Der Sport-Doc. Prof. Dr. Reinhard Weinstabl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Prof. Dr. Reinhard Weinstabl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783903236394
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gehen, würde ihm wohl ein extrem übler und abstoßender Geruch entgegenkommen und er könnte, dadurch angewidert, eventuell motiviert sein, mein wissenschaftliches Arbeiten unverzüglich zu unterbinden.

      Die hinterhältige Aktion verfehlte zunächst ihre Wirkung nicht. Professor Firbas kam tatsächlich Montagfrüh auf die Anatomie und als er am – eben nicht gekühlten – Kühlraum vorbeikam, strömte ihm der erwartet stechende Geruch, einhergehend mit einer unüberschaubaren Schar an Fliegen, entgegen.

      Natürlich wurde ich zur Rede gestellt, konnte aber die Causa aufklären und meine Unschuld beweisen. Ob die kurz darauffolgende Pensionierung des Leiters des Anatomielabors damit in direktem Zusammenhang stand, wurde nie erwiesen. Und war mir auch egal. Mir war aber ohnedies nur wichtig, dass ich meine Forschungsarbeiten fortsetzen und so Erfahrungen sammeln konnte, die andere schlichtweg nicht hatten. Zwar musste ich ab diesem Zeitpunkt in regelmäßigen Abstand direkt an Professor Firbas Bericht erstatten und wurde auch immer wieder bei meiner Arbeit kontrolliert, aber dagegen war ja nichts einzuwenden.

      Mir, als ehrgeizigem und aufstrebendem Jungarzt war bloß wichtig, Kollegen gegenüber einen Vorsprung an Wissen und Erfahrung zu haben und so auch Zugang zu Publikationen zu bekommen, die andere Ärzte nicht hatten.

      Ich war also fleißig, ich verdiente inzwischen auch gutes Geld und ich liebte seit jeher Boote, Yachten und schnelle, schöne Autos. Also musste es 1984 ein Porsche 3.0 Carrera sein. Der war schön, der war schnell und der war teuer – 175.000 Schilling waren vor mehr als drei Jahrzehnten immens viel Geld. Auch für junge, aufstrebende und an sich gut verdienende Ärzte.

      Klar, so ein internationaler Ärztekongress auf dem Arlberg lässt sich gerne mit ein paar netten Skitagen verbinden. Und wesentlich komfortabler und vor allem schneller in so einem Porsche 3.0 Carrera erreichen. Zumindest bis Kilometer 262,5 bei Mondsee. Regen, Aquaplaning und eine Leitplanke – und schon waren 175.000 Schilling geschrottet. Ich war halbwegs ok, mein Traumauto weniger und 125.000 Schilling, um den Porsche wieder in den Urzustand zu versetzen, hatte ich auch nicht mehr. Zum Glück hatte ich aber über private Kontakte die Möglichkeit, den Carrera halbwegs zusammenflicken zu lassen. Für 25.000 Schilling bei Porsche Krämer.

      Ernsthafte Bemühungen meinerseits, als Schauspieler in Hollywood zu landen, gab es nicht.

      Ja, ich und die Autos – Autos haben mich wie schon gesagt (ebenso wie Boote und Yachten) immer in den Bann gezogen. Die Ästhetik, der Sound, die Geschwindigkeit. Fast wäre ja sogar noch mehr daraus geworden. Bis zu meinem 16. Lebensjahr hatte ich eigentlich davon geträumt, Autorennfahrer zu werden. Den Strich durch diese Zukunfts-Rechnung machte mir ausgerechnet ein – ja, richtig –, ein Graphologe.

      Meine Mutter hatte meinen Bruder Christian und mich zu einem solchen Handschriften-Deuter geschickt. Er fragte mich gleich eingangs nach meinen Berufswünschen, und schnell schoss es aus mir heraus: „Chirurg, Autorennfahrer oder Schauspieler.“ Die Analyse des Mannes, dem ich meine jugendliche Handschrift zur Bewertung vorzulegen hatte, war eindeutig und (gottgewollt oder von Mutter bestellt) unmissverständlich:

      „Das mit dem Autorennfahrer, das kannst du vergessen. Dazu bist du nicht kaltschnäuzig genug. Aber Chirurg oder Schauspieler – ja das wäre möglich.“ Ernsthafte Bemühungen meinerseits, als Schauspieler in Hollywood zu landen, gab es nicht.

      Oder doch?

      In meiner Studienzeit verdiente ich nebenbei ein paar Schillinge als Statist in irgendwelchen Filmen, und eines Tages waren in Wien Dreharbeiten unter dem gleichermaßen bekannten wie (ob seiner polternden Art) gefürchteten Regisseur Michael Kehlmann angesagt. Ein dreiteiliger Film („Hiob“) stand auf der To-Do-Liste Kehlmanns und wir, also wir, die Statisten, wurden allesamt in Uniformen gesteckt. Ich erhielt den Auftrag, im Stechschritt über einen großen Platz zu gehen, und plötzlich rief Regisseur Kehlmann von seinem Kommandostuhl laut und mit einem Hauch an Derbheit: „Halt, halt, wer ist denn dieser Idiot? Der ist ja zu blöd wie ein Soldat zu gehen.“

      Ich wurde aus der Szene rausgeschnitten und tröstete mich damit, in dieser Zeit sehr brav und erfolgreich mein Studium voranzutreiben. Also packte ich meine Studienunterlagen zum Themenbereich „Histologie und Embryologie“ und suchte nach einem geeigneten Sitzplatz, um meine Zeit als Ersatz-Statist mit dem Lesen meiner Fachliteratur zu verbringen.

