Black Heart - Die gesamte erste Staffel. Kim Leopold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kim Leopold
Издательство: Bookwire
Серия: Black Heart - Die gesamte Staffel
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783958344129
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Verrückter! Scheint, als hätte wenigstens einer in dieser Nacht Spaß gehabt.

      »Morgen«, grummle ich und schaue mich unsicher um. Soll ich einfach gehen? Ich kenne ihn überhaupt nicht.

      »Hast du gut geschlafen, Azalea?«

      Er mich offensichtlich schon.

      »Bestens«, zwitschere ich und überlege, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme, ohne dass er merkt, dass ich mich nicht an ihn erinnern kann. Wenigstens sieht er wirklich freundlich aus. Auch wenn das nicht erklärt, wieso er ausgerechnet mich mit nach Hause genommen hat.

      »Kaffee?«, fragt er und wirft mir aus meerblauen Augen einen neugierigen Blick zu. »Nach der Nacht kannst du bestimmt Koffein gebrauchen.«

      »Ich … ehrlich gesagt, muss ich …« Ich wedle mit der Hand in Richtung Tür. »Mein Vater macht sich sicher schon Sorgen.«

      »Überhaupt kein Problem.« Mr Medizin-Student-mit-Honigkuchenpferd-Grinsen schüttet den Kaffee in zwei Thermobecher, bevor er nach einer Tüte greift und zu mir kommt. »Ich fahr dich nach Hause. Das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann.«

      Oh.

      Wie lieb von ihm.

      Zumindest, wenn er mich nicht in einen Wald fährt, um mich zu ermorden und unter einem Haufen Dreck zu verscharren. Aber dafür scheint er nicht der Typ. Ich könnte auch …

      Ich nehme einen Thermobecher entgegen und berühre dabei wie zufällig seine Hand. Ein Stromstoß jagt durch meinen Körper und mit ihm die Gewissheit, dass er mir – und meinem Körper – nichts antun wird.

      Ich lasse ihn los und schnuppere an dem Kaffee, um meine Sinne aufzuwecken. Wieso erinnere ich mich nicht an diese Sahneschnitte? Und was haben wir die Nacht getrieben, dass er meint, er müsste mich nach Hause fahren?

      Er greift nach unseren Jacken und öffnet mir die Tür. Mit einer höflichen Handbewegung entlässt er mich aus seinem Zimmer und schließt nach uns die Tür ab.

      Da höre ich es wieder. Das Lachen.

      Verwirrt schaue ich mich um, doch die einzige Person auf diesem Flur schaut eher argwöhnisch zu uns. Ich runzle die Stirn und wende mich ab, um mit diesem Prachtexemplar von einem Mann das Studentenwohnheim zu verlassen.

      »Geht’s dir gut? Gestern hast du mehr geredet …«, fragt er, nachdem wir unten angekommen sind und das Gebäude verlassen haben.

      Ich beschließe, ihm die Wahrheit zu sagen. Vielleicht kann er mir dabei helfen, mich zu erinnern.

      »Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich an nicht mehr sehr viel erinnern«, erkläre ich ihm. »Meine Freundin Mila …« Er nickt aufmerksam, also kennt er sie offensichtlich. »… hat mir Drogen untergejubelt. Ich habe einen Filmriss. Ich weiß nicht einmal, wie du heißt.«

      »Melvin«, entgegnet er schmunzelnd. »Und die Pille hat sie mir auch gegeben. Aber ich hab keinen Filmriss, nur einen dicken Kater.«

      »Warte mal.« Ich bleibe stehen und starre den jungen Mann neben mir panisch an. Jetzt kommen mir seine Gesichtszüge auch wieder bekannt vor. Ich habe ihn schon auf einigen Fotos gesehen. »Melvin im Sinne von – Milas neuer Freund Melvin?«

      Er seufzt leise auf. »Nun, nach letzter Nacht wohl nicht mehr.«

      Kurz vor Christiania, 1768

      Mikael

      ❤

      Sie kämmt ihre langen, weißblonden Haare mit den Fingern durch, bevor sie einen neuen Zopf flechtet. Dabei hält sie den Kopf leicht geneigt, beinahe so, als würde sie lauschen. Ich frage mich, was sie hört. Das Wasser? Saga?

      Mich?

      Sie hebt den Kopf, als hätte sie tatsächlich etwas gehört, und ich spanne mich unwillkürlich an. Meine Schulter fühlt sich an, als würde sie in zwei Hälften gerissen. Ein Stöhnen kann ich kaum unterdrücken.

