Was nun?. Osho. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Osho
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783947508792
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ganzen Geschichte ist, dass sie alle selbstsüchtig sind. Weshalb quält sich denn ein Jaina-Mönch so sehr? Er verfolgt eine Absicht: Er möchte die höchste Befreiung erlangen, mit all ihren Freuden. Es ist überhaupt kein Opfer, nur ein Kuhhandel. Er ist ein Geschäftsmann, denn seine Schriften verheißen ihm: „Du wirst es tausendfach zurückbekommen.“ Und dieses Leben ist im Grunde sehr kurz – nur siebzig, achtzig Jahre, das ist gar nicht so lang. Wenn man siebzig Jahre an Freuden opfert für eine ganze Ewigkeit an Freuden, ist es ein guter Tausch! – Ich halte das nicht für selbstlos. Und weshalb haben die Religionen euch gelehrt, der Menschheit zu dienen? Was ist das Motiv, was ist das Ziel? Was ist der Gewinn? Vielleicht hast du dich das noch nie gefragt. Es geht gar nicht ums Dienen.

      Es gibt eine alte Geschichte aus China, die ich sehr liebe:

      Ein Mann fiel in einen Brunnen. Es war ein großes Fest, eine riesige Menschenmenge hatte sich versammelt, und es gab einen ein Höllenlärm. Die Leute vergnügten sich und tanzten und sangen, und alles Mögliche passierte – darum hörte keiner den Mann hineinfallen. Damals waren die Brunnen in China nicht durch eine Mauer abgeschirmt; sie lagen ungeschützt und offen da. Im Dunkeln konnte man leicht einen falschen Schritt tun und unversehens in einen Brunnen fallen.

      Der Mann fing an zu schreien: „Hilfe!“ Da kam ein buddhistischer Mönch vorbei. Eigentlich ist ein buddhistischer Mönch an einem solchen Fest gar nicht interessiert – oder zumindest sollte er es nicht sein. Ich weiß nicht, was ihn dort hintrieb. Schon allein die Tatsache, dass er dort war, lässt auf eine unbewusste Sehnsucht schließen, etwas zu erleben und zu sehen, wie die Leute ihren Spaß hatten: „Alle diese Leute werden zur Hölle fahren, aber ich komme als Einziger in den Himmel!“

      Als der Mönch an dem Brunnen vorbei kam und den Mann schreien hörte, blickte er hinunter. Der Mann rief: „Gut, dass du mich gehört hast! Alle sind so beschäftigt und keiner hört mich bei diesem Lärm. Ich habe schon befürchtet, ich müsste sterben.“

      Der buddhistische Mönch sagte: „Du wirst immer noch sterben, denn dies ist geschehen, weil du in einem früheren Leben eine böse Tat vollbracht hast. Jetzt bekommst du die Strafe dafür. Akzeptiere sie und bereite dich auf dein Ende vor. Es ist gut – im nächsten Leben kannst du ganz rein anfangen. Dann wird es nicht mehr notwenig sein, noch einmal in einen Brunnen zu fallen.“

      Der Mann sagte: „Lass mich zufrieden mit deinen Weisheiten und philosophischen Sprüchen …“ Aber der Mönch war schon weitergegangen.

      Als nächstes kam ein alter Taoist vorbei. Er war durstig, und so schaute er in den Brunnen. Der Mann rief immer noch um Hilfe. Der Taoist sagte: „So benimmt sich kein Mann! Sei tapfer! Ein Mann sollte alles nehmen, wie es kommt – das hat der große Laotse gesagt. Akzeptiere es! Genieße es! Du heulst ja wie ein Weib. Sei ein Mann!“ Der Mann sagte: „Ich habe kein Problem damit, dass du mich ‚Weib‘ nennst, aber zuerst rette mich, bitte! Ich bin nicht tapfer, und nachher kannst du mir sagen, was du willst, aber zuerst zieh mich raus!“

      Doch der Taoist sagte: „Wir mischen uns nicht in fremde Angelegenheiten. Wir glauben an das Individuum und seine Freiheit. Du bist frei, in den Brunnen zu fallen, und du bist frei, im Brunnen zu sterben. Ich kann dir höchstens einen Vorschlag machen: Du kannst mit Weinen und Klagen sterben – was sehr töricht wäre! – oder du kannst wie ein Weiser sterben. Akzeptiere es, genieße es, sing ein Lied und geh! Wir müssen ohnehin alle sterben, warum sollte ich dich also retten? Auch ich werde sterben, alle werden wir sterben – vielleicht schon morgen, vielleicht übermorgen. Warum sollte ich mir die Mühe machen, dich zu retten?“ Und er ging weiter.

