Der Sport-Doc. Prof. Dr. Reinhard Weinstabl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Prof. Dr. Reinhard Weinstabl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783903236394
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blickte an diesem Tag auf die ersten 50 Jahre seines Lebens zurück. Agnetha Fältskog, später als das erste A der Kultband ABBA zu Weltruf gelangt, durfte zu Hause acht Geburtstagskerzen ausblasen, und Colin Powell träumte an seinem 21. Geburtstag wohl noch nicht davon, 43 Jahre später als US-Außenminister angelobt zu werden. Sonst noch was?

      Eher nicht: Roger Moore war noch nicht James Bond, Steffi Graf und Thomas Muster waren noch lange nicht geboren, Viktor Klima war ein Schulbub. Das war er also, der 5. April 1958?

      Nicht ganz. Auch in Österreich wurde gefeiert. Oben auf dem Kahlenberg marschierte Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur und Sport an. Schließlich hatte der zweite Sender des ORF am 5. April 1958 seinen Betrieb aufgenommen.

      Und … auf der Geburtenstation des Landeskrankenhauses Waidhofen an