Geschichten vom Pferdehof. Lise Gast. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lise Gast
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711509425
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Zwinger und kennen sich natürlich, denn Bella verlebt alle Ferien mit mir in Hohenstaufen. Sie sind Eskimohunde, schwarz mit einem weißen Streifen ums Maul, groß und zottig. Tante und Onkel haben noch einen anderen Hund, einen Schäferhund. Der ist schon älter. Und dann haben sie noch Katzen und Schafe und Streifenhörnchen – ach, jedes Jahr noch etwas anderes dazu, sie können nicht genug Tiere halten. Deshalb bin ich eben auch so sehr gern dort, aber auch wegen Penny und natürlich wegen Tante Trullala, die ich sehr liebe. Hohenstaufen ist sozusagen meine zweite Heimat.

      Erst einmal ging es, wie immer, wenn ich angekommen war, durch das ganze Haus, um alles zu begrüßen und wiederzusehen. Alle Zimmer, die gemütliche Küche, die Veranda und die Schafe, der Hund, die Streifenhörnchen. Die sind in der Werkstatt. Dort bin ich immer gern gewesen, und hier wartete dieses Jahr eine Überraschung auf mich. Onkels Haus liegt am Hang, es hat also auf der Rückseite ein Stockwerk mehr als oben an der Straße. Und dort ist die Werkstatt. Bisher war sie gleichzeitig eine Art Abstellraum gewesen, wo sich alles sammelte, was man noch braucht, aber im Augenblick wegstellen will: Säge und Hämmer und Bohrmaschine und Töpfe, halb voll mit Farbe, Pinsel, Eimer. „Kruscht“ nennt man das hier im schönen Schwabenland. An der Wand hing der Käfig mit den Streifenhörnchen, wegen denen kam ich hauptsächlich herunter. Und da staunte ich sehr!

      Die beiden ineinandergehenden Räume waren wundervoll aufgeräumt, sie sind niedrig und die Fenster überwuchert von wildem Wein, so daß sie bisher immer etwas dunkel wirkten. Jetzt aber war der Wein zurückgeschnitten, die Fenster geputzt, und darin ...

      Ja, darin befand sich eine wunderschöne kleine Wohnung. Die Wände nicht mit Tapeten zugeklebt, sondern mit Holz getäfelt; das hatte Penny gemacht, wie sie mir sofort erzählte, es ginge ganz leicht, man stecke ein Holz ins andere und nagele es an die Wand, von unten angefangen bis an die Decke hinauf. Nut und Feder heiße das, und es gäbe es in verschiedenen Holzarten. Dies hier war Fichte, und es hatte eine herrliche Maserung und lauter Aststellen, das sah so richtig natürlich aus. Und eingerichtet waren die Stübchen! Einfach entzückend. In einem standen zwei Betten übereinander, sie gingen gerade hinein, und Penny sagte, wenn man im oberen läge, könnte man sich eben umdrehen, ohne mit der Hüfte oben anzustoßen. Dafür konnte man von unten her mit den Füßen die obere Matratze hochstemmen, um den, der oben liegt, zu ärgern.

      Die Betten waren rotkariert überzogen, und an jedem Kopfende war eine Lampe aus Sperrholz befestigt.

      „Damit wir vor dem Einschlafen lesen können“, erklärte Penny atemlos, „und hier ...“

      Ja hier! Das zweite Zimmer war auch goldig eingerichtet, mit einer zweigeteilten Bank in der einen Ecke unter dem Fenster und einem Tisch davor. Gerade schien die Sonne herein, und auf dem Tisch stand ein wunderschöner Strauß von Georginen, rot und orange. An den Wänden waren Bücherregale.

      „Hier können wir wohnen. Das ist unsere Wohnung, deine und meine, weil doch mein Vater auch ein Zimmer braucht, wenn er da ist.“

      Pennys Vater, ihre Mutter lebt nicht mehr, ist Künstler, ein Zauberkünstler, und meistens auf Reisen, deshalb hat Tante Trullala ihm ein Zimmer eingeräumt, in dem er wohnen kann, wenn er von seinen Tourneen, wie es heißt, zurückkommt.

      „Und wir dürfen immer hier wohnen, wenn du da bist, und wenn du nicht da bist, wohne ich auch hier, und wir räumen alles selber auf, und duschen können wir nebenan in der Waschküche ...“

      „Hach! Weißt du noch? Wo Rupert sich abschwemmte, als die Lydia ihn angespuckt hatte?“ Wir lachten. Im selben Moment kam Rupert herein.

      „Ich hab’ euch im ganzen Haus gesucht. Tante hat Kaffee gekocht. Hier wohnt ihr jetzt? Nein, ist das wunderbar!“

      Er stieß sofort mit dem Schädel an die Lampe, die natürlich sehr tief hängt, weil die Decke so niedrig ist.

