Die bekanntesten Kinder- & Jugendbücher. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221226
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kam, Pommerle kauerte sich ganz zusammen. Es war doch schrecklich, daß der Direktor sah, daß es nachsitzen mußte. Das Kind hatte den größten Respekt vor dem Manne mit der goldenen Brille.

      Er begann zu reden, sprach von dem Unfug, von dem angerichteten Schaden, den die Kinder dem Fuhrmanne und jener alten Frau zugefügt hatten.

      »Der Fuhrmann verlangt, daß ihr ihm den Schaden ersetzt. Ihr werdet daheim den Eltern sagen, daß ihr Geld mitzubringen habt. Ich werde euch in den nächsten Tagen wissen lassen, was es kostet. Keiner von euch darf seinen Eltern verheimlichen, was er getan hat. Es bekommt jeder eine Notiz in sein Aufgabenheft. Eure armen Eltern müssen für eure Unarten nun noch Geld ausgeben.«

      Pommerle wagte nicht mehr zu atmen. In ganz Hirschberg würde man wissen, was es getan hatte. Das war ja noch viel schlimmer als das mit dem Herbert Affmann. Vielleicht kam ihre Unart nun auch in die Zeitung, und dann wußte man es in der ganzen Welt, daß Pommerle mit daran Schuld hatte, daß der Wagen kaputtgegangen war.

      Als die Stunde des Nachsitzens endlich vorüber war, verließen die Missetäter scheu das Schulhaus. Pommerle verbarg die Schulmappe, so gut es ging, weil es glaubte, daß ihm ein jeder ansehen mußte, daß es nachgesessen habe.

      »Meine Eltern haben kein Geld zum Bezahlen,« sagte eines der kleinen Mädchen.

      Und plötzlich, stand Jule mitten unter ihnen. Seit einer Stunde wartete er auf Pommerle.

      »War's schlimm?«

      »O ja,« sagte das Kind, »sehr schlimm! Sogar der Herr Direktor hat uns ausgescholten. Nun sollen wir Geld mitbringen, du mußt auch welches bringen – wir alle.«

      So ein Rad kostete gewiß furchtbar viel Geld. Die Tante hatte erst neulich gesagt, daß alles sehr teuer sei und das Geld knapp wäre. Wenn man nur wüßte, wie man den Wagen ganzmachen konnte.

      »Vielleicht der Rübezahl?« meinte Jule nachdenklich.

      Die gesenkten Kinderköpfe hoben sich.

      »Er könnte es schon, wenn er nur wollte. Er kann aus Steinen Gold machen, und Leuten, die ihn bitten, hilft er. Bald ist der Tag wieder da, an dem er kommt. Zu Bartholomäi macht er Hochzeit, dann ist er in besonders guter Laune. – Wenn er sich da rufen ließe?«

      »Vielleicht bringt er uns dann gleich Geld mit, damit der Onkel nichts zu geben braucht.«

      »Das macht er schon,« sagte Jule überzeugt, »man muß ihn aber rufen.«

      Pommerle wandte sich an die Mitschülerinnen. »Wollen wir ihn rufen? Er hat mir schon einmal geholfen, ich habe mich 'mal verirrt. Da ist er gekommen und war sehr gut zu mir. Dann hat er mich zu Leuten getragen.«

      Flüsternd berieten die Kinder. Jule erklärte aber, daß der mächtige Berggeist nur immer am Abend käme, und auch nur an einem Kreuzwege. Da müßte man des Abends hinausgehen, wenn der Mond voll am Himmel stände, dann dort drei Holzstäbe in die Erde stecken und dazu sagen: Rü–be–zahl!

      Während man noch zusammenstand, kam um die nächste Ecke ein Polizist. Jäher Schrecken bemächtigte sich der Kinder, dann rannten sie wie gehetzt nach allen Seiten auseinander; man fürchtete, er käme schon, um die Missetäter einzusperren.

      Atemlos kam Pommerle daheim an.

      »Nachgesessen?« fragte die Tante ernst.

      Pommerle nickte, die Tränen saßen ihm im Halse.

      »Hole dir das Essen, Kind.«

      Am heutigen Tage mußte Pommerle zum ersten Male allein sein Mittagessen verspeisen.

      Gerechte Vergeltung

       Inhaltsverzeichnis

      Allerlei kleine Vorkommnisse sorgten dafür, daß das übermütige Spiel der Kinder nicht so schnell vergessen wurde.

