Nonni - Erlebnisse eines jungen Isländers von ihm selbst erzählt. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711446096
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      »Aber, Herr Kapitän«, fragte die Mutter, »wie steht es mit der Geldfrage? Was verlangen Sie für die Fahrt?«

      Nachdenkend sagte der Kapitän:

      »Für Kost und Aufenthalt während der unbestimmten Zeit, welche die Fahrt nach Kopenhagen dauern wird – sie kann nämlich zehn Tage dauern, sich aber auch ebensogut, zumal in dieser Jahreszeit, einige Wochen hinziehen –, ja, was soll ich sagen? Haben Sie an eine bestimmte Summe gedacht?«

      »Nein, Herr Kapitän.«

      »Nun, wenn wir sagen zwanzig Reichstaler, scheint Ihnen das zuviel?«

      »Nein, das ist mir nicht zuviel.«

      »Abgemacht. Der Knabe soll so behandelt werden, als wäre er mein eigener Sohn. Seien Sie ohne Sorge, ich werde ihn wohlbehalten nach Kopenhagen bringen.«

      Die Mutter reichte dem Kapitän die Hand und dankte ihm.

      »Aber«, fragte der Kapitän, »zu wem soll ich Ihren Sohn in Kopenhagen bringen?«

      »Zu Herrn Gisli Brynjulfson. Dieser wird ihn dann zum Präfekten Grüder führen. Herr Gisli Brynjulfson wohnt auf der Dossering, der Präfekt Bredgade 64. – Wann lichten Sie die Anker?« fragte die Mutter weiter.

      »Der Abfahrtstag ist noch nicht genau bestimmt; doch es wird an einem der nächsten Tage sein. Ich werde Ihnen Nachricht schicken.«

      Die Mutter stand auf und verabschiedete sich vom Kapitän.

      Beim Fortgehen besah sie sich nochmals das kleine Schiff, auf dem ihr Sohn nun bald die Fahrt durch die wilden Wogen des Atlantischen Ozeans machen sollte.

      Wir stiegen hinab in unser Boot, das an der Seite des Schiffes ruhig auf und ab schaukelte.

      Der Kapitän grüßte noch einmal freundlich, und ich ruderte wieder das kleine Boot nach Hause.

      Eine unheimliche Nacht und ein strahlender Morgen

      Alles war jetzt also abgemacht.

      Mein Schicksal war besiegelt. Ich war als Passagier auf dem fremden Schiff angenommen.

      Das Haus meiner Mutter war nicht mehr mein Haus.

      Mein Haus war jetzt das kleine dänische Fahrzeug, das draußen im Fjord auf den tiefen Wassern schaukelte.

      Von nun an wohnte ich nur noch als Gast bei meiner eigenen Mutter!

      Diese Gedanken versetzten mich in eine so ernste, wehmütige Stimmung, daß ich es nicht beschreiben kann.

      Es wurde mir ganz eigentümlich zumute.

      Es kam mir vor, als sollte ich etwas ganz Neues werden, etwas ganz anderes, als ich bisher gewesen.

      Beunruhigt durch diese Gedanken, ging ich abends zu Bett.

      Ich schlief allein, oben in einem kleinen Dachstübchen, gerade über dem Zimmer meiner Mutter.

      Bald fiel ich in Schlaf. Aber jetzt begann meine Phantasie, aufgeregt durch die Ereignisse des Tages, ihr nächtliches Spiel.

      Die unheimlichen Geister der Nacht überfielen mich und jagten mich im gespenstischen Reich der Träume.

      Ein entsetzliches Alpdrücken quälte mich. Ein Traum löste den anderen ab, aber alle endeten mit Unwetter und Sturm, mit Blitz und Donner, mit blutrotem Himmel und wildem Wellenschlag, mit gähnenden Abgründen, mit Schiffbruch, Tod und Grauen.

      Endlich erwachte ich, ganz ermattet und wie in Schweiß gebadet.

      Ich setzte mich aufrecht ins Bett und schaute umher.

      Durch die schrecklichen Träume war ich noch voller Angst und ganz verwirrt.

      Was mochte das alles bedeuten?

      Waren es Warnungen? – Drohungen?

      Mein Gewissen rührte sich, als wenn es mir Vorwürfe machte oder Strafen androhte.

      Ein entsetzlicher Gedanke kam mir: Ob du wohl Gottes Freund bist?

