Mathias Sandorf. Jules Verne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jules Verne
Издательство: Bookwire
Серия: Jules-Verne-Reihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955015725
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aus Budapest zugegangenen Depesche mitgetheilt? ergriff Bathory das Wort, dessen Freundschaft mit dem Grafen sich bis auf die vertrauliche Anrede erstreckte.

       – Ja, Stephan, sie sind unterrichtet. Sie sind auch bereit. Beim ersten Signal brechen sie los. Innerhalb zweier Stunden sind wir die Herren von Budapest, in einem halben Tage die Herren der größten Comitate diesseits und jenseits der Theiß, in einem Tage ist Siebenbürgen und der Bereich der Militärgrenze unser. Dann werden acht Millionen Ungarn ihre Unabhängigkeit wiedergewonnen haben!

       – Und die Regierung? fragte Bathory.

       – Unsere Parteigänger sind in der Majorität, antwortete Mathias Sandorf. Sie werden auch die neue Regierung bilden, welche die Leitung der Geschäfte in die Hand nehmen wird. Alles wird regelrecht und ohne Schwierigkeiten von statten gehen, da die Comitate, was ihre Verwaltung anbelangt, kaum von der Krone abhängen und ihre Chefs die Polizeigewalt besitzen.

       – Aber der stellvertretende Rath des Königreiches, welchem der Paladin in Budapest vorsteht...? warf Ladislaus Zathmar ein.

       – Dem Paladin und dem Rath wird die Möglichkeit genommen, einzuschreiten...

       – Und auch die Möglichkeit, mit der ungarischen Kanzlei in Wien zu correspondiren?

       – Ja! Alle Maßregeln sind so getroffen, daß durch die Gleichzeitigkeit unserer Bewegungen auch der Erfolg gesichert wird.

       – Der Erfolg! rief Stephan Bathory.

       – Ja, der Erfolg! erwiderte Graf Sandorf. In der Armee ist alles, was unseren Blutes, ungarischen Blutes ist, für uns! Wo gibt es einen Abkömmling der alten Magyaren, dessen Herz nicht höher schlägt beim Anblicke der Fahne Rudolf's und Corvin's?«

       Mathias Sandorf sprach diese Worte mit dem Tone edelster Begeisterung.

       »Aber bis dahin, fuhr er fort, wollen wir nichts vernachlässigen, um jeden Verdacht zu vermeiden. Seien wir klug, um so stärker werden wir sein! – Habt Ihr in Triest nichts Verdächtiges gehört?

       – Nein, erwiderte Ladislaus Zathmar. Man redet hier ausschließlich von den Arbeiten, welche der Staat in Pola ausführen läßt.«

       Seit fünfzehn Jahren bereits hatte die österreichische Regierung in der Befürchtung eines möglichen Verlustes von Venetien – der in der That eingetreten ist – die Absicht, in Pola, also am südlichsten Ende Istriens, ungeheure Arsenale und einen Kriegshafen anlegen zu lassen, um von hier aus den ganzen inneren Theil der Adria beherrschen zu können. Trotz der Einwände von Triest, dessen Hafen durch dieses Project minderwerthig wurde, wurden die Arbeiten mit einer fieberhaften Hast weitergeführt. Mathias Sandorf und seine Freunde konnten also annehmen, daß die Triestiner geneigt sein würden, ihnen zu folgen, im Falle die Trennungsbewegung sich bis zu ihnen erstrecken sollte.

       Das Geheimniß dieser Verschwörung zu Gunsten der ungarischen Selbstständigkeit war jedenfalls gut gehütet. Nichts konnte bei der Polizei Verdacht rege machen, daß die vornehmsten Verschworenen sich in dem bescheidenen Hause der Acquedotto-Allee vereinigten.

       Es schien also, als ob alles vorgesehen war, um die Bewegung gelingen zu lassen und als gälte es, nur noch den passenden Augenblick zum Handeln abzuwarten. Die chiffrirte Correspondenz zwischen Triest und den Großstädten Ungarns und Siebenbürgens wurde voraussichtlich von nun an sehr selten oder gar nicht geführt, falls nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten würden. Die gefiederten Boten hatten wahrscheinlich für die Folge keine Depeschen mehr zu überbringen, da die letzten Maßregeln vereinbart worden waren. Im Uebermaße von Vorsicht hatte man noch vorsorglicher Weise ihren Zufluchtsort im Hause Zathmar's verschlossen.–

       Es muß noch bemerkt werden, daß das Geld ebenso der Lebensnerv der Verschwörungen, wie derjenige der Kriege ist. Es ist von Wichtigkeit, daß es den Verschwörern in der Stunde der Erhebung nicht fehlt. Bei dieser Gelegenheit konnte es unsre Bekannten nicht im Stiche lassen.

