Als wir hinkamen, standen schon ein paar Wagen da, die so ähnlich aussahen wie Möbelwagen, ein Traktor und ein Wagen, der aussah wie ein Campingbus. Ein paar Kinder aus dem Dorf waren auch schon da, und wir standen und guckten. Wir waren wieder mal gerannt, so schnell wir konnten, und stoppten nun ab.
Zwei Männer bauten das Zelt auf. Sie rammten ringsherum Pfosten ein; dabei konnten wir nicht helfen, so wenigstens dachte ich. Penny war sofort bei dem einen und hielt den Pfosten, während der junge Mann mit dem Vorschlaghammer darauf haute, und so wagte ich es bei dem anderen. Es ging schnell und glatt, natürlich, die Leute haben ja Übung darin.
Als später die Mittelmasten aufgerichtet wurden, halfen auch die Frauen mit, eine ältere und eine jüngere. Wir pirschten uns an den Campingbus heran. Eine Treppe mit drei Stufen war heruntergeklappt, dort hinauf wagten wir uns aber nicht. Wir wollten die Leute um Himmels willen nicht verärgern, aber neugierig waren wir schon.
Die Tür zum Wohnwagen war offen, und man konnte manches erkennen: In einer Ecke einen Tisch und Betten übereinander, alles furchtbar praktisch und auf den kleinsten Raum beschränkt. Ein Mädchen, vielleicht siebzehn Jahre alt, hantierte an einem puppenkleinen Herd. Sie hieß Laila, wie wir später erfuhren, und war die älteste Tochter. Dann gab es noch eine Zahl jüngerer Geschwister, von denen wir die Namen erst später erfuhren.
Hinter dem Wagen waren die Tiere angebunden. Die interessierten uns natürlich am meisten. Wir hatten unsere Hunde vorsorglich zu Hause gelassen, weil wir dachten, sie gingen vielleicht auf die Zirkustiere los. Das war gut. Es gab einen weißen Spitz, der furchtbar kläffte und an seiner Kette zerrte, und dann gab es Pferde. Das heißt, ein Pferd, einen großen, breiten Schimmel, das andere waren Ponys. Der Schimmel kam uns beinahe so groß vor wie ein Elefant. Wir standen neben ihm und begriffen nicht, wie man da hinaufkommt.
Gerade kam Laila, das größere Mädchen, und hörte, daß wir sagten, dazu brauchte man ja direkt eine Leiter, und sie lachte. Sie ist nicht viel größer als wir, aber daß sie älter ist, das merkt man natürlich. Sie trug an diesem Tag die Haare, die ganz wuschelig sind, hinten zusammengebunden, und rechts und links neben dem Mund hatte sie je eine Falte, wie ich sie bei einer Siebzehnjährigen bis dahin noch nie gesehen hatte. Vielleicht hatte sie gerade eine unglückliche Liebe hinter sich oder andere Sorgen ...
Aber uns sprach sie freundlich an.
„Vielleicht mit einer Leiter raufsteigen? Was meint ihr wohl“, sagte sie und lachte ein bißchen, mit einem halb zusammengekniffenen Auge und einem breiten Mund, „geht ganz leicht ohne.“ Und damit trat sie dicht an den Schimmel heran, hob das rechte Bein und stieß sich mit dem linken, auf dem sie jetzt stand, ab – und wahrhaftig, oben war sie! Es sah kinderleicht aus. Uns blieb der Mund offenstehen.
„Darf ich mal probieren?“ fragte Penny sofort, begierig und mit weit aufgerissenen Augen. Ihr widersteht so leicht keiner, wenn sie um etwas bittet, aber Laila lachte.
„Mal, wenn es keiner sieht. Wenn ich euch jetzt probieren lasse, wollen es alle“, sie wies mit der Schulter nach hinten, wo die Dorfkinder sich heranschoben. Das sahen wir selbstverständlich ein.
Wir guckten uns dann noch die Ponys an. Sie standen nebeneinander angebunden, größere und kleinere, die meisten schwarz, ein paar Schwarzschecken dabei, zwei Fohlen – sehr niedlich! – und ein winziger Schimmel. Noch trugen sie das kurze Sommerfell, waren gut gehalten und auch nicht mager. Neben dem letzten stand ein Zwergesel, der ganz besonders süß war! Und dann kam ein Käfig mit einem Bären. Vor dem standen wir lange.
Wo mochte er herstammen? Aus der Wildnis? Wo gab es noch Bären? Sein Fell sah mottenzerfressen aus und abgeschabt, vor allem am Hals, wo er ein Halsband mit einer Kette trug, und seine Äuglein guckten traurig. Oder bildeten wir uns das ein?
