Im Königreich Mjelvik. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518397
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des Emissärs kennt die Schliche des Teufels.

      „Der Herr ist barmherzig“, erklärt er. „Darum bin ich hierhergesandt worden. Bald wird es in Mjelvik besser werden. Euch aber ist die Gnade beschieden, mich unter eurem Dache zu beherbergen.“

      Auch das geht schon wieder nicht so, wie es gehen sollte. Kristin dreht noch einmal den Kopf herum. „Darüber müssen Sie mit Sigmund reden.“

      Nun möchte sie nichts mehr hören. Gesegnete Kristin! Vorher litt sie in Ergebung und Zufriedenheit. Jetzt weint sie. Sie ist erschreckt und aufgerüttelt.

      Ole Mathiessen geht vor dem Hause hin und her, sammelt sich abermals inwendig und ordnet seine Kräfte zu neuem Kampfe. Dazu bleibt ihm viel Zeit. Entweder wurde dem König und seiner schönen Dame der Bergpfad doch beschwerlicher und länger als gut war, oder sie hatten sich auf der Steinbank vor der alten Scheune ungeheuer viel zu sagen, und die Zeit lief von ihnen weg.

      Jedoch Pfad und Steinbank haben ein Ende, und selbst der dunkelste Tannenwald bekommt einmal genug von Geheimnissen. Des Emissärs Eifer jedoch hat kein Ende. Und seht, da schreitet der König aus dem Dickicht hervor. Und er trägt wahrhaftig einen grün und roten Sonnenschirm unter dem Arm. Und seine Augen funkeln, und sein Schritt ist federleicht. Weder Kalk in den Adern noch Zucker in der Blase. Hurra!

      Nichts als Saftigkeit und Lebenslust und Tatendrang. Ein stürmischer Jüngling mit grauen Brauen und blankem Schädel. Aber dennoch ein Jüngling.

      „O Gott!“ seufzt die Dame Oline. „Wie ist das nur alles so schnell gekommen! Vor zwei Stunden kannten wir uns noch gar nicht. Und jetzt sind wir schon so intim.“

      Der Weg wurde in diesen zwei Stunden natürlich nicht besser. Und Oline kann nichts dafür, wenn sie ein wenig aus dem Kurs kommt und ihre Hüfte den König streift. Sie ist und bleibt unschuldig. Sie bittet jetzt auch nicht länger um Verzeihung. Denn das hat sie nicht mehr nötig. Sie schnurrt nur noch behaglich, obschon die Lackschuhe nicht wenig drücken.

      Der König wurde in dieser kurzen Zeit wieder überwältigend selbstbewußt. „Zwei Stunden“, wiederholt er. „So etwas kommt doch auf den ersten Schlag!“

      „Das stimmt“, erklärt Oline. „Und jetzt wird es mir auch leichter, auf Trollhaugen zu wohnen.“

      Der König sagt dann noch, das sei ein seltener und glücklicher Tag.

      Und dann tritt ihnen überraschenderweise der Emissär Ole Mathiessen mit finsteren Entschlüssen entgegen. Beide Hände hebt er auf einmal und verkündet: „Der Herr segne deinen Einzug, Sigmund!“

      Da fällt der König aus großer Höhe auf die Erde nieder und erstaunt über den Anblick des ernsten Mannes.

      „Was für etwas?“ Hei, das war eine scharfe Stimme.

      Nein, der König ist zur Zeit nicht in der Lage, sich von Ole Mathiessen bezaubern zu lassen. Aber was sein muß, das muß sein.

      „Ich bitte um Unterkunft in deinem Hause, Sigmund, in des Herrn Namen.“

      Diese Sprache versteht der König nicht. Er schnellt heftig mit den Augen und betrachtet den Emissär und Oline zu gleicher Zeit. „Redet norwegisch, Mann! Was wollt Ihr?“

      „Wie ich dir schon zu wissen tat, Sigmund, ein Obdach.“

      „Nein“, sagt der König.

      „Du willst mir dein Haus verschließen?“

      „Ja“, sagt der König.

      Nun hebt aber Ole Mathiessen seine Hand zum Fluch. „Ich sage dir, o Sigmund, du wirst deine gerechte Strafe empfangen! Und dort an deiner Seite steht das leibhaftige Laster. Wappne dich gegen die Versuchung ...“

      Und damit wäre der Emissär nun so prächtig im Zuge. Aber der König schneidet den Faden kurzerhand ab. „Fort!“ sagt er. „Zur Hölle mit dir!“

      Und er weist dem Sendling des Himmels mit seiner großen Nase die Richtung. Und er hebt außerdem seinen gewaltigen Fuß. Und das sind deutliche Zeichen.

