Nonni - Erlebnisse eines jungen Isländers von ihm selbst erzählt. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711446096
Скачать книгу
ich mich beunruhigen muß?«

      »Nein, ich glaube nicht. Ich bin im Gegenteil davon überzeugt, daß es Gott selber ist, der Ihren Sohn auf diesen Weg führt, und daß er auch über ihn wachen wird. Sie brauchen keine Angst zu haben.«

      Dann schloß er mit folgenden Worten, die großen Eindruck auf mich machten:

      »Ich glaube fest an eine höhere Macht, die alles in unserem Leben leitet. Es gibt keinen Zufall in der Welt. ›Die Würfel werden in den Schoß geworfen, aber der Herr verteilt sie‹, sagt die Heilige Schrift. Alles, was uns trifft, mag es angenehm oder unangenehm, groß oder klein sein, kommt von Gott und wird uns immer von ihm zu unserem Besten gegeben.«

      Ich war erstaunt über die Sicherheit, mit welcher Herr Magnusson sprach, und ich fühlte mich in meinem Entschluß, nach Frankreich zu reisen, mächtig gestärkt.

      Meine Mutter dankte dem Pastor für den Rat, den er uns gegeben hatte. Dann dankte auch ich ihm. Er zog mich etwas auf die Seite und drückte mir drei Taler in die Hand.

      »So«, sagte er, »da mußt du noch etwas Taschengeld haben auf die lange Reise. Halte dich nur immer an unseren Herrn und Gott. Er wird sich deiner annehmen.«

      Dann nahmen wir Abschied und ritten heim.

      Noch lange dachte ich nach über alles, was wir beim Pastor gesprochen hatten. Gott hatte etwas Wichtiges mit mir vor, dachte ich, und all mein Denken und Fühlen ging nun darauf aus, seinen geheimnisvollen Absichten zu entsprechen.

      Eins aber konnte ich nicht begreifen, wie Pastor Magnusson und Herr Thorson, beide erfahrene und kluge Männer, eine entgegengesetzte Ansicht über meine Auslandsreise haben konnten. Nun, sagte ich zu mir, du wirst schon sehen, wer von beiden recht hat, wenn du zu dem deutschen Herrn in Kopenhagen kommst, und vielleicht mehr noch, wenn du mal in dem fernen Frankreich bist.

      Mein Reitpferd hatte in den folgenden Tagen wenig Ruhe. Täglich ritt ich bald dahin, bald dorthin im Eyjafjördur herum. Überall, wohin ich kam, war das Erstaunen groß, sobald mein Vorhaben bekannt wurde. Manche gaben mir zu Ehren sogar ein kleines Abschiedsfest.

      Mein Geldtäschchen, das ich einst von einem französischen Jungen gegen eine Mundharmonika eingetauscht hatte, wurde immer schwerer. Jeder wollte beitragen zur Aussteuer für meine Reise. Es war zuletzt so voll von blanken Talern, daß ich mir ein größeres verschaffen mußte.

      Am schwersten fiel mir der Abschied von meiner Geburtsstätte, dem großen Hof Mödruvellir im Hörgatal. Hier hatte ich meine schönsten Kinderjähre verlebt. Auf dem Heimweg war ich so traurig, daß mir immer wieder die Tränen in die Augen stiegen.

      Als ich spät abends nach Akureyri zurückkam, es war in einer Mittsommernacht, war es noch so hell, daß ich die weitausgestreckte Reede überblicken konnte.

      Da auf einmal fuhr es mir wie ein elektrischer Schlag durch den ganzen Körper!

      Was sah ich dort im Hafen? – Ich hielt mein Pferd an und schaute genauer hin.

      Ja, es ist so! – Es ist »Valdemar«, das Schiff, das mich mitnehmen sollte!

      Ich hatte es gleich erkannt. Jedes Jahr kam es zu uns, und schon oft war ich auf das Verdeck geklettert, um von den kleinen Dingen zu kaufen, die es immer von Dänemark mitbrachte.

      Auf dem Schiffe war nämlich eine Kajüte in einen Kramladen umgewandelt.

      Also »Valdemar« war wirklich gekommen.

      Nie vorher hatte seine Ankunft einen solchen Eindruck auf mich gemacht wie heute.

      Früher empfand ich bei seiner Landung wohl Freude, weil ich einen lieben Bekannten wiedersah. Heute aber wurde es mir traurig ums Herz.