      „Autsch, na, wachst nur nicht so schnell, sonst müßt ihr in eurer neuen Wohnung auf allen vieren aus und ein gehen!“

      Das hätte uns nicht gestört. Wir fanden beide, daß es keine schönere Wohnung geben könnte als unsere. Zu den zwei Zimmerchen kam nämlich noch was dazu: Hinter dem Haus, also mit dem Blick ins Tal hinunter, war ein überdachter Raum, weil das Haus dort etwas eingerückt ist, und da hatte Onkel Albrecht eine Bank hingestellt, aus einem halben Baumstamm geschnitten, und einen Tisch davor mit einer sehr dicken Platte. Dort konnte man auch sitzen und hinübersehen über das Tal, bis zu der Stelle, wo die Straße von Göppingen her aus dem Wald herauskommt. Dort hält Onkel Albrecht immer an, wenn er Besuch vom Bahnhof holt, und winkt zum Haus hinauf, und wer daheim ist, winkt vom Balkon zurück, am liebsten mit einer Tischdecke oder einem großen Bettuch. Das konnte man auch von hier aus.

      „Hier hab’ ich Schularbeiten gemacht, den ganzen Sommer durch“, erklärte Penny voller Eifer – sie ist immer voller Eifer und atemlos, ein Mensch mit Tempo, und ich mußte lachen.

      „Den ganzen Sommer durch ...“ Der halbe Sommer besteht ja aus Ferien, und da war ich hier, und die Werkstatt war noch der alte Abstellraum von früher.

      „Jetzt heißt er Pennyheim, sagt Onkel Albrecht, aber das gefällt mir nicht“, erklärte sie. „Wir müssen uns einen neuen Namen ausdenken, denn dir gehört ja die Wohnung auch. Und die Hunde ...“

      „Die Pennymuschbellaboßgesellschaftsiedlung“, schlug Rupert vor, „das ist kurz und genau und spricht sich ...“

      „Wunderbar“, sagte Onkel Albrecht, der jetzt hereinkam, um zu sehen, wie es mir gefiele. „Vor allem ist es kurz. Es klingt aber eigentlich mehr wie ein Fluch, finde ich. So wie Himmelkreuzdonnerwetterkannillekasten noch mal, also ...

      „Dann kürzen wir es eben ab. Von jedem von euch darf eine Silbe drin vorkommen“, sagte Rupert. Er hatte sich auf die Eckbank gesetzt und rauchte eine Zigarette. „‚Pemubelbo‘, ist das nichts? Sagt es mal nach!“

      Und damit hatte er wieder mal ins Schwarze getroffen. Penny hatte sogleich ein Stück Pappe in der Hand und fing an, sie zu bemalen. Oben kam Pemubelbo hin, in großen Blockbuchstaben, und darunter zeichnete sie zwei Mädchen, eins mit schwarzem Strubbelhaar, das war sie selbst, und eines blond, das sollte ich sein. Die beiden Hunde kamen in die Mitte. Es wurde sehr schön, und als wir es später wiedersahen – Penny hatte es über die Tür genagelt –, da war noch eine dritte Person dazugemalt, mit Perücke und schwarzer Brille: Rupert.

      „Ich gehöre doch auch dazu“, sagte er, als wir ihn zur Rede stellten, „ich will auch mit drauf sein. Bin ich euer Blutsbruder oder nicht?“

      „Dann mußt du auch hier schlafen. Auf der Eckbank“, bestimmte Penny, und er probierte es gleich aus, legte sich mit dem Oberkörper auf die eine Bankhälfte und installierte seine langen Beine auf der anderen. „Es geht wunderbar, ich muß aussehen wie eine geknickte Lilie“, sagte er und kämpfte sich ächzend wieder hoch. „So ein Bett habe ich mir immer schon gewünscht.“

      Er blieb noch, hatte es also überhaupt nicht so eilig gehabt herzukommen.

      „Aber ich wollte dir doch zwei zusätzliche Ferientage herausschinden“, erklärte er, „und außerdem möchte ich auch mal Hohenstaufen-Ferien machen.“

      Tante Trullala und Onkel Albrecht waren gleich einverstanden, sie kennen Rupert ja schon von früher, auch seinen Vater, mit dem meine Mutter einmal zur Kur gewesen war. Rupert hat sie und Tante Trullala damals hergefahren, und daraus entstand eine richtige Freundschaft und unsere Blutsbrüderschaft.

      Am nächsten Morgen weckte er uns mit Getöse. Immer denkt er sich was anderes aus, um uns zu wecken. Früher einmal hat er eine Trompete genommen und uns damit in die Ohren geblasen. Diesmal haute er mit dem Spaten an die Tür, daß wir dachten, das Haus fiele ein.

      „Wir sollen Kartoffeln rausmachen, los, aufstehen!“ rief er. „Und Tante bäckt Pflaumenkuchen dazu! Raus aus den Federn, ihr faules Volk!“

      Die beiden Hunde fingen an zu bellen, es war ohrenzerreißend. Aber wir wurden wenigstens munter.

      Erst gab es Kaffee in der gemütlichen Wohnstube oben, wo schon ein bißchen geheizt war; das tat richtig wohl nach der kalten Dusche in der Waschküche.