Nonni - Erlebnisse eines jungen Isländers von ihm selbst erzählt. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711446096
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      Doch ist es besser, nicht weiter darüber nachzugrübeln, dachte ich.

      Ich mußte mit meiner Mutter sprechen. Sie war die einzige, die mir helfen konnte.

      Ich rief Fidel, schwang mich auf mein Pferd, und hinunter gings im Trab bis vor unser Haus, das ich nun für immer verlassen sollte.

      Abschied von der Mutter

      Ich trat ins Haus, ging durch die Küche und stieg die Treppe hinauf.

      So kam ich in meine Schlafkammer, ohne der Mutter zu begegnen. Sie war wohl im Wohnzimmer beschäftigt.

      Schnell brachte ich mein Bett in Ordnung. Wie oft, kam mir der Gedanke, werde ich das noch hier zu Hause tun?

      Mein Bett sollte ja schon heute an Bord des dänischen Schiffes gebracht werden.

      Als ich fast fertig war, hörte ich jemand die Treppe heraufkommen. Ich lauschte. Es waren die Tritte meiner Mutter.

      Sie kam an die Tür und klopfte an.

      Ich öffnete. Die gute Mutter trat herein.

      Ich war nicht wenig überrascht. In den Händen trug sie ein Kaffeebrett, auf dem eine unserer schönsten Tassen, gefüllt mit dampfendem Kaffee, stand; daneben ein Teller mit Butterbrot und leckerem Kuchen, den sie selbst gebakken hatte.

      Aber was in aller Welt sollte das bedeuten!

      Ich wurde ganz verlegen und beschämt.

      Nie zuvor hatte die Mutter mir solche Aufmerksamkeit geschenkt. Sie war überhaupt nicht gewohnt, ihre Kinder zu verzärteln oder zu verwöhnen. Und nun kam sie mit all den schönen Sachen selbst zu mir herauf.

      Was mochte sie dabei bezwecken?

      Sie sagte kein Wort, sah mich aber lächelnd an und stellte das Brett auf einen kleinen Tisch neben dem Bett.

      Ich war ganz gerührt. Ich faßte ihre Hand, drückte sie warm, führte sie an meine Lippen und küßte sie.

      Aussprechen konnte ich nur: »Liebe Mutter!«

      »Trink nun deinen Kaffee, Nonni, und komm dann zu mir herab, ich habe etwas Wichtiges mit dir zu reden.«

      Dann drückte sie mir die Hand, nickte lächelnd und verließ meine Kammer.

      Ich nahm die Tasse in die Hand. Mit großen goldenen Buchstaben standen darauf die zwei dänischen Wörter: Til Moder (Für die Mutter).

      Diese Tasse hatte ich vor einigen Jahren der Mutter als Sommergabe geschenkt.

      Auf Island ist es nämlich Sitte, am ersten Sommertag sich gegenseitig Geschenke zu geben, und so hatte ich meiner Mutter vor zwei Jahren am ersten Tag des Sommers diese Tasse geschenkt.

      Das hatte sich so zugetragen:

      Während der Wintermonate war in mir der Wunsch wach geworden, Vater und Mutter etwas Schönes als Sommergabe zu schenken. Weil ich aber kein Geld besaß, wußte ich nicht, wie ich mein Vorhaben ausführen könnte.

      Eines Tages nun hatte ich einen glücklichen Einfall.

      Mehrere Monate hindurch gab es zu Mittag eine isländische Delikatesse, Käfa genannt. Sie gab es anstelle der Butter.

      Wir hatten damals zu Hause einen Knecht, alttestamentlichen Namens Hosias. Wir beide verstanden uns sehr gut. Hosias war nun ein großer Liebhaber von Käfa.

      Als ich eines Tages beim Mittagessen bemerkte, daß er im Handumdrehen mit seiner Portion fertig war, gab ich ihm die Hälfte der meinigen.

      Er freute sich darüber, mir aber kam ein Gedanke, und ich sagte ihm, daß ich mit ihm allein sprechen möchte.

