Der Sport-Doc. Prof. Dr. Reinhard Weinstabl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Prof. Dr. Reinhard Weinstabl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783903236394
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dass ich in der 7. Klasse eine Bruchlandung hingelegt habe. Durchgefallen in Mathematik.

      Es sollte zu einer Art Schlüsselerlebnis für mich werden. Wie hatte doch einst mein Vater am Hafen von Kali zu mir gesagt: „Immer brav lernen …“

      Ich weiß nicht mehr genau, ob ich mich geschämt oder einfach nur geärgert habe: Aber, als wir uns zu Beginn des darauffolgenden Schuljahres zur traditionellen Schulmesse in Reih und Glied aufstellten und ich plötzlich nicht mehr neben jenen Kindern stand, die ich sieben Jahre neben mir stehen sah, machte es Klick bei mir.

      Irgendwie war ich wachgerüttelt. Ein Versager wollte ich wirklich nicht sein. Dabei war doch alles so einfach. Schon das bloße Erledigen und Abarbeiten der uns regelmäßig aufgetragenen Hausaufgaben reichte locker aus, ein Wissen anzueignen, das mich 1977 ohne weitere Probleme maturieren ließ. Nicht nur das: Mein Maturazeugnis war sogar das mit Abstand beste meiner gesamten neun Jahre in der Mittelschule.

      Geschafft. Ich war um eine weitere wichtige Erfahrung reicher. Eine andere (aus meiner Sicht kaum weniger aufregende) Erfahrung hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits hinter mir. 1973 hatte mein Vater in Dünkirchen zu arbeiten begonnen, was mir zwei Monate in der nordfranzösischen Hafenstadt bescheren sollte.

      Ich war 15, sie (ein liebes Mädel aus Deutschland) ein Jahr jünger. Und: Ich war immer noch 15, sie (ein liebes Mädel aus Frankreich) zwei Jahre älter. Welch grandiose Gelegenheit, französisch zu lernen!

      Andere Erfahrungen und – wenn man so will – Talente waren ebenfalls bereits ausgelotet. Dass der Berg hinter unserem Haus in Waidhofen an der Ybbs zum Skifahren einladen würde, war ja irgendwie aufgelegt, und den Tennisschläger nahm ich mit sieben Jahren zum ersten Mal in die Hand. Talent? Enden wollend, aber Tennis? Da sollte noch was kommen.

      Dazu später mehr. Auch zwei Jahre am Klavier hatte ich schon hinter mir. Immerhin, für die Mondscheinsonate von Beethoven sollte es reichen. Für viel mehr leider nicht. Dazu fehlte mir das vielzitierte absolute Gehör, und wenn es wenige Dinge im Leben gibt, die ich wirklich bedauere, dann gehört das Fehlen des absoluten Gehörs, das man halt in sich tragen muss, um ein großer Klavierspieler werden zu können, mit Sicherheit dazu.

      Nicht weiter verwunderlich daher, dass Chinas Ausnahmekünstler Lang Lang zu den von mir am meisten bewunderten Menschen unserer Zeit gehört. Du kannst so viel zum Ausdruck bringen am Klavier mit Musik. Du fühlst dich, als gäbe es gar keine Grenzen mehr.

      Lang Lang wurde und wird keiner aus mir, aber für den einen oder anderen netten Gesellschaftsabend im Rahmen internationaler Ärztekongresse mit Reinhard Weinstabl am Klavier sollte es reichen. Und dazu, die eine oder andere nette Bekanntschaft am und rund um das Klavier zu machen. Wie auch jene mit einer jungen, netten Jus-Studentin im Studentenheim, der ich immer wieder gerne zuhörte und die eines Abends von einem blonden jungen Burschen, kaum älter als 17, kritisiert wurde ob ihrer aus seiner Sicht limitierten Künste am Klavier. Sie war erkennbar irritiert und man konnte ihren Unmut spüren.

      Es endete, wie solche Provokationen unter jungen Menschen oft enden müssen: Der junge Mann griff eines Abends selbst in die Tasten und faszinierte meine Jus-Kollegin und mich mit einem brillant gespielten ersten Klavierkonzert von Liszt. Spätestens jetzt hatte ich erkannt: Ich war kein Wunderkind am Klavier, er hingegen schon …

      Immerhin, für die Mondscheinsonate von Beethoven sollte es reichen.

      So weit zu meinen Erfahrungen mit Skiern, mit dem Tennisracket und am Klavier. Auf andere Erfahrungen verzichtete ich (sehr gerne) zur Gänze: Auf das Bundesheer zum Beispiel. Irgendwie wollte ich mir und Österreichs Heer das ersparen und schob meine diesbezügliche Verpflichtung mit dem legitimen Hinweis auf mein Medizinstudium immer wieder nach hinten. Mit Erfolg.

