. Er folgte meiner Anweisung und gab sogar Trinkgeld.

      Die besten Fahrgäste sind betrunken. Nein, nicht was sie jetzt denken. Nein, auch nicht deshalb. Die verdächtigen Analphabeten würde ich auch auf Platz eins setzen. Zweimal wussten sie nicht, wo sie wohnen, so betrunken waren sie. De Frau konnte sich an die Hausnummer, der Mann konnte sich an den Straßennamen erinnern. Das waren zwei unterschiedliche Kunden, ich habe sie nicht gleichzeitig befördert. Ich wurde zur Detektivin und habe beide nach Hause gebracht.

      Ich habe auch 2. und 3. platzierte Fahrgäste.

      Die schlimmsten sind die Damen, die denken, dass sie so wichtig sind, dass niemand ihren Chefsessel wärmen wird, wenn sie mal nicht da sind. Wieso halte ich sie für so schlimm? Weil sie nicht zahlen wollen, sie denken, das sei ein Vermögen, was das Taxameter anzeigt. Sie bezweifeln sogar, dass ich sie befördert hätte.

      Die Damen, die frühmorgens nach Hause wollen und von niemandem begleitet werden.

      Ich meide sie wie die Pest, ein Bienenstich ist gegen sie wie eine sanfte Frühlingsbrise. Bei diesen Damen ist irgendwas schiefgelaufen, sie haben etwas nicht bekommen, etwas nicht geschafft, weshalb sie dahin gegangen sind und ihre Wut jetzt an mir ablassen. Wenn ich merke, dass so eine Frau auf mich wartet, schließe ich die Türen im Taxi, lasse die Fensterscheibe vorne rechts runter und sage, dass ich sie nicht mitnehmen kann, weil ich eine andere Adresse anfahren muss. Dann fahre ich weiter und bestelle ein anderes Taxi an diese Adresse. So kann ich einer Drachenkönigin als Fahrgast entkommen. Wer von einem Mann hinausbegleitet und geküsst wird, so zusammenklebend, dass ich nicht weiß, ob sie eine oder doch zwei Personen sind. Da schalte ich das Licht aus Feingefühl nicht an. Sie sind nette Kunden. Diese Damen sagen mir, ohne danach zu fragen, was ich bereits lange weiß. Wenn die Fahrt lang genug ist, kommt sie sogar auf ihre erste Liebe zu sprechen. Natürlich spare ich auch nicht mit Geschichten.

      Den besserwisserischen Teenagern kann ich auch Paroli bieten. Sie sind auch keine guten Kunden.

      Das meiste Trinkgeld, 500 Euro, habe ich von einem 20-jährigen jungen Mann erhalten. Ich habe dafür nur Ratschläge gegeben. Einige geben nichts, dabei beteuern sie, dass ich sie gerettet hätte. Es gab auch Kunden, die am Ziel aus dem Auto gesprungen sind, ohne zu zahlen. Dabei gibt es in Deutschland ein Gesetz – wie für alles –, dass man sich strafbar macht, wenn man sich als Fahrgast ohne Geld in ein Taxi setzt.

      Es gab auch Fahrgäste, die nicht aussteigen wollten. Ich musste mit ihnen in Nürnberg Runden drehen, weil herzzerreißende ungarische Lieder in meinem Taxi liefen und sie in Erinnerungen schwelgten. Die französischen Kunden lieben Jo Dassin: Champs Elysees. Die Russen mögen Nikolai Baskow Dorogoj dlinnoju. Ungarn aus Siebenbürgen und der Slowakei mögen Geigenmusik. Für die Harley Davidson Fahrer lege ich von John Fogerthy „Bad moon rising“ auf.

      Ich behaupte, dass Kunden mit jedem erdenklichen Beruf neben mir oder hinter mir gesessen sind. Ich habe Fürsten, Fürstinnen, Prinzen, Prinzessinnen, Grafen, Gräfinnen, aus der Faber-Castell Bleistiftfabrik in Stein, die im Besitz des Grafen ist, Ministerin und Minister befördert. Oberbürgermeister. Botschafter. Die Mittelschicht und auch Obdachlose. Harz IV-Empfänger. Einfache Arbeiter. Geschäftsleute. Leiter von Weltkonzernen, Manager. Viele haben nicht mitgeteilt, was ihr Beruf ist. Und, und, und …

