– Ich weiß es noch nicht, antwortete Sarcany, aber ich werde es mir verschaffen, dessen können Sie gewiß sein.
– Wirklich? An Ihrer Stelle, Sarcany, würde ich mir nicht so große Mühe geben.
– Ich werde mir alle Mühe geben.
– Wozu soll das gut sein? Ich würde mich begnügen, der Polizei von Triest den Verdacht mitzutheilen und ihr das Billet einzuhändigen.
– Ich werde es ihr sagen, Silas Toronthal, aber nicht auf bloße Vermuthungen hin, erwiderte Sarcany frostig. Ehe ich rede, muß ich thatsächliche Beweise haben und natürlich auch unbestreitbare. Ich denke die Verschwörung meistern zu können, ja vollständig meistern zu können und Vortheile daraus zu ziehen, von denen ich Ihnen die Hälfte anbiete. Und wer weiß, ob es nicht vortheilhafter sein wird, mit den Verschwörern gemeinsame Sache zu machen, als gegen sie zu zeugen.«
Eine solche Sprache überraschte Toronthal nicht. Er wußte, wessen der intelligente gottlose Sarcany fähig war. Wenn dieser Mann nicht zögerte, so vor dem Banquier zu sprechen, so that er es, weil er bereits wußte, daß man Silas Toronthal Alles vorschlagen konnte, dessen dehnbares Gewissen sich allen möglichen Geschäften anbequemte. Sarcany kannte ihn übrigens, um es noch einmal zu wiederholen, schon eine geraume Zeit und er hatte überdies Grund zu glauben, daß die Lage des Hauses seit Kurzem eine nicht mehr besonders klare war.
Konnte nun das Geheimniß dieser Verschwörung, wenn es aufgeklärt, ausgeliefert und nutzbar gemacht wurde, nicht dazu beitragen, die Geschäfte des Banquiers wieder in Fluß zu bringen? Sarcany nahm es an und daraufhin hatte er seinen Vorschlag gemacht.
Silas Toronthal seinerseits versuchte es, seinem ehemaligen Makler aus dem Tripolitanischen gegenüber diesmal den Verschlossenen zu spielen. Wenn wirklich eine Verschwörung gegen die österreichische Regierung, deren Veranlasser Sarcany entdeckt haben wollte, in der Entwicklung begriffen war, so wäre er der Letzte gewesen, der ihr freien Lauf gelassen hätte. Dieses Haus Ladislaus Zathmar's, in welchem geheime Unterredungen stattfanden, dieser chiffrirte Briefwechsel, die ungeheuere Summe, welche Graf Sandorf bei ihm zur steten Bereithaltung niedergelegt hatte, Alles das hatte wirklich einen verdächtigen Anstrich. Sehr wahrscheinlich hatte Sarcany die Lage der Dinge richtig erkannt. Der Banquier wollte indessen vorderhand noch mehr hören und erst dem Spiele seines Gegners auf den Grund kommen, ehe er sich ergab. Er zog es daher vor, mit einer gleichgiltigen Miene zu erwidern:
»Und wenn Sie das Billet entziffert haben werden – vorausgesetzt, daß Sie es wirklich dahin bringen sollten – werden Sie sehen, daß es sich lediglich um
Haben Sie das Billet entziffern können?
private Interessen handelt, die völlig belanglos sind und aus denen folglich weder für Sie, noch für mich ein Nutzen entspringen wird.
– Nein, rief Sarcany im Tone innigster Ueberzeugung, nein! Ich bin einer der bedenklichsten Verschwörungen auf der Spur, einer Verschwörung, die von hochstehenden Persönlichkeiten angezettelt wird und ich kann nicht umhin, zu bemerken, daß Sie, Silas Toronthal, eben so wenig daran zweifeln als ich selbst.
– Also, was wollen Sie nun von mir?« fragte der Banquier, diesmal in sehr bestimmtem Tone.
Triest. – Der Börsenplatz.
Sarcany erhob sich und sagte mit einer etwas leiseren Stimme, dem Banquier dabei aber fest ins Auge sehend:
»Was ich will – er legte einen Nachdruck auf dieses Wort – ist das: Ich will so bald als möglich unter irgend einem noch aufzufindenden Vorwande Zutritt zu dem Hause des Grafen Zathmar haben und versuchen, das Vertrauen desselben zu gewinnen. Einmal auf dem Platze, wo mich Keiner kennt, muß ich nach einer Gelegenheit suchen, mich des Gitters bemächtigen und jene Depesche übertragen zu können, von der ich den bestmöglichen Gebrauch in unserem Interesse machen werde.