      Dem erzürnten König wäre es zuzutrauen, daß er einem ernsten Manne einen Fußtritt versetzen könnte. Ole Mathiessen legt sich das alles richtig aus und zieht sich in Eile zurück. Sowie er aber aus dem Bereich der Füße Borsas und einigermaßen in Sicherheit ist, dreht er sich noch einmal zurück und hebt in Empörung die geballten Fäuste.

      Vor der Königsburg steht ein sündhaftes Paar und lacht laut und roh hinter dem Laienprediger her, ohne die geringste Scham und ohne Taktgefühl.

      Dieserart wurde der erste Angriff abgewiesen. Ole Mathiessen rüstet sich nun zur Belagerung.

      Eine Begegnung

      Von den beiden Brücken in Mjelvik ist die hölzerne die wichtigste. Sie verbindet den Hauptteil des Ortes mit dem Landungssteg. Sie hat ein breites Geländer.

      An diesem Tage, zu der Zeit, da der Wald mit seinem guten Schweigen den König und die fremde Dame aufgenommen und der Sendling des Himmels die Königsburg von Sonnenaufgang her dreimal umschreitet, findet auf der hölzernen Brücke eine seltsame Begegnung statt.

      Der Krämer-Benjamin sitzt auf dem breiten Geländer, schaut über den Fjord hinweg und hört dem Knattern und Fauchen der Dampfwinde zu. Zuweilen spuckt er in den Bach. Und da er dem Tabaklaster nicht verfallen und überhaupt frei von schlechten Angewohnheiten ist, spuckt er blank und nicht braun.

      Der Krämer-Benjamin ist mit den Jahren nicht nur weiß auf dem Kopfe, sondern auch rund und schwer um den Leib geworden. Seinen Kramladen hat er schon längst bis auf den letzten Ör ausbezahlt.

      Er steht heute im Ansehen höher als der Lehrer und fast ebenso hoch wie der Distriktsarzt Kringlen und folgt in der Macht nicht weit hinter dem König. Seine irdischen Besitztümer haben sich wohl nicht übermäßig angehäuft, da auch ihm der größere Teil bei der allgemeinen Unordnung, die der Friedensengel mit seinem Palmenzweige hervorgerufen, wieder glatt verlorenging. Aber es blieb ihm doch noch genug, um in Mjelvik eine gewichtige Persönlichkeit darzustellen. Der Krämer-Benjamin hat unter dem Verlust des Geldes viel gelitten. Und man kann sich mit Recht darüber aufhalten und fragen, warum gerade diesem strebsamen, stillen und außerordentlich demütigen Manne so böse Züchtigung auferlegt wurde.

      Hat er denn nicht damals durch sein Erscheinen in einer schlimmen Zeit ganz Mjelvik vor dem Hunger gerettet? Und den Ort vor schändlichem Untergang bewahrt? Und noch mehr! Er nahm sich der Witwe des Post-Nikolaj in Liebe an und heiratete sie sogleich, als das Trauerjahr ausgelaufen war.

      Man könnte vielleicht dagegen einwenden, daß zwischen Benjamin Sagensen und Magnhild auch schon vorher etliches gewesen, ehe er diesen Strand verlassen und nach Amerika hinüberfuhr. Man könnte sogar behaupten, der Post-Nikolaj habe Magnhild nur deshalb erringen können, weil er ein währschafter Bauernsohn war und nicht ein elendes Häuslerkind wie dieser Benjamin, und weil er außerdem die Tasche mit Horn und Löwe durchs Tal hinauf und hinunter trug und schon in jungen Jahren königlicher Beamter wurde. Man könnte wohl noch manches andere erwähnen. Aber Klatsch findet sich überall. Jeder blanke Schild läßt sich bekleckern.

      Wenn die Weiber das Wasser am Bache holen und noch ein wenig beieinander stehenbleiben, behaupten sie: „Nicht vergeblich spazierte Magnhild zu jener Zeit mit ihrer Jugendblüte herum! Hihi! Und sie hat mehr als einen Burschen von Mjelvik geküßt und mehr als eine Sommernacht auf der Landstraße durchtanzt!“

      Und wenn man es so betrachten wollte, war der Benjamin nur einer unter mehreren. Und daß der Krämer dennoch die Postwitwe heiratete, das war und blieb in jedem Falle eine schöne Tat. Die Weiber sagten insgesamt, dieses sei wohlgetan.

      Magnhild hatte es beim Krämer-Benjamin um nichts schlechter, als sie es beim Post-Nikolaj gehabt hatte. Tagtäglich bekam sie ihren Zucker zum Kaffee, und ihre Grütze kochte sie vom weißesten amerikanischen Weizenmehl. Und wenn sie einmal vergaß, den Sirup dazu auf den Tisch zu stellen, konnte der Benjamin ausrufen: „Ja, ja, Magnhild! Spare du nur! Oder fürchtest du dich vielleicht vor dem Armenhaus? — Als ob wir den Sirup