Im Königreich Mjelvik. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518397
Скачать книгу
Er ruft; „Ich werde Sie stützen! Kommen Sie nur ... Sie sollen schon sehen, wie ich Sie stützen werde!“

      Damit verschwinden die beiden im Tannenwalde.

      Und die Bäche rauschen. Und die Vögel in den Bäumen sind völlig verrückt vor Freude und Verlangen.

      Nicht vergeblich streicht der schlimme Südwind durch die Berge von Mjelvik. Er bringt alles außer Rand und Band.

      Ein ernster Mann

      Wenige Minuten nachdem der gütige und verschwiegene Wald den König und seine Dame aufgenommen, schreitet ein Mann das Sträßlein am Strande entlang. Das ist ein Mann mit schwerem Unterkiefer und schwarzen Stoppeln daran. Im übrigen ein Mann von düsterem Ernst und feierlichen Bewegungen. Es ist der Emissär Ole Mathiessen.

      Der hat irgendwo dort unten in der großen Welt einen inneren Ruf vernommen. Den Hilferuf, daß zwischen den hohen Felsenwänden von Mjelvik mehrere Dutzend Seelen in Finsternis und Sünde wandeln und eine Beute des Bösen werden müssen. Nun denn — der Emissär bürstet seinen schwarzen Rock, wichst seine Stiefel und macht sich eiligst auf den Weg, die Seelen zu erretten.

      Überstrahlt und im Schatten von Oline Jensens herrlicher Weltlichkeit konnte dieser fromme Mann unbemerkt das Land betreten. Nun macht er sich daran, die Gegend zu besichtigen, in der er seine Schlachten schlagen will.

      Die Landungsbrücke, die paar Wege, die fünfzig oder sechzig Häuser und dahinter der Ring von Natur mit finsteren Bergen — das alles imponiert dem Emissär nicht weiter. Er hat auf seinen Feldzügen schon mächtigere Gegenden gesehen.

      Höchstens wäre da die Königsburg von Trollhaugen, von der er sich einigen Nutzen oder Widerstand versprechen dürfte. Nun umschreitet er sie dreimal von Sonnenaufgang her und strengt alle seine inneren Kräfte an und fleht um Erleuchtung.

      Sein Flehen wird alsbald erhört. Es wird ihm der alte Müller Indrevik auf dem Weg entgegengeführt. Und das ist just der rechte Mann. Einen besseren hätte der Emissär in ganz Mjelvik nicht finden können. Der Müller nicht schon von weitem und ruft laut: „Guten Tag! Sind wohl fremde Leute draußen auf der Wanderschaft?“

      O Gott, er ist ja so neugierig wie ein Kalb auf der Frühlingswiese und tut, als freue er sich in seinem innersten Herzen, den feierlichen Laienprediger Ole Mathiessen hier zu treffen.

      „Ja“, sagt der Emissär, „das verhält sich ungefähr so.“

      Hierauf erkundigt er sich, wer im weißen Haus dort oben wohne. Gern macht ihm der Müller die nötige Mitteilung, und er läßt dabei den König keineswegs kleiner erscheinen, als er ist. Das verdrießt aber den Emissär, und er zieht strenge Falten in seine Stirn. Man dürfe sein Streben nicht auf irdische Güter richten, sagt er.

      „Denn die Seele“, sagt der Emissär, „das bleibt die Hauptsache! Aber wie steht es denn, lieber Freund, andiesem Strande mit dem Glauben?“

      Der Müller Indrevik schiebt den Südwester zur Seite und kratzt sich darunter, spuckt zweimal wichtig und mit großem Geräusch auf die Straße und bekennt: „Tvii! — Glauben? Hol mich der Teufel — damit ist es nicht weit her ...“

      Es wird dem Emissär immer klarer, daß er den Hilferuf nicht umsonst vernommen und daß diese Seelen in unglaublichem Dunkel wandeln und eines hellen Lichtes und einer kräftigen Hand dringend bedürfen. Er zögert keinen Augenblick und beginnt den Kampf.

      „Lieber Freund“, sagt er düster, „danke Gott, daß er nicht deine lose Zunge verdorren läßt! Du stehst am Rande des Grabes und fluchst wie ein brandschwarzer Türke. Wahrlich, für dich ist es höchste Zeit!“

      Der Emissär hält seinen ersten Zorn zurück und bemüht sich vorerst noch großer Milde. Der Müller will aber gar nichts vom Grabesrand wissen. Keine Spur von Grabesrand. Seine Sinne sind der Entsagung ganz und gar abgewendet und mehr auf sein junges Weib und das Leibliche gerichtet. Sogleich beginnt er sich vor dem fremden schwarzen und ernsten Manne mächtig zu fürchten. Er drückt den Südwester aufs Haupt und rennt ohne Gruß davon.

