Willem Adolf Visser 't Hooft. Jurjen Albert Zeilstra. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jurjen Albert Zeilstra
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783374063789
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Guillaume Groen van Prinsterer (1801–1876), dem Hofhistoriker und einflussreichen Führer der niederländischen Erweckungsbewegung Réveil, ein Verfechter der christlichen Erziehung und Gründer der antirevolutionären politischen Bewegung. Dieser Großvater, nach dem Wim Visser ’t Hooft benannt wurde, war das vierzehnte von fünfzehn Kindern und durfte als einziges weiter studieren. Sein Vater sah in ihm einen Prediger und ließ ihn deshalb Hebräisch lernen; er entschied sich jedoch, in Utrecht Rechtswissenschaft zu studieren. Dort hörte er auch Vorlesungen des empirischen Philosophen C.W. Opzoomer. Diese prägten ihn in einem liberalen Sinne und ’t Hooft begann sich von dem calvinischorthodoxen Umfeld zu distanzieren, in dem er in Dordrecht aufgewachsen war. 1858 ließ er sich in Den Haag als Anwalt nieder, wo er dank guter familiärer Beziehungen in hohen Kreisen schnell Karriere machte. 1862 wurde er Sekretär des Gerichts in ’s-Gravendeel. 1865 heiratete er Jacoba Visser (1840–1901), die aus einer reichen Familie in Dordrecht stammte und mit der er seine Liebe zur Musik teilte. Wahrscheinlich in den 1880er Jahren verließ ’t Hooft die Nederlandse Hervormde Kerk aus Ärger über einen Streit, der damals in dieser Kirche entbrannt war. Er war 15 Jahre lang Mitglied des Gemeinderats für die Liberale Partei in Haarlem; außerdem saß er auch im Provinzparlament von Nordholland. Er wurde als Ritter im Orden des Niederländischen Löwen ausgezeichnet. Sein Enkel Wim bewunderte ihn für seine Lebensweisheit und sein humorvolles Eingreifen in politische Debatten.

      Großvater ’t Hooft ließ 1880 in Haarlem, im Florapark 10, ein großes Haus bauen.6 Dieses Haus wurde zu einem wichtigen Treffpunkt für seine drei Kinder Hans, Sophie Cornelia und Henriëtte Petronella, für deren Partner und Kinder, Cousins, Nichten und Neffen. So gab es immer am 19. Dezember, dem Geburtstag von Großvater ’t Hooft, ein großes Fest mit einem Abendessen für ungefähr 30 Gäste. Sein fünfundsiebzigster Geburtstag wurde 1908 gefeiert. Sechs Enkel, darunter Wim, wurden als kleine Köche verkleidet, um den Glanz des Festes zu erhöhen. Der Großvater liebte Musik und besaß eine »Pianola« mit einem großen Repertoire an Klassikern. Neben dem Haus in Haarlem hatte ’t Hooft auch ein hoch gelegenes Holzhaus in den Dünen in der Nähe von Overveen, genannt Thalatta, mit einer wunderschönen Aussicht vom Dach. Wim Visser ’t Hooft sollte von diesem Ort immer wunderbare Erinnerungen behalten. Die Familie fuhr mit dem Wagen des Großvaters dorthin, gefahren von seinem Kutscher Christian. Am 25. September 1914 besuchte Königin Wilhelmina Thalatta, um die Mobilmachung der niederländischen Armee vom Dach aus zu beobachten. Wilhelmina fragte: »Dies ist der höchste Punkt in der Gegend, nicht wahr?« Der Großvater wollte nicht widersprechen und sagte: »Ja, Majestät, wenn wir diesen Dünengipfel nicht mit einbeziehen.« Mit seiner eigenen Kamera durfte Wim die Truppenbewegungen in den Dünen fotografieren.7 Die ganze Familie war stolz auf diesen königlichen Besuch.

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      Mutter Jacoba Clasina (Visser) ’t Hooft-Lieftinck, 1874–1928