      Schnell ritt ich heim, stieg ab und ließ das Pferd zu der ihm bekannten saftigen Weide laufen. Ich ging hinein zur Mutter und sagte scheinbar gleichgültig:

      »Mutter, Kapitän Foß ist angekommen. Wann wird er wohl wieder abfahren?«

      »Einige Tage bleibt er hier, um seine Waren zu verkaufen. Aber er muß sich beeilen; die Eisberge nähern sich der Nordküste. Du mußt diese kurze Zeit benutzen, um von den Leuten hier in der Stadt Abschied zu nehmen und deine Sachen einzupacken.«

      »Wann gehst du aber zu Kapitän Foß, Mutter, um mich bei ihm anzumelden?«

      »Morgen früh, Nonni.«

      Am folgenden Tag ruderten wir hinaus auf die große Reede, wo der Segler »Valdemar« lag.

      Nach einer Viertelstunde lagen wir dicht an der pechschwarzen Schiffswand.

      Der Steuermann hatte uns kommen sehen und half uns hinauf.

      Die Mutter fragte ihn auf dänisch:

      »Ist Kapitän Foß an Bord?«

      »Ja, ich werde ihn sofort rufen.«

      Er stieg in die Kajüte hinab, wo Kapitän Foß hinter der Theke stand und seine Sachen an einige Isländer verkaufte. Der Steuermann löste ihn ab, und alsbald kam der Kapitän die enge Kajütstreppe herauf.

      Er sah gar nicht aus wie ein verwitterter Seemann, sondern eher wie ein vornehmer Beamter.

      Er war mittelgroß, sein Haar war schwarz, und er trug einen kleinen Schnurrbart. Aus seinen schwarzen, lebhaften Augen leuchtete ein scharf durchdringender Blick.

      Der Kapitän begrüßte meine Mutter höflich. Mir nickte er kurz zu. Dann sagte er:

      »Womit kann ich dienen?«

      »Herr Kapitän, ich möchte gern einen Augenblick mit Ihnen allein sprechen.«

      Sofort winkte er dem kleinen Schiffsjungen, der zur Seite stand, und ließ ihn drei Stühle auf das Vorderdeck bringen.

      Dann geleitete er uns dorthin mit den Worten:

      »Entschuldigen Sie, Frau, meine Kajüte ist im Augenblick besetzt, deshalb müssen wir uns mit einem ruhigen Plätzchen hier oben auf dem Deck begnügen.«

      Bald kam der Junge mit den Stühlen, und wir drei nahmen Platz.

      Das Wetter war herrlich, kein Lüftchen regte sich. Die breiten ruhigen Wellen hoben und senkten das Schiff ganz behaglich, ohne die spiegelblanke See aufzurühren.

      Meine Mutter begann nun:

      »Herr Kapitän, dies hier ist mein Sohn. Er soll ins Ausland reisen. Können Sie ihn mitnehmen nach Kopenhagen?«

      Der Kapitän dachte etwas nach, schaute mich an und fragte:

      »Wie alt ist Ihr Sohn?«

      »Zwölf Jahre, Herr Kapitän.«

      »Er scheint ein gesunder und aufgeschlossener Junge zu sein. Meinen Sie, er kann die Strapazen aushalten, die mit einer so langen Seereise, besonders in dieser Jahreszeit, verbunden sind?«

      »Ja, das kann ich ganz gut«, fiel ich ein.

      Der Kapitän schaute mich lächelnd an und sagte:

      »Schon gut, mein Junge; aber bedenke, der Herbst steht bevor; wir werden schwere Stürme durchmachen, bis wir nach Kopenhagen kommen.«

      »Das macht mir gerade Spaß«, erwiderte ich und fügte noch hinzu: »Es ist mir gar nicht bange vor hohem Seegang.«

      »Gut«, wandte der Kapitän sich an meine Mutter, »dann steht nichts im Wege. Doch alle Kojen sind besetzt. Wir sind für Mitreisende eben nicht eingerichtet. Deshalb müssen Sie für Matratze und Bettzeug selbst sorgen. Wir wollen dem Jungen eine Schlafstelle in der Kajüte zwischen mir und dem Steuermann einrichten. Da wird er am besten aufgehoben sein.«

      »Danke, Herr Kapitän. Es freut mich, daß Sie ihm dort ein Plätzchen einräumen.«

      »Sie können beruhigt sein. Sowohl der Steuermann wie auch ich werden ein wachsames Auge auf Ihren Sohn haben. Nur muß er versprechen, während der Fahrt streng zu gehorchen.«

      »Ja, Herr Kapitän, das verspreche ich«, fiel ich