      Wir gingen in die Scheune neben dem Kuhstall, und da fand nun folgende Unterhaltung statt:

      »Sag mal, Hosias, du ißt gern Käfa, nicht wahr?«

      »Ja, Nonni, und wie!«

      »Nun gut. Dann laß dir einen Vorschlag machen. Wenn es dir recht ist, will ich dir jeden Tag meine Portion Käfa überlassen.«

      »Ist’s möglich? Willst du das wirklich, Nonni?«

      »Ja, Hosias. Nur mußt du dann auch etwas für mich tun.«

      »Und das wäre?«

      »Du mußt mir meine Käfa mit Geld bezahlen.«

      »Wieviel willst du denn dafür haben?«

      »Wieviel willst du geben?« fragte ich.

      »Sagen wir mal, für jede Portion einen Schilling?«

      »Gut«, sagte ich, »einverstanden.«

      Damit war der Handel abgeschlossen.

      Ich aß nun jeden Tag das Brot trocken und gab Hosias meine Käfa, er bezahlte mir jedesmal einen Schilling.

      So ging es ein paar Monate lang.

      Schließlich hatte ich so viel Geld, daß ich glaubte, es sei genug. Von da an aß ich wieder meine Käfa, und Hosias behielt seinen Schilling.

      Eines Tages ging ich nun mit meinem Gelde zu Herrn Möller, einem dänischen Kaufmann in der Stadt, und verlangte zwei schöne Sommergaben, eine für Vater und eine für Mutter. Herr Möller fragte: »Wieviel dürfen sie kosten?«

      »So viel«, sagte ich und legte alle meine Schillinge vor ihn hin.

      Der Kaufmann zeigte mir mehrere hübsche Sachen, darunter zwei große, schöne Kaffeetassen mit vergoldetem Rand. Sie kamen aus Dänemark. Auf der einen stand mit goldenen Buchstaben: Til Fader, auf der anderen: Til Moder.

      Sie gefielen mir so gut, daß ich sie gleich mitnahm.

      Einige Tage hielt ich die kostbaren Geschenke sorgfältig verborgen. Am Sommertag überreichte ich sie dann feierlich Vater und Mutter.

      Das alles kam mir wieder in Erinnerung, als ich die Tasse betrachtete, in der die Mutter mir eben den Kaffee gebracht hatte. Wie lieb und aufmerksam das doch war von ihr!

      Dafür schmeckte mir aber auch heute das Frühstück besonders gut.

      Als ich fertig war, ging ich zur Mutter hinab. Sie saß im Wohnzimmer und ließ mich neben sich Platz nehmen.

      »Mein lieber Nonni, du kannst dir wohl denken, welchen Schmerz eine Mutter fühlt beim Abschied eines ihrer Kinder. Wenn ich dich trotzdem fortreisen lasse, so tue ich es nur deshalb, weil ich überzeugt bin, daß es zu deinem Besten ist.

      Ich möchte dir einiges sagen, was mir sehr am Herzen liegt.

      Sei immer ehrlich und aufrichtig. Ich kann mich, Gott sei Dank, nicht erinnern, daß du jemals vor mir gelogen hast. Nun bitte ich dich, mein Kind, bleibe dabei, sei wahrheitsliebend und lüge niemals, auch nicht, um einer Strafe oder Beschämung zu entgehen. Das mußt du mir von ganzem Herzen versprechen.«

      »Liebe Mutter, ja, ich verspreche es dir. Ich werde nie die Unwahrheit sagen. Du kannst dich drauf verlassen, Mutter.«

      »Glaubst du auch imstande zu sein, alle deine guten Vorsätze zu halten?«

      »Ja, Mutter, das glaube ich ganz bestimmt. Ich werde sie alle halten, mein ganzes Leben lang.«

      Diese Worte sprach ich mit Nachdruck und Kraft. In meiner kindlichen Unerfahrenheit fühlte ich mich so sicher!

      Die Mutter lächelte, sah mich voller Liebe an und erwiderte:

      »Was du da sagst, ist gewiß ehrlich gemeint. Aber glaube mir, es wird nicht so leicht sein, wie du jetzt meinst. Du wirst Schwierigkeiten begegnen, von denen du keine Ahnung hast. Durch eigene Kraft kannst du dein Versprechen nicht halten.

      Daher achte darauf, was ich dir jetzt sage; es ist das Allerwichtigste. – Ich will dir ein Mittel angeben, das dir ganz sicher hilft, trotz deiner Schwachheit und Unerfahrenheit die Vorsätze zu halten. – Und was für ein Mittel ist das? Kannst du es erraten?«

      Da