      Freya kommt sofort zu mir. Ihre Hände tasten mich suchend ab, ich fange sie auf und fahre vorsichtig über ihre zarten Finger. Ihre Haut ist so weich wie die einer Hofdame, was mich wundert – immerhin kommt sie vom Land und ist harte Arbeit gewöhnt. Noch mehr verblüfft es mich allerdings, dass sie mir ihre Hände nicht entzieht. Im Gegenteil – sie hält still, und das sanfte Lächeln auf ihren Lippen lässt darauf schließen, dass ihr die Berührung gefällt.

      »Du bist wach«, stellt sie leise fest, bevor ich darüber nachdenken kann, was das für uns zu bedeuten hat, und hockt sich neben mich. »Wie geht es dir?«

      »Ging mir schon besser«, stoße ich hervor und versuche meine Schulter zu entspannen, aber der dumpfe Schmerz bleibt und erinnert mich daran, wie wir vor den Dieben geflohen sind. »Ist mit dir alles in Ordnung?«

      Besorgt betrachte ich die schöne Frau, die in den letzten Tagen so viel durchmachen musste. Unter ihren weißen Augen liegen tiefe Schatten, das Kleid ist schon hart vom getrocknetem Blut. Sie braucht dringend ein Neues.

      Dass sie noch nicht durchgedreht ist, grenzt an ein Wunder.

      »Ich bin unverletzt«, erwidert sie leise, aber das ist nicht das, was ich hören möchte. Ich sehe ihr an, dass es ihr nicht gut geht, doch ich weiß auch, dass es nicht meine Aufgabe ist, sie zu trösten. Ich bin bloß der Bote. Derjenige, der die Hexe beim König abliefert und dafür seinen Lohn bekommt.

      Dass die Hexe nicht alt und seltsam ist, sondern jung und schön ist, sollte kein Problem sein, und es sollte schon gar nicht zu meinem werden.

      Ich lasse ihre Hände los, als hätte ich mich an ihr verbrannt.

      »Gut«, stoße ich hervor und versuche mich aufzurichten. »Denn wir sollten weiter. Hier ist es nicht sicher.«

      Sofort ist sie an meiner Seite und stützt mich. Dafür, dass sie blind ist, kann sie erstaunlich viel. Es fühlt sich nicht an, als würde ihre Erkrankung sie einschränken.

      Ich schnalze, damit Saga zu uns kommt. Sie lässt sich nicht zweimal bitten. Ein treueres Pferd habe ich noch nicht gesehen.

      »Geht es?«, fragt Freya besorgt.

      »Es geht schon irgendwie.« Ich greife nach dem Sattel, ziehe mich an ihm hoch, um in den Steigbügel zu treten und sitze einarmig auf. Trotzdem spanne ich dabei meine Schulter so sehr an, dass die Schmerzen heiß durch meinen Körper schießen. Verfluchtes Diebespack.

      Wenigstens ist Christiania nicht mehr fern. Wenn wir in einen weiteren Hinterhalt geraten würden, könnte ich uns nicht mehr retten.

      Ich löse meinen Fuß aus dem Steigbügel, damit Freya ihn ebenfalls als Aufstiegshilfe nutzen kann. Es dauert eine Weile, weil sie mir nicht wehtun will, aber schließlich sitzt sie vor mir. Ich lege einen Arm um ihre schlanke Taille und fasse nach den Zügeln, die verletzte Seite lasse ich schlaff hinunterhängen.

      »Geht das?«, fragt sie leise. Schon wieder. Ihre Besorgnis rührt mich und weil ich ihr das nicht zeigen will, treibe ich Saga an, bis wir uns den Weg vom Bach zurück in den Wald gebahnt haben. Das muss Antwort genug sein.

      Wir reiten absichtlich einen Bogen um die Straße, die nach Christiania führt, aber wir haben Glück. Dieses Mal begegnet uns niemand, und schon bald entdecken wir die ersten Häuser.

      Freya spannt sich merklich an, als die neuen Geräusche auf sie einprasseln. Vermutlich war sie noch nie in einer so großen Stadt. Ich versuche mir vorzustellen, wie sie die neue Umgebung empfindet, aber es fällt mir schwer, denn ich bin zu sehr damit beschäftigt, die Straßen im Auge zu behalten.

      Es ist noch früh, aber selbst um diese Uhrzeit befinden sich schon einige Menschen in den Gassen und öffnen ihre Geschäfte. Ein Mann fegt den Gehweg vor seinem Haus, eine Frau küsst ihre beiden Kinder zum Abschied. Jemand reißt die Fenster auf, um frische Luft ins Haus zu lassen und sein Bettzeug zu lüften. Vor uns führt ein Pferd einen Karren mit Fässern an.

      Als wir an der nächsten