      Verdiene ich überhaupt bei meinen Unarten, meinem Leichtsinn, meiner Trägheit, meiner Naschhaftigkeit, meinem Zorn Gottes Liebe?

      Doch, so kam mir ein Gedanke: Wäre es nicht auch möglich, daß Gott mich hat warnen wollen, nicht in die weite Welt hinauszugehen?

      Nein, ich darf es nicht wagen. Hier bei meiner Mutter bin ich in Sicherheit. Draußen lauert auf mich nur Unglück und Verderben.

      Ganz niedergeschlagen und mutlos stand ich auf.

      Es war Nacht, aber doch hell, wie die Sommernächte in Island es sind.

      Der Kopf brannte mir. Ich tauchte ihn daher tief ins Waschbecken und ließ ihn so lange in dem kühlenden Wasser, wie ich den Atem anhalten konnte.

      Nachdem ich mich gewaschen und angezogen hatte, ging ich leise die Treppe hinab.

      Im Hause war alles still. Vorsichtig öffnete ich die Tür und ging hinaus.

      Überall war tiefes Schweigen. Die ganze Stadt lag noch im Schlaf. Kein Laut war zu hören. Selbst die sonst so unruhigen Seevögel schienen noch alle zu schlummern. Nirgends sah ich eine Spur von ihnen.

      Ich wurde ergriffen von der geheimnisvollen Stille, die auf der ganzen Natur lag.

      Da hörte ich ein leises Geräusch. Mir schien, es kam von der anderen Seite des Hauses.

      Ich ging um die Ecke und fand hier eines unserer zwei Pferde, das auf der saftigen Wiese hinter dem Haus graste.

      Sobald es mich wahrnahm, erhob es den Kopf leicht zur Seite und schaute mich eine Weile an mit seinen großen Augen, die leuchteten, als wären sie von Glas.

      Langsam kam es auf mich zu, fing zutraulich an zu schnuppern an meiner Brust, an Armen und Händen, sogar am Gesicht.

      Ich patschte es leise an beiden Seiten des Kopfes. Das schien ihm zu gefallen. Putzig streckte es die dicken Lippen vor, als wollte es nach mir schnappen.

      Eine Weile standen wir beiden Freunde einander gegenüber. Ich war wirklich froh, in meiner Unruhe ein lebendes Wesen bei mir zu haben.

      Da kam mir unwillkürlich der Gedanke: Warum nicht jetzt einen Ritt den Berg hinauf wagen? Mein Pferdchen selbst schien ja mich einzuladen.

      Gedacht, getan. Ich nahm eine Schnurleine, legte das eine Ende dem Pferde ins Maul und paßte dabei gut auf, daß die Schnur unter die Zunge zu liegen kam. Dann band ich sie mit einem Knoten unter dem Kiefer fest, doch nicht zu straff, damit es nicht schmerzte. So hatte ich Zaum und Zügel in Ordnung; mehr brauchte es nicht.

      Um aufzusteigen, führte ich mein Pferdchen zum kleinen Hundehäuschen, wo unser treuer Fidel im besten Schlafe lag.

      Eben wollte ich auf das Häuschen treten, da wachte Fidel auf.

      Er öffnete das eine Auge und schaute, noch ganz schlaftrunken, mich an. Aber gleich schloß er es wieder, um weiterzuschlafen.

      »Fidel!« flüsterte ich ihm zu, »willst du nicht mit?«

      Nun schlug er beide Augen auf – rührte sich aber nicht weiter.

      »Bist du denn so faul, du kleiner Wicht?« sprach ich und stieß ganz leise mit dem Fuß an sein Haus.

      Jetzt hob er langsam den Kopf, sperrte das Maul weit auf, streckte die Zunge heraus und gähnte einen langgezogenen Ton hervor, als wollte er klagen, daß ich ihn so ohne weiteres in seiner Nachtruhe störte.

      Ich mußte ihm recht geben und versuchte nicht weiter, ihn aufzutreiben.

      Schließlich stand er aber doch auf, streckte sich krampfhaft aus, wedelte mit dem Schwanz und leckte mir die Hand.

      Ich streichelte ihn, und damit war es abgemacht, daß wir drei zusammen die seltsame Unternehmung machen wollten.

      Ich stieg auf das Pferd, und im Galopp ging es davon, den Berg hinan.

      Von