      Kaum hatte ich einen geeigneten Stuhl gefunden, saß plötzlich Regisseur Kehlmann, neben den ich mich frech bzw. unbedarft gesetzt hatte, bei mir. Kehlmann schaute ständig zu mir rüber und fragte mich auf einmal: „Hey, was lesen Sie denn da? Histologie und Embryologie? Na, so was, studieren Sie leicht gar Medizin?“

      Plötzlich stieg ich vom ausgemusterten Statisten zum interessanten Gesprächspartner Kehlmanns auf, und gleichsam ungefragt erzählte er mir seine Krankengeschichte: „Wissen Sie, die Ärzte in Bayern sind eine Katastrophe. Die haben bei mir Krebs diagnostiziert. In der Schweiz haben sie dann festgestellt, dass ich ganz was anderes habe.“ Wir vertieften uns dermaßen ins Gespräch, dass das Skript-Girl am Set schon unruhig wurde und zu drängen begann. Meine „Belohnung“: Er machte noch ein paar Drehs und Statistenaufnahmen mit mir und grüßte mich höchst freundlich zum Abschied.

      Nun ja, Talent für Hollywood war mir dennoch und trotz dieser lieben Erinnerung an einen großen Regisseur aus Wien nicht beschieden, aber immerhin. Abgesehen davon: Mein Interesse an der Medizin war ohnedies viel zu groß und größer als alle (nicht ganz ernsten) Ambitionen, eine Schauspielkarriere anzustreben.

      Schon zu Schulzeiten leistete ich meine Ferialjobs immer in Krankenhäusern ab. Ausgerechnet in den Ferien nach erfolgreich abgelegter Matura, an die meine Mutter offenbar nicht zu glauben gewagt hatte, war ich für keinen Ferialjob angemeldet. Also musste meine Mutter kurzfristig ihre Kontakte zum Verwaltungsdirektor des Krankenhauses in Amstetten nutzen und schon landete ich – nach erfolgreicher Intervention – als Krankentransporteur und „Bettenfahrer“ in der öffentlichen Institution. „Da lernst du auf jeden Fall sämtliche Facetten eines Spitals kennen“, freute sich der Verwaltungsdirektor mir mitzuteilen.

      Er wusste ja noch nicht, was er sich mit mir eingehandelt hatte. Ich wollte schließlich arbeiten. Und zwar wirklich arbeiten.

      Das wiederum ging meinen damaligen Kollegen mächtig gegen den Strich. Die waren nämlich in erster Linie – um es höflich zu formulieren – auf Optimierung bzw. Arbeitsstress-Minimierung programmiert.

      Besonders dem schon durch seine Körperfülle recht gemächlich wirkenden Rädelsführer der Entschleuniger war ich schnell ein Dorn im Auge, weil ich mit immer größerer Treffsicherheit dafür sorgte, dass die Patienten doch tatsächlich zur vorgesehenen Zeit im Operationssaal landeten und die Ärzte- und Schwestern-Teams dort nicht unnütz warten mussten. Und das mit einer erstaunlichen Systemoptimierung, die rund die Hälfte der Transporteure wegrationalisiert hätte.

      Ein junger Bursch, der für heftigen Wind sorgen wollte in einer Umgebung der völligen Windstille – nein, das ging gar nicht. Und schon war ich zum Rapport beim erwähnten Verwaltungsdirektor bestellt, der mich lobend ermahnte: „Keine Frage, was du da tust ist großartig, richtig und wichtig für unser Krankenhaus, aber bitte sieh‘ ein, das geht hier einfach nicht. Du sorgst unter den Kollegen für viel zu viel Unruhe.“

      Der Kompromiss war schnell gefunden und ich konnte schon leben damit. Der Verwaltungsdirektor bot mir allen Ernstes an, mich freizustellen und weiter mein Gehalt zu bezahlen. Ich willigte ein, alle waren glücklich bzw. wieder entschleunigt und mein Gehalt wurde brav weiter überwiesen.

      Während des Studiums habe ich mir also leicht getan in Bereichen, mit denen andere schwer zu kämpfen hatten. Anatomie, Schädel, Schultern. Mein Fleiß und meine immense Erfahrung, die ich schon sehr früh sammeln konnte, sollten später zur Basis meines chirurgischen Schaffens werden.

      Ein Nein kannte ich zu dieser Zeit nicht wenn es galt, Angebote zur Fortbildung und auch zur Arbeit anzunehmen.

      Der Wunsch, mich weiterzubilden und jeden Tag die erforderlichen Schritte zu einem Spitzen-Chirurgen zu machen war auch größer als die Angst. Auch als die Angst vor Krieg. 1983 stand die Welt im Bann des ersten Golfkrieges zwischen dem Iran und dem Irak. Das Klagen über 350.000 Tote auf beiden Seiten, über