      Erst mit rund 34 Jahren erhielt ich dann gleichsam meinen entsprechenden Marschbefehl. Dr. Gabor Somlai und Dr. Walter Dorner, später Präsident der Wiener und dann der Österreichischen Ärztekammer, waren seinerzeit große und machtvolle Player in der Welt der Mediziner und wollten mich partout als Arzt beim Heer sehen. Ach, wie groß war meine Erleichterung, als sich sieben Tage nach Einrückung bei einer Untersuchung herausstellen sollte, dass ich unter einer Pollenallergie zu leiden hatte. Die permanente Einnahmepflicht Cortison-haltiger Medikamente war freilich ein driftiger Freistellungsgrund.

      Sehr zu meiner Erleichterung und sehr zum Ärgernis von Dr. Walter Dorner, der sich dann auch drei Tage nach dem Befehl Zeit ließ, mich abrüsten zu lassen. Erst auf direkte Weisung aus dem Bundeskanzleramt sagte ich dem heeresgrauen Alltag auf Nimmer-Wiedersehen. Dr. Dorner machte seiner Erbostheit freilich nochmals Luft und er wirkte auf mich so verärgert und verdrossen, dass ich gar gröbere Probleme mit ihm und der Ärztekammer befürchtete.

      Hier und jetzt sollte ich zum ersten Mal (und das gleich am eigenen Leib) verspüren, dass auch Ärzte Menschen sind, und schnell hatte ich das Gefühl, dass auch sie offenbar nicht immer nur Gutes tun.

      Später kam sogar noch eine weitere Erfahrung dazu: Gepflegte weiße Mäntel und ein Doktortitel machen nicht gegen diverse Verhaltens-Auffälligkeiten immun, wenn es um Macht, Positionen und Geld geht.

      Eine Erfahrung, die ich nicht zum letzten Mal machen sollte …

      Wie auch immer: Mein Drang, ein guter Arzt werden zu wollen, war wesentlich stärker ausgeprägt als mein Drang, dem Heer dienen zu müssen.

      Ich habe gerne studiert. Ich war ehrgeizig und ich wusste nur zu gut, was und wohin ich wollte. Knochen-Kolloquium – das war meins. Nicht selten, dass ich bei Prüfungen im direkten Vergleich mit Kollegen wirklich brillieren konnte. Die Unfallchirurgie und der immerwährende Wunsch, ein sehr guter Chirurg werden zu wollen, trieben mich mit Regelmäßigkeit zur Höchstform.

      Als hätte ich es in die Wiege gelegt bekommen.

      So fern von der Früh-Programmierung war ich auch gar nicht entfernt. Meine Mutter war – wie gesagt – Hebamme, und das hatte eben zur Folge, dass ich beginnend mit meinem fünften Lebensjahr sehr häufig im Spital war. Ich habe dort gegessen, dort gespielt und sogar (was mir weit weniger Spaß gemacht hat) jeden Sonntag in der Spitalskapelle die Messe besucht.

      Meine Mutter war eine gute und eine sehr fleißige Hebamme. Sie begleitete auf ihrer Station mehr Kinder ins Leben als ihre drei Stations-Kolleginnen gemeinsam. Irgendwie bin ich im Krankenhaus ein Stück weit aufgewachsen. Immer schon fasziniert und interessiert an dem, was da abging. Action pur für einen heranwachsenden Buben in den frühen Sechzigern.

      Ich habe gerne studiert. Ich war ehrgeizig und ich wusste nur zu gut, was und wohin ich wollte.

      Vielleicht habe ich mich in jungen Jahren auch deshalb immer so wohlgefühlt im Krankenhaus, weil mir der Weg dorthin in so angenehmer Erinnerung blieb. Der Weg führte mich an einem Haus vorbei, aus dessen Fenster stets traumhafte Geigenmusik klang. Schon als kleines Kind konnte mich Musik in hohem Maße erfreuen. Oft blieb ich vor dem offenen Fenster einfach stehen, um ein wenig zu lauschen. Tag für Tag war die Musik ein Genuss für mich und schließlich entstammte diese auch nicht der Geige von irgendjemand, sondern der von Rainer Küchl. Der stand damals noch am Beginn seiner späteren großen Violin-Karriere, die ihn bis zu den Philharmonikern und in die Staatsoper führen sollte.

      Das Krankenhaus als meine ganz persönliche Wohlfühloase – das sollte sich auch während meines bereits angesprochenen Studiums und in den folgenden Ausbildungsjahren nicht ändern.

      Rasch mutierte mein Dienstzimmer zum Wohnzimmer und immer öfter war ich zur Stelle, wenn ein Alarm einging und schnell ein Arzt für eine Operation zur Stelle sein musste. Ich war leidenschaftlich und innerlich unaufhaltsam in meinem Dasein als Arzt. Andere waren hingegen dankbar, wenn sie gemütlich im Ärztezimmer sitzen bleiben konnten während ich, der Jungspund, deren Job übernahm.

      All das hat sich in den Jahren, die kamen und gingen, summiert. Zum Beispiel zu einem Erfahrungsschatz von rund 600 Hüftoperationen in der Ausbildung. So sehr ich in der Abdienung meiner Schulpflicht wahrlich keine große Bereicherung gewesen sein mag – jetzt auf dem Weg zum Traumberuf war ich voll da.

      In den Discos wurde ohne mich gelärmt, getrunken und getanzt. Ich wollte Arzt sein, ich wollte der Beste sein und ich