Da wir uns lieben. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711718445
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wann soll die Hochzeit stattfinden?«

      »Ich werde Sie’s bestimmt wissen lassen, sobald der Termin feststeht!« Sabine ging auf das Haus zu und dachte, daß Ilonas Verlobung wenigstens das Gute gehabt hatte, daß sie der Zibalsky eins hatte auswischen können. Sie lächelte in sich hinein wie nach einem gelungenen Streich. Und Arnold würde beruhigt sein. Sie wußte, wie sehr er unter der Angst gelitten hatte, seine Tochter könne durch ihre Beziehungen zu Oswald Zinner unter die Räder kommen. Nun, da sie verlobt waren, schien diese Gefahr ja gebannt. Wieso eigentlich? Machte eine Verlobung wirklich solchen Unterschied? Sabine schob diese Überlegung von sich. Es war nicht ihre Aufgabe, Fragen allgemeiner Moral zu lösen. Sie mußte zufrieden sein, wenn es ihr und den Ihren gelang, die Strudel und Klippen des Lebens erfolgreich zu umschiffen.

      Arnold Miller brauste am Steuer seines Opel Kadett mit hundertvierzig Sachen den Irschenberg hinunter. Der Fahrtwind riß die Klänge der Unterhaltungsmusik von »Bayern 3« fort, noch ehe sie sein Ohr erreichten. Er hätte laut hinausschreien mögen vor Glück. Sein Herz war erfüllt von einem jugendlichen Überschwang, wie er ihn seit vielen Jahren nicht mehr gekannt hatte und der jetzt fast drohte, ihm die Brust zu sprengen.

      »Ich hab’s, ich hab’s, ich hab’s«, sang es in ihm, »ich bin’s, ich bin’s, ich bin’s … ich bin der Sieger.«

      Die ganze Strecke von München her war er auf der linken Seite gerast, hatte schwere und stärkere Wagen spielend überholt und sich mit Blinken und Hupen freie Bahn geschaffen. Jetzt, da die Autobahn sich in drei Fahrspuren geteilt hatte, steigerte sich seine Siegeslaune noch. Ein roter Mercedes wich vor ihm auf die mittlere Fahrbahn aus. Mit Schwung brauste Arnold Miller um die Kurve und – sah alle drei Fahrbahnen vor sich blockiert. Eine Limousine überholte langsam ein fast gleichstarkes Coupé, während die Bahn rechts außen von einem Möbelwagen benutzt wurde. In der Schrecksekunde nahm Arnold Miller das Bild in sich auf. Dann trat er auf die Bremse, so heftig, daß der Opel ins Schleudern geriet und sich um die eigene Achse drehte. Der Mercedes, jetzt hinter ihm, wich nach rechts aus und kam haarscharf an ihm vorbei.

      Knapp vor dem Aufprall brachte Arnold Miller seinen Wagen wieder in die Gewalt. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Seine Brillengläser hatten sich beschlagen. Die Arme zitterten. Er schlug das Steuer nach rechts ein, setzte sich hinter den Mercedes, verlangsamte das Tempo noch mehr und schlich auf der rechten Fahrspur hinter dem Möbelwagen her. Verdammt, das war gerade noch mal gutgegangen. Hundertmal war er diese Strecke schon gefahren, und gerade heute mußte ihm so etwas passieren.

      Seine Siegesstimmung war wie weggeblasen und machte einer schmerzhaften Ernüchterung Platz. Was war schon passiert? Er hatte im Lotto gewonnen. Das würde auch nichts an seinem Leben ändern. Kein Grund, sich etwas darauf einzubilden. Seinem Chef konnte er damit bestimmt nicht imponieren. Für den waren fünfzigtausend ein Pappenstiel. Ganz davon abgesehen, daß ihm nur die Hälfte davon gehörte, die andere stand seinem alten Freund und Mitspieler Rudolf Kienzel zu. Er hatte das Geld natürlich nicht in der Brieftasche, sondern die gesamten fünfzigtausend Mark erst mal auf sein eigenes Gehaltskonto überweisen lassen, davon würde ihm die Hälfte bleiben – fünfundzwanzig Mille steuerfrei, das war immer noch ganz schön, aber doch kein Anlaß, verrückt zu spielen. Was war bloß in ihn gefahren? Der Schnaps, den er bei der Lottoannahmestelle spendiert hatte? Ausgeschlossen, er konnte doch Alkohol vertragen, und er hatte ja nur ein Glas getrunken. Es konnte nur der Erfolg gewesen sein, der ihn umgeworfen hatte. Aber war ein Lottogewinn überhaupt ein wirklicher Erfolg?

      Arnold Millers Handflächen waren feucht. Er wischte sie, eine nach der anderen, an der Hose ab. Verdammte Hitze. Zu allem Überfluß war die mittlere Fahrbahn jetzt auch noch laufend besetzt, und er hing hoffnungslos hinter dem Riesenkübel von Möbelwagen. Na wenn schon, er hatte ja Zeit. Niemand erwartete ihn. Sabine wußte, daß er heute später kommen würde. Die würde Augen machen, wenn er ihr die fünfundzwanzig Mille auf den Tisch des Hauses blättern würde! Komisch eigentlich, daß er ihr noch nichts davon erzählt hatte. Früher, ja, da hatte es Zeiten gegeben, wo er nicht die geringste Kleinigkeit auch nur fünf Minuten vor ihr hätte zurückhalten können. Inzwischen war so etwas wie das große Schweigen zwischen ihnen ausgebrochen. Wieso eigentlich? Jedenfalls kein Grund zur Beunruhigung, wenn man mehr als. zwanzig Jahre miteinander verheiratet ist.