– In unserem Interesse? wiederholte Toronthal. Warum liegt Ihnen daran, mich in diese Angelegenheit hineinzuziehen?
– Weil sie sich verlohnt und Sie einen großen Nutzen aus ihr ziehen werden.
– Und dann unternehmen Sie die Sache nicht einmal allein?
– Nein. Ich bedarf Ihrer Unterstützung.
– Erklären Sie sich näher!
– Um zu meinem Ziele zu gelangen, muß ich mir Zeit lassen können, und Zeit kostet Geld. Ich habe aber keines mehr.
– Ihr Guthaben bei mir ist, wie Sie wissen, bereits erschöpft.
– Schön. So werden Sie mir jetzt ein neues eröffnen.
– Und was werde ich damit verdienen?
– Folgendes: Von den drei Männern, die ich Ihnen nannte, haben zwei kein Vermögen, Graf Zathmar und Professor Bathory, aber der dritte ist ausnehmend reich. Seine Güter in Siebenbürgen sind von bedeutendem Umfange. Es wird Ihnen nun nicht unbekannt sein, daß solche, sobald ihr Besitzer als Verschwörer verhaftet und verurtheilt ist, confiscirt zu werden pflegen und zum größten Theile an Diejenigen fallen, welche die Verschwörung aufgedeckt und zur Anzeige gebracht haben... Sie und ich, Silas Toronthal, wir theilen.«
Sarcany schwieg. Der Banquier antwortete nicht. Er dachte darüber nach, was man von ihm zur Ausführung des Spieles forderte. Er war keineswegs der Mann dazu, sich persönlich in einem derartigen Unternehmen bloßzustellen, aber er fühlte, daß sein Agent Mann genug wäre, sie Beide handelnd zu vertreten. Wenn er sich entschloß, an diesem geheimen Anschlage Theil zu nehmen, so würde er versuchen müssen, Jenen durch einen Vertrag zu binden, der auf seinen Vortheil hinausliefe und ihm zugleich erlaubte, im Schatten zu bleiben.... Er zögerte trotzdem noch. Bei Lichte besehen, was riskirte er? Er würde in dieser widerwärtigen Sache nicht genannt werden, dagegen den Verdienst einheimsen, einen ungeheuren Verdienst, der die Stellung seines Hauses wieder befestigen konnte.
»Nun? drängte Sarcany.
– Nein, ich will nicht, antwortete Silas Toronthal; es schreckte ihn vor allen Dingen der Umstand zurück, einen solchen Theilnehmer, oder richtiger gesagt, einen solchen Mitschuldigen zu haben.
– Sie weisen mein Anerbieten zurück?
– Ja! Ich thue es!... Ueberdies kann ich nicht an einen erfolgreichen Schluß Ihrer Muthmaßungen glauben.
– Nehmen Sie sich in Acht, Silas Toronthal, rief Sarcany drohend, ohne sich diesmal Zwang anzulegen.
– Mich in Acht nehmen? Und weshalb?
– Weil ich Kenntniß von gewissen Geschäften habe...
– Hinaus, Sarcany! schrie der Banquier.
– Ich werde Sie zu zwingen wissen!
– Hinaus!«
In diesem Augenblicke tönte ein leises Pochen an der Thür. Während Sarcany sich hastig dem Fenster zuwandte, öffnete sich die Thür und ein Diener meldete mit lauter Stimme:
»Graf Sandorf bittet Herrn Toronthal, ihn zu empfangen.«
Darauf zog er sich zurück.
»Graf Sandorf?« rief Sarcany.
Der Banquier fühlte sich einerseits sehr betroffen, Sarcany von diesem Besuche unterrichtet zu sehen, andererseits hatte er das Vorgefühl, daß ihm aus der unerwarteten Ankunft des Grafen noch große Verlegenheiten entstehen würden.
»Was hat der Graf hier zu suchen? fragte Sarcany in einem unverkennbar ironischen Tone. Sie unterhalten also Verbindungen mit den Verschwörern im Hause Zathmar's? Ich habe mich womöglich an einen der ihrigen gewandt!