      Ein Anhänger des Konfuzius kam vorbei, und der Mann schöpfte wieder Hoffnung. Die Konfuzianer waren eher weltliche, praktische Leute. Er sagte: „Welch ein Glück, dass du vorbeigekommen bist, ein konfuzianischer Gelehrter! Ich kenne dich, ich habe deinen Namen schon gehört. Bitte tu jetzt etwas für mich, denn Konfuzius sagt doch: ‚Helft anderen.’“

      Nachdem er erlebt hatte, wie der Buddhist und der Taoist reagiert hatten, dachte er: „Wenn ich die Leute überzeugen will, mich zu retten, ist es besser, ein bisschen philosophisch zu reden.“ Darum sagte er: „Konfuzius sagt: ‚Helft anderen‘.“

      Der konfuzianisch Mönch sagte: „Richtig. Und ich werde helfen. Ich werde von Stadt zu Stadt ziehen und protestieren und die Regierung zwingen, eine Schutzmauer um jeden Brunnen im Lande zu errichten. Mach dir keine Sorgen.“

      Der Mann sagte: „Bis die Schutzmauern errichtet sind und deine Revolution Erfolg hat, bin ich längst gestorben.“

      Der Konfuzianer sagte: „Du bist nicht wichtig; ich bin nicht wichtig; der Einzelne ist nicht wichtig – es geht um die Gesellschaft! Durch deinen Sturz in den Brunnen hast du ein sehr wichtiges Thema angerührt. Dafür werden wir jetzt kämpfen. Sei einfach ruhig und reg dich nicht auf. Wir werden dafür sorgen, dass jeder Brunnen eine Schutzmauer bekommt, damit keiner mehr hineinfällt. Aber wenn wir nur dich retten, was wäre dadurch gewonnen? Es gibt Millionen von Brunnen im ganzen Land, und Millionen von Menschen könnten hineinfallen. Nimm dich nicht so wichtig. Du musst diese selbstsüchtige Haltung überwinden. Und ich will der Menschheit dienen. Du hast uns einen großen Dienst erwiesen, dass du in diesen Brunnen gefallen bist. Mein Dienst besteht darin, die Regierung zu zwingen, dass sie Schutzmauern errichtet.“

      Und der Konfuzianer ging weiter. Der Konfuzianer hatte aber einen wichtigen Punkt angeschnitten: „Du bist selbstsüchtig. Du willst einfach nur gerettet werden und raubst mir meine Zeit, die ich in den Dienst der ganzen Menschheit stellen könnte.“

      Wer weiß, ob „die Menschheit“ überhaupt existiert? Ob „die Gesellschaft“ irgendwo existiert? Das sind lediglich Worte. Nur einzelne Menschen existieren.

      Der vierte Mann war ein christlicher Missionar, und er trug einen Sack bei sich. Er öffnete sofort den Sack, holte ein Seil heraus und warf das Seil hinunter. Bevor der andere irgendetwas sagen konnte, hatte er schon das Seil hinuntergeworfen. Der Mann im Brunnen war überrascht. Er sagte: „Deine Religion scheint mir die aufrichtigste zu sein.“

      Der Missionar sagte: „Selbstverständlich. Wir sind für alle Notfälle gerüstet. Da ich nun mal weiß, dass Leute in Brunnen fallen, trage ich immer dieses Seil bei mir, um sie zu retten. Denn nur, wenn ich andere rette, kann ich mich selbst retten. Aber ich mache mir Gedanken über das, was ich den Konfuzianer habe sagen hören. Man sollte keine Schutzmauern um die Brunnen bauen, denn wie können wir sonst der Menschheit dienen? Wie können wir Menschen retten, die hineingefallen sind? Zuerst müssen sie hineinfallen, damit wir sie retten können. Wir sind da, um zu dienen, aber dazu brauchen wir die Gelegenheit. Wie können wir dienen, wenn wir nicht die Gelegenheit dazu haben?“

      Alle diese Religionen, die vom „Dienst“ am Nächsten reden, haben zweifellos ein Interesse, dass die Menschheit arm bleibt, dass die Menschen ihren Dienst nötig haben, dass es Waisenkinder und Witwen und alte Leute gibt, um die sich niemand kümmert, und Bettler. Diese Leute werden gebraucht, absolut gebraucht. Was würde sonst mit all diesen großartigen Dienern der Menschheit passieren? Was würde mit all den Religionen und ihren Lehren passieren? Und wie könnte man sich die Berechtigung verdienen, ins Königreich Gottes zu kommen? Die Armen und Notleidenden werden dafür als Trittleiter benutzt.

      Nennst du das Selbstlosigkeit? Ist dieser Missionar selbstlos? Er rettet den Mann, aber nicht um des Mannes willen. Er rettet ihn nur um seiner selbst willen. Im Grunde ist es die gleiche Selbstsucht, nur mit schönen Worten wie „Selbstlosigkeit“ und „Dienen“ verbrämt.

      Warum besteht denn überhaupt eine Notwendigkeit zu dienen? Warum sollte es überhaupt eine solche Notwendigkeit geben? Können wir diese „Gelegenheiten zum Dienen“ nicht einfach aus der Welt schaffen? Wir könnten es, aber dann wären uns die Religionen sehr böse. Sie würden völlig an Boden verlieren, wenn es keine Armen, keine Hungernden, keine Notleidenden und keine Kranken mehr gäbe. Damit machen sie ja ihr ganzes Geschäft.

      Die Wissenschaft kann es möglich machen. Heute haben wir es absolut in der Hand. Es hätte schon vor langer Zeit passieren können, wenn die Religionen nicht alles unternommen hätten, um jeden daran zu hindern, der zu dem Wissen beitragen könnte, durch das alle diese