      Wims Mutter, Jacoba Clasina Lieftinck, stammte ursprünglich aus Bergambacht. In dieser Gegend besaß ihre Familie verschiedene Ländereien. Sie erbte einen Hof mit dem entsprechenden Land. Die Brüder genossen die Besuche auf diesem Hof. Jedes Jahr brachte der Bauer einen großen runden Käse mit, um seine Pacht zu bezahlen. Wims Großvater mütterlicherseits war Franciscus Lieftinck (1835–1917). Er wurde in Odoorn in Drenthe geboren und studierte 1853 Theologie in Groningen. Dort beeinflusste ihn der Professor für praktische Theologie, W. Muurling, ein Vertreter der Groninger Richtung, die offen für neue Einsichten war und sich gegen den calvinistischen Konfessionalismus richtete. Mit seiner ersten Frau, Sijtske Zijlstra (1843–1866), war er nur ein Jahr verheiratet. Danach heiratete er 1869 Cornelia Nicolaine Joanna Smits van der Goes (1837–1883). Eine Weile war er Pastor in verschiedenen Dörfern im Norden der Niederlande. 1874, in dem Jahr, in dem seine Tochter Jacoba geboren wurde, wurde er Freimaurer. In dieser Zeit wandte er sich wie Großvater Hooft allmählich von der Nederlandse Hervormde Kerk ab. Schließlich legte er sein Predigeramt nieder. Das war 1879, als er als liberaler Abgeordneter für Leeuwarden in die Zweite Kammer gewählt wurde, in der er als Delegierter bis zu seinem Tod 1917, also 38 Jahre lang, saß. Ab 1905 vertrat er dort den Bezirk Zutphen. Als Freimaurer wurde Lieftinck bald der Große Sprecher des Ordens in der Großen Loge der Niederlande. Zum Beispiel traf er Prinz Friedrich, den Sohn von König Wilhelm I., und Prinz Alexander, den Sohn von König Wilhelm III., mit dem er persönlich gute Beziehungen pflegte. Als Prinz Alexander 1884 im Alter von 33 Jahren starb, hielt Lieftinck eine Trauerrede für die Freimaurer. Er selbst und seine Familie zogen 1883 nach Haarlem, wo seine Frau im selben Jahr starb. Dort wurde er »Kaiser« des Rederijkers Trou must Blijcken, damals eigentlich ein Männerclub. Als Abgeordneter des Parlaments war er für die Bereiche Fischerei und Bildung zuständig. Lieftinck war ein erklärter Gegner der christlichen Erziehung. 1917 war er der einzige Abgeordnete, der gegen das Sonderpädagogikgesetz stimmte, mit dem der Schulkampf beigelegt wurde. Er war ein Antimilitarist und hatte regelmäßig Probleme mit römisch-katholischen Delegierten. Lieftinck war altmodisch gekleidet. Zudem hatte er eine riesige Nase und einen gespaltenen Bart – ein dankbares Objekt für Satire. Zum Beispiel wurde er wegen seiner verbalen Fähigkeiten Bek op Pooten (Plappermaul) genannt. Wim Visser ’t Hooft und seine Brüder sahen sehr zu ihm auf, aber sie sahen ihren Großvater Lieftinck nicht oft. Er führte ein geschäftiges Leben. Es war eine besonders beeindruckende Erfahrung für die Jungen, als sie im Sommer das Konzert in der Buitensociëteit von Trou must Blijcken in Haarlemmerhout besuchen durften und dann im de Keizer am zentralen Tisch sitzen durften, während die Haarlemer Bürger aus einiger Entfernung zuhörten.

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      Haus in den Dünen Thalatta bei Overveen, Eigentum des Großvaters W. A. ’t Hooft

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      Geburtshaus von Visser ’t Hooft, genannt Zonnebloem, Koninginneweg 107, Haarlem

      Wims Vater, Hendrik Philip ’t Hooft (1866–1930), wurde in ’s-Gravendeel geboren und erhielt den Spitznamen Hans, der für diejenigen, die den Vornamen Hendrik hatten, zur Tradition in der Familie wurde. Er besuchte das Stedelijk Gymnasium in Haarlem und studierte Rechtswissenschaften in Leiden. 1890 ließ er sich als Anwalt und Rechtsanwalt in Haarlem nieder. Er war regelmäßig als Treuhänder in Insolvenz- und Scheidungsfällen tätig.8 Er wurde in Haarlem Korrespondent für den Bankenverband und Vorstandsmitglied der Nutsspaarbank und in Zusammenarbeit mit dem Bankenverband vermietete er Safes. Im Laufe der Zeit kamen weitere Funktionen hinzu, beispielsweise als Aufsichtsratsvorsitzender der N.V. Hollandsche Voorschotbank, als stellvertretender Richter am Amtsgericht Haarlem und als Mitglied des Aufsichtsrats der Anwaltskammer. 1892 unternahm er zu seinem Vergnügen eine große Seereise über Algier nach Athen, Istanbul und Smyrna.9

      1895 heiratete er Jacoba Lieftinck. Gemeinsam bezogen sie ein Haus mit dem Namen Zonnebloem (Sonnenblume), das im stattlichen Viertel Wilhelminapark in Haarlem lag, im Koninginneweg 107.10 Vater ’t Hooft war ein bekannter Haarlemer und war als fröhlich und lebenslustig bekannt.11 Durch seine Arbeit entstanden zahlreiche Kontakte, die ihm wiederum zahlreiche weitere Nebenämter einbrachten. So war er zum Beispiel fünfundzwanzig Jahre lang Schatzmeister der Haarlemer Bach-Gesellschaft und Mitbegründer des Vereins für den »Koninginnedag«. Zudem war er Mitglied im College van Regenten des St. Elisabeth Gasthuis, Vorstandsmitglied der Remonstrantengemeinde, Schatzmeister des Haarlemer Kunstvereins und des Haarlemer Fremdenverkehrsvereins sowie president-curator des Stedelijk Gymnasiums.

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      Die drei Brüder ’t Hooft (Frans, Hans, Wim) mit ihrem Vater, ca. 1912

      Genau wie sein eigener Vater war Vater ’t Hooft musikalisch, aber auch literarisch begabt. Er spielte Cello. Musik war im Haus wichtig. Wim erhielt als Kind Geigenunterricht und spielte wohl recht gut, verfolgte das aber nicht weiter. Sein Vater schrieb oft Gelegenheitsgedichte; zum Beispiel als Trost, als Wims Hund Freddie 1911 von einem Lastwagen überfahren wurde. Vater ’t Hooft wurde Factor derselben Haarlemer Rederijkerskamer Trou moet Blijcken,