„Was frißt der Bär?“ fragte Penny, die ihn gleich trösten wollte.
„Bären sind Allesfresser“, sagte Laila, „Honigbrot, Reis, Kartoffeln, rohe Eier, auch Fleisch.“
„Wir bringen ihm was!“ versprachen wir wie aus einem Munde, „ihm und den Ponys. Was sollen wir denen bringen? Zucker?“
„Himmel, nein, nur nicht zuviel Zucker! Natürlich mögen sie, wie alle Pferde, Zucker furchtbar gern, aber sie dürfen nicht zuviel davon bekommen. Zucker übersäuert den Magen, so komisch das klingt. Könnt ihr ihnen nicht Mohrrüben bringen? Davon bekommen sie nie zuviel, und sie geben ein schönes glattes Fell.“
„Wir holen welche“, versprach Penny sofort. „Komm, Musch, los! Ich weiß was!“
Ich hätte gern noch mal richtig in den Wohnwagen hineingeguckt, aber Penny riß mich mit sich fort. Und der Zirkus würde ja wohl eine Weile bleiben, da konnte ich mir das noch aufsparen. Wir rannten über die Höhe, die zwischen dem Dorf und der Spielburg liegt, und quer über das Stoppelfeld hinunter. Das kann man im Herbst, sonst muß man auf den Wegen bleiben. Penny erzählte während des Rennens, ich verstand nur die Hälfte.
„Nachbarin ... drei Beete voller Mohrrüben ... vorige Woche gesagt ... wohin damit ... kein Mensch mag mehr Mohrrüben ... Karnickel abgeschafft ...“
Als wir schließlich unten ankamen, fragte ich sie noch mal aus. Und dann gingen wir zu der Nachbarin, der der Manderl, das Pferd, das wir einmal in Pension hatten, ein Mohrrübenbeet abgefressen hatte. Penny läutete, und nach einer Weile erschien die Dame auch, in bunter Wickelschürze wie damals; sie sah auch sonst noch genauso aus.
Penny legte gleich los: daß der Zirkus da wäre und die Ponys so gern Mohrrüben fräßen und ob wir nicht – wir würden die Beete hinterher auch wunderschön fertigmachen, umgraben, damit man sie im nächsten Frühjahr wieder bepflanzen könnte ...
„Aber nicht wieder mit Möhren“, sagte die Nachbarin. Das war uns egal, Hauptsache, wir durften jetzt ernten!
Penny sauste auf unser Grundstück und holte die Karre, die wir zum Kartoffelernten benutzt hatten, und setzte den Gribbel an, und ich sammelte die Möhren, die großen und die kleinen, in den Korb. Das ging viel leichter als bei den Kartoffeln, weil die Möhren ja herausgucken, und wir hatten im Handumdrehen ein Beet leer und eine Karre voll. Mit der zogen wir zum Zirkus.
Dort war das Zelt schon aufgebaut. Groß war es nicht, aber drin gab es einen richtigen Manegenrand, der bei allen Zirkussen dasein muß, und in seine Rundung waren Sägespäne gestreut. Wir suchten Laila, fanden sie aber nicht. Da gingen wir zu den Ponys und fütterten erst mal jedem eine Rübe, die wir vorher sorgfältig an der Hose abgewischt hatten. Irene, der der Manderl gehört, hat uns mal erzählt, daß ein Pferd, das immer unabgeputzte Mohrrüben bekam, dreißig Pfund Sand im Magen hatte. Das werde ich nie vergessen. Deshalb putzten wir die Möhren wirklich sehr schön ab und fanden es eigentlich ungerecht, als plötzlich ein kleines Mädchen geschossen kam, etwas älter als wir, und uns anfauchte: „Was macht ihr mit unsern Ponys?“
Ich wollte alles erklären, aber sie schubste uns weg und schrie dabei richtig giftig, und wir konnten gar nichts sagen, bis, gottlob, Laila zufällig dazukam.
„Aber Marfa, das sind zwei nette Mädchen, die haben uns Mohrrüben gebracht!“
„Sie sollen aber nicht füttern – füttern ist verboten!“ keifte die Jüngere. Penny packte mich am Handgelenk.
„Komm, wir gehen. Bis heute abend“, sie blinzelte Laila zu.
Natürlich würden wir heute abend kommen, das ließen wir uns nicht nehmen. Zur Eröffnungsvorstellung!
Wir hätten doch auch jetzt noch bleiben können, maulte ich und ließ mich widerwillig mitziehen. Aber Penny hatte sich bereits einen Plan ausgedacht.
„Sei ruhig, morgen kommen wir sowieso wieder und übermorgen auch. Aber heute ...“
„Wohin willst du denn?“
„Zur