       Wir wissen, daß Ladislaus Zathmar und Stephan Bathory wohl ihr Leben der Unabhängigkeit ihres Landes zum Opfer bringen konnten, aber nicht ihr Vermögen, weil sie nur sehr schwache persönliche Einnahmequellen besaßen. Graf Sandorf aber war ungeheuer reich und bereit, zugleich mit seinem Leben sein ganzes Hab und Gut für die Bedürfnisse seiner Sache zu opfern. Er hatte bereits vor einigen Monaten, durch Vermittlung seines Intendanten Landeck eine beträchtliche Summe als Anleihe auf seine Besitzungen aufgebracht – mehr als zwei Millionen Gulden.

       Es war indessen nothwendig, daß diese Summe stets zur Verfügung gehalten wurde und daß er sie von einem Tage zum andern in Empfang nehmen konnte. Deshalb war sie in Triest auf seinen Namen hinterlegt worden bei einem Bankhause, dessen Ehrenhaftigkeit und Solidität, bis zur Stunde unangetastet, über jeden Zweifel erhaben waren. Dieses Haus war dasjenige des Banquiers Toronthal, von welchem Sarcany und Zirone bei ihrer Rast auf dem Kirchhofe der oberen Stadt gerade gesprochen hatten.

       Dieser zufällige Umstand sollte bedenkliche Folgen nach sich ziehen, wie man aus dem Verlaufe dieser Geschichte sehen wird.

       Auf eindringliches Fragen des Grafen Zathmar und Stephan Bathory's nach diesem Gelde gelegentlich ihrer jüngsten Unterredung antwortete ihnen Mathias Sandorf, daß er beabsichtige, in aller Kürze dem Banquier Silas Toronthal einen Besuch abzustatten und diesen zu ersuchen, ihm seine Fonds in kürzester Frist zur Verfügung halten zu wollen.

       Gewisse Ereignisse schienen wirklich Graf Sandorf bald veranlassen zu sollen, das erwartete Signal von Triest aus zu geben, um so eher, als man annehmen durfte, daß das Haus Zathmar's an jenem Abende der Gegenstand einer Ueberwachung gewesen war, welche beunruhigen konnte.

       Als Graf Sandorf und Stephan Bathory gegen acht Uhr fortgingen, der eine, um seine Wohnung in der Corsia Stadion, der andere, um das Hotel Delorme aufzusuchen, glaubten sie zwei Männer im Dunkel der Bäume zu bemerken, die ihnen in kurzer Entfernung folgten und so manövrirten, daß sie möglichst nicht gesehen wurden.

       Mathias Sandorf und sein Begleiter wollten wissen, woran sie waren, und zögerten nicht, auf diese mit Recht verdächtig erscheinenden Personen zuzugehen; aber diese sahen sie kommen und verschwanden um die Ecke der Kirche San Antonio am Ende des großen Canals, ehe sie eingeholt worden waren.

      Drittes Capitel. Das Haus Toronthal.

       Das gesellschaftliche Leben ist in Triest gleich Null. Die Verschiedenheit der Rassen und der Stände machen es, daß man sich gegenseitig wenig sieht. Die österreichischen Beamten möchten je nach der Stellung, die sie im amtlichen Leben bekleiden, die erste Rolle spielen. Es sind dies durchschnittlich achtbare, wohlunterrichtete, wohlwollende Leute, aber ihr Gehalt ist ein knapper und ihrer Stellung nicht entsprechend; sie können daher mit den Kaufleuten und Finanzmännern nicht wetteifern. Da man in den reichen Familien nur selten empfängt und die officiellen Vereinigungen fast stets verunglücken, so haben sich die ersteren genöthigt gesehen, den äußeren Luxus zu pflegen, in den Straßen der Stadt in Gestalt von prächtigen Equipagen, im Theater durch kostbare Toiletten und verschwenderischen Aufwand von Brillanten, den ihre Frauen in den Logen des Teatro Communale oder der Armonia zur Schau tragen.

       Zu diesen wohlhabenden Familien gehörte zu jener Zeit auch die des Banquiers Silas Toronthal.

       Der Chef dieses Hauses, dessen Ansehen sich über Oesterreich-Ungarn hinaus erstreckte, war damals siebenunddreißig Jahre alt. Er bewohnte mit seiner noch um einige Jahre jüngeren Gattin ein Palais in der Allee des Acquedotto.

       Silas Toronthal galt für sehr reich und er mußte es sein. Kühne und glückliche Speculationen an der Börse, eine rege Geschäftsverbindung mit dem österreichischen Lloyd und anderen großen Häusern, wichtige Anleihen, deren Emissionen ihm anvertraut waren, mußten viel Geld in seinen Kassen zurückgelassen haben. Hieraus entstammte auch die Großartigkeit des Hausstandes, die viel von sich reden machte.

       Trotzdem war es möglich, wie wir es schon Sarcany zu Zirone sagen hörten, daß die Geschäfte von Silas Toronthal dazumal ein wenig verwickelt lagen – wenigstens für den Augenblick. Es mochte das daher rühren, daß er vor sieben Jahren den Rückschlag auszuhalten gehabt hatte, den die Unruhen des französisch-italienischen