      Der Emissär läßt dieses Schaf vorläufig entweichen und beginnt den Angriff auf die Königsburg. Er gelangt aufs Kontor, und der Schreiber Mikkelsen bietet ihm mit fragendem Blick einen Stuhl an. Borsa sei noch nicht zurückgekommen von der Landungsbrücke. Aber jeden Augenblick müsse er hier sein.

      Danke! Nein, der Emissär setzt sich nicht. Er wittert schon wieder Sünde und erklärt streng: „Sigmund Borsa ging den Weg hinauf — mit einem Frauenzimmer ... Und jetzt sind sie im Walde verschwunden.“

      Dieses hält der Kontorist nicht für unwahrscheinlich. „Mit einem Frauenzimmer?“ fragt er und seufzt.

      Ja. Kein Zweifel, mit einem Frauenzimmer!

      „Hatte sie vielleicht rotes Haar — und volle Formen da herum?“

      In kaltem Entsetzen starrt der Emissär den Schreiber an und setzt sich doch. Formen? Rotes Haar? „Nein, davon habe ich nichts bemerkt.“

      „Dann war es nicht Petrine“, sagt der Kontorist erleichtert und fragt weiter: „Vielleicht war sie aber dunkel und hoch von Wuchs, rasch in ihren Bewegungen. Und sie krümmte sich zur Seite, wenn sie lachte?“

      Der Emissär meint, dieses Mjelvik sei doch eine greulich sorgenvolle Gegend. Er schüttelt darüber sein Haupt. Nein, nein, auch davon hat er nichts bemerkt. Nein, sie war auch nicht so übermäßig hoch von Wuchs.

      „Dann war es auch nicht Oleana“, sagt Mikkelsen. „Wie sah sie denn aus?“

      „Sie kam mit dem Schiff. Sie kam mit einem grün und roten Sonnenschirm. Wahrlich, sie kam daher wie die leibhaftige Verführung und Fleischeslust. Aber in welcher Beziehung steht sie zu diesem Hause?“

      „Ich weiß nicht das mindeste von Beziehung“, sagt Mikkelsen, „nein, Gott bewahre mich! Aber Sigmund Borsa muß ja wohl bald zurück sein.“

      Es kann aber nicht erwartet werden, daß der Emissär seine Zeit mit unnützem Stillsitzen erfüllt. Er erhebt sich finsteren Sinnes und dringt bis ans Bett der kranken Kristin vor. Schon hebt er segnend seine Hand über ihr Haupt und läßt sich an ihrer Seite nieder.

      Kristin ist stetsfort freundlich gesinnt gegen alle Welt. Natürlich lächelt sie auch dem schwarzen Ole Mathiessen entgegen und erwidert, so gut sie es vermag, seinen gesalbten Gruß. Aber ein Frauenzimmer mit grün und rotem Sonnenschirm kennt auch sie nicht. Es müsse wohl eine Fremde sein.

      Nun ja.

      Aber guter Himmel! Der Emissär muß seine beiden gewaltigen Hände über dem Kopf zusammenschlagen. „Welche Verderbnis!“ muß er rufen.

      Kristin kann diese Empörung in ihres Herzens Unschuld nicht erfassen. Sie schließt schuldbewußt beide Augen und schweigt.

      „Sie schweigen?“ fragt der Emissär noch mehr empört.

      „Werde ich denn für meine Sünden nicht schon genug gezüchtigt?“ fragt Kristin weinerlich.

      Oh, diese armen kleinen Kindersünden!

      „Hier geht es aber um den lasterhaften Lebenswandel Ihres Mannes. Es geht um sein Seelenheil!“ ruft der Emissär ganz dunkel und mit geheimnisvollem Schwingen in der Stimme.

      Diese Kristin ist aber nun so beschaffen, daß sie ihren Sigmund liebt; wohl nicht mit ihren Sinnen, aber mit ihrem unberührten Kinderherzen. Sie liebt ihn in ähnlicher Weise, wie sie die Blumen liebt, nur etwas mehr. Und es gefällt ihr nicht, daß ein fremder Mann da an ihrem Lager sitzt und in übler Weise von Sigmund spricht.

      „Er war allezeit freundlich gegen mich“, sagt sie mit eigentümlicher Würde und Entschiedenheit. „Ich habe noch kein hartes Wort von ihm gehört. Er sorgt dafür, daß es mir an nichts fehlt.“

      Nun kehrt sie sich der Wand zu und deutet an, daß diese Unterhaltung ihrerseits zu Ende sei.

      Und Ole Mathiessen? Wie sollte er sich vielleicht dieses auslegen können? Ja, hier liegt nun wiederum