      König Kunde bereist alle acht Kontinente, Europa, Asien, Afrika, Australien, Inseln im Pazifik, Nordamerika, Mittelamerika, Südamerika, aber den Kofferraum eines Mercedes können sie nicht zumachen. Eigentlich ist es auch nicht ihre Aufgabe, sondern meine. Aber oft wollen sie es machen. Da der Knopf zum Verschließen des Kofferraumes auf der rechten Seite ist, strecke ich mich nicht, sondern sage ihnen, dass sie bitte einsteigen sollen, ich kann von innen den Kofferraum zumachen. Das kann ich in vier Sprachen sagen. Viele wollen nicht einsteigen, weil der Kofferraum offen ist. Dann wird mir klar, dass die Kunden dumm sind. Sie können sich nicht einmal vorstellen, dass sich im 21. Jahrhundert Kofferräume automatisch schließen. Ich sage ihnen dann, dass ich so dumm sei, mit offenem Kofferraum zu fahren. Entsprechend sitzen alle mit offenem Mund im Taxi, blicken nach hinten, ihre Augen, ihr Hals und ihr Kopf komplett verdreht, damit sie sehen können, wie sich der Kofferraum automatisch schließt. „Wieeee? So etwas haben wir noch nie gesehen.“

      Ich liebe es, wenn Kunden sich um mein Taxi streiten. Am Flughafen, am Hauptbahnhof, beim Eingang der internationalen Messe warten oft mehrere Hundert Fahrgäste. In dem Moment komme ich an einem der drei Plätze an, und ich kann maximal vier Personen mitnehmen. Welche vier Personen soll ich bloß mitnehmen? Ist es nicht ein beneidenswerter Beruf?

      Sie kleben am Stuhl, am Sessel, am Bett, wo sie auch immer bequem sitzen oder liegen, während sie lesen – genauso wie ich bei der Lektüre vom Lebenslauf einer meiner Lieblingsschauspieler gesessen bin.

      Gerard Xavier Marcel Depardieu – Châteauroux; 27. Dezember 1948, französischer Schauspieler – hat, als er Teenager war, Gräber mit seinen Freunden geplündert. Tagsüber haben sie hinter den Grabsteinen beobachtet, mit welchem Schmuck die Toten beerdigt werden. Am Abend haben sie die Gräber dann ausgegraben, den Schmuck herausgenommen, das Grab wieder geschlossen und die Beute später verkauft.

      Conrad Hilton, der Hotelkönig, hatte die Idee zum Bau von Hotels, als er in einer Stadt in Texas unter den Ölsuchenden zum richtigen Zeitpunkt und als richtige Person sah, dass die Zimmer in den Motels in drei Schichten vermietet wurden. In einem Bett schliefen innerhalb von 24 Stunden drei Personen. Wahrscheinlich haben alle Decke und Bettwäsche selber mitgenommen.

      Charles Lindbergh – Detroit 1902–Hawaii 1974. Am 20. Mai 1927 startete er vom Roosevelt Flughafen in New York, mit seinem Flugzeug namens Spirit of St. Louis – amerikanische Stadt – und überquerte den Atlantik – 5.808 km – in 33 Stunden und landete am Flughafen in Paris Le Bourget. Vor ihm haben bereits 66 Personen den Atlantik überflogen, aber er war der Erste ohne Zwischenlandung.

      1929 nahm er Anne Spencer Morrow zur Frau, sie bekamen sechs Kinder. Das erste wurde gekidnappt.

      Mit Brigitte Hesshaimer, Hutmacherin, Tochter eines Schokoladenfabrikanten, der aus Rumänien nach München ausgewandert ist, hatte er drei Kinder. Mit ihrer jüngeren Schwester, die in der Schweiz lebte, hatte er zwei Kinder. Von seiner Sekretärin Valeska hatte er ebenfalls zwei Kinder. Die vier Frauen wussten nichts voneinander und von den Kindern. Ausgenommen die Hesshaimer Geschwister, sie wussten nur nicht, dass die Kinder einen gemeinsamen Vater hatten. Diese sieben Kinder wussten den echten Namen ihres Vaters auch nicht. 2003 wurde die Wahrheit publik, als die Tochter von Brigitte, Astrid Bouteuil auf einem Foto ihren Vater erkannte, „Das ist mein Vater“, sagte sie und konnte dies mit Hilfe eines DNA-Tests nachweisen. Solange Charles Lindbergh lebte, wusste es niemand, weder die drei Frauen noch die sieben Kinder.

      Also, verstehen Sie?

      Die Heiligen waren auch nicht immer heilig.

      Aus einem See im Vatikan wurden mehrere Tausend Babyschädel geborgen. Die Antwort darauf, was mit den Babys der Mönche, Pfarrer und Nonnen geschehen ist. Im 21. Jahrhundert ist es unvorstellbar, dass Mönche, Pfarrer und Nonnen nicht geliebt und keinen Sex in ihrem Leben gehabt haben.

      Roderic