      Die alte Frau Schauder hatte sich tatsächlich durch die wilde Horde so erschrecken lassen, daß sie schon seit mehreren Tagen zu Bett lag. Jule, der gern etwas übertrieb, hatte erzählt, daß Frau Schauder vor Schreck die Sprache verloren habe, und der Doktor könne sie ihr nicht wiedergeben.

      Wenn man Pommerle davon erzählte, wurde das Kind sehr still. Auch die Bezahlung des zerbrochenen Wagenrades drückte die Kleine, und sehnsüchtig wartete Pommerle darauf, daß Jule mit den anderen Missetätern zum Rübezahl ginge, damit er helfen sollte. Jule wußte, daß im Gebirge auch eine Wurzel wuchs, die der alten Frau Schauder die Sprache wiedergeben konnte, sie brauche diese Wurzel nur in den Mund zu nehmen.

      »Dann will ich den Rübezahl auch noch bitten, daß er die Wurzel bringt,« sagte Pommerle ängstlich, denn es war doch schrecklich, wenn man nicht sprechen konnte.

      »Es ist noch kein Vollmond,« erwiderte Jule, »erst in der Vollmondnacht können wir zum Kreuzweg gehen und den Rübezahl rufen. Aber niemand darf davon etwas wissen.«

      Die anderen Kinder, die die Erneuerung des Rades mit bezahlen sollten, warteten auf den helfenden Berggeist. Man fügte sich den Anordnungen Jules, der alles vorbereiten sollte.

      Gemeinsam gingen die Kinder an einem Nachmittage zu dem bezeichneten Kreuzweg draußen vor der Stadt. Der Weg war nicht weit, die beiden Straßen kreuzten sich hier, die eine führte geradeswegs in den nahen Wald hinein, auf der anderen Straße standen vereinzelt hohe Pappeln.

      »Kommt der Rübezahl aus dem Walde?« fragte Pommerle.

      »Das ist schon möglich,« meinte Jule, »aber er kann auch hinter dem Wegweiser hervorkommen. Der Rübezahl kommt ganz plötzlich, mitunter sogar aus der Erde heraus.«

      »Da fürchte ich mich!«

      »Er tut uns nichts,« sagte Jule, »wir wollen ihn sehr artig bitten, uns zu helfen. Du weißt doch, Pommerle, der Rübezahl ist gut.«

      »Ja, das ist er,« bestätigte das Kind, »er hat mich damals auch aus den Bergen herausgetragen, sonst wäre ich verhungert.«

      Jule wollte davon nichts wissen, denn dieses Vorkommnis erinnerte ihn an seine Unzuverlässigkeit. Er hatte damals das ihm anvertraute Kind in dem ihm fremden Gebirge allein gelassen, und Pommerle hatte sich verlaufen.

      »Manchmal kommt er gleich aus der Erde, dann faßt er einen plötzlich an der Hand und führt einen zu einer Höhle, in der viel Gold und Silber liegt. Es darf dabei kein Wort gesprochen werden.«

      Die Kinder nickten dazu. Sie alle kannten das Märchen vom Rübezahl, der einen armen Wanderburschen in einen Berg geführt hatte, unter der Bedingung, daß er schweigen müsse. Aber beim Anblick der vielen Goldstücke hatte der junge Mann laut aufgejubelt. – Da war mit einem Schlage alles verschwunden.

      Eines Tages strich Jule wieder um das Haus Professor Benders herum.

      Herr Bender sah den Knaben.

      »Nun, Jule, du weißt es wohl schon?«

      »Ich weiß sehr vieles, aber das weiß ich vielleicht noch nicht.«

      »Meister Reichart will dich schon zum ersten September als Lehrling annehmen. Er ist heute zu deiner Mutter gegangen. Du kannst also schon in wenigen Tagen anfangen. Es ist gut so, denn bei dem ewigen Herumbummeln kommt nichts Rechtes heraus.«

      »Schon zum ersten September,« sagte Jule gedehnt, »ich wollte erst zum Oktober mit dem Schuften beginnen.«

      »Du machst mir zu viele dumme Streiche, das kommt immer vom Nichtstun. Es ist besser, man hat seine geregelte Beschäftigung.«

      Jule murmelte etwas Unverständliches, doch wagte er nicht, dem Professor eine ungezogene Antwort zu geben. Vielleicht gefiel es ihm in der Tischlerei recht gut. Er hatte dem Meister schon mehrfach zugesehen, und allmählich war der Wunsch in ihm erwacht, auch so schöne Dinge herstellen zu können, wie das Meister Reichart tat.

      »Willst du etwas, Jule?«

      »Wo