      Außerdem hatte er es ihr ja gesagt. Als am Samstag abend die Zahlen gezogen wurden, hätte er es gar nicht für sich behalten können. Er war ins Schlafzimmer gestürzt und hatte gerufen: »Du, Biene, stell dir vor, wir haben gewonnen!« Sie hatte in ihrem hellblauen Nachthemd auf der Bettkante gesessen und sich die Füße massiert. »Na, wunderbar«, hatte sie gesagt, freundlich, aber ganz und gar nicht beeindruckt, einfach so obenhin, ohne jedes Interesse. Plötzlich hatte er keine Lust gehabt, ihr mehr zu erzählen. Sie schien gemerkt zu haben, daß sie ihn verletzt hatte. »Gratuliere«, hatte sie mit gewollter Heiterkeit hinzugefügt. Aber der große Moment war schon verpatzt. »Mal sehen, was dabei herausspringt«, hatte er gemurmelt und war ins Wohnzimmer zurückgekehrt, um sich den Samstagabendkrimi anzusehen.

      Natürlich konnte man es Sabine nicht übelnehmen. In all den vergangenen Jahren hatten Rudolf und er immer nur Minimalgewinne erzielt; der höchste hatte hundertfünfundsiebzig Mark betragen. Also nahm sie an, daß diesmal auch nicht mehr dabei herauskommen würde. Als er ihre Skepsis spürte, waren ihm selbst Bedenken gekommen. Fünf von sechs richtig – was war das schon? Womöglich mußte er den zweiten Platz mit Tausenden teilen.

      Am Montag hatte er dann in der Mittagspause von der Telefonzelle aus seine Lottoannahmestelle angerufen – Rudolf und er spielten prinzipiell nicht in Riesberg, denn wenn sie einen Gewinn machten, wollten sie sich darüber freuen, ohne von der halben Stadt angepumpt zu werden. Am Montag also hatte er es erfahren – wäre es nicht natürlich gewesen, es jetzt Sabine mitzuteilen? Warum hatte er es nicht getan? Er wußte es selbst nicht. Vielleicht hatte er immer noch gefürchtet, daß eine Verwechslung vorläge, hatte Angst gehabt, sich vor seiner Familie zu blamieren. Vielleicht hatte er auch geglaubt, mit den blauen Scheinchen einen größeren Eindruck machen zu können, als wenn er nur davon erzählte. Vielleicht auch war er sich selbst nicht ganz sicher gewesen, ob er es seiner Familie überhaupt mitteilen sollte. Diese Erkenntnis kam ihm erst jetzt und war für ihn eine echte Überraschung.

      Wollte er den Gewinn etwa für sich behalten? Natürlich nicht. Was für eine Idee! Dennoch tat die Vorstellung weh, wie alle ihm das Geld aus den Händen reißen würden: Sabine für Torsten – sie ahnte wahrscheinlich nicht, daß er von ihren heimlichen Überweisungen wußte, Knut für ein eigenes Auto, Ilona, um ihrem Playboy imponieren zu können, und Sven – kein Zweifel, auch Sven würde schon eine Verwendungsmöglichkeit für ein paar Tausender einfallen.

      Eines stand fest: wenn er das Geld hergab, würde es in kürzester Zeit verbraten sein. Keiner von ihnen konnte ja mit Geld umgehen, mit dieser Tatsache hatte er sich längst abfinden müssen. Kam es daher, daß die Kaspareks, die Familie seiner Frau, immer schon einen etwas leichtfertigen Zug gehabt hatten, den seine Kinder geerbt haben mochten? Oder lag es einfach an dieser Zeit, in der sich jeder einbildete, alles haben zu müssen, und keiner mehr bereit war, zu sparen und sich einzuschränken?

      Egal, woher es kam, das Geld zerrann ihnen unter den Fingern. Schließlich verdiente er gut, mehr als zweitausend Mark im Monat und ein dreizehntes Gehalt – über doppelt so viel wie sein Vater in seinem Alter und trotzdem kam Sabine nie aus. Immer jammerte sie ihm etwas von steigenden Preisen vor. Das stimmte zwar in gewisser Weise, aber doch nicht in dem Maße, wie sie behauptete. Wenn die Dinge zu teuer wurden, mußte man eben auf billigere Angebote zurückgreifen. Aber das eben verstand Sabine nicht, und die anderen genausowenig.

      Er hatte schon daran gedacht, seinen Anteil am Lottogewinn gerecht zu verteilen: sich fünftausend Mark zu nehmen, die übrigen zwanzigtausend unter fünf geteilt – das ergab auch noch viertausend für jeden. Sie würden jubeln, so viel war sicher. Aber letzten Endes würde es doch hinausgesehmissenes Geld sein, so schnell würden sie damit fertigwerden. Er täte ihnen nichts Gutes damit. Nein, auch wenn dieser Gewinn sozusagen ein Geschenk des Himmels war; er war dafür verantwortlich, daß er richtig und nutzbringend angewendet wurde. Zum Beispiel, um die Bankhypothek, die auf dem Haus lastete, abzutragen; die Bausparkassenhypothek mit dem niedrigen Zinssatz war nur halb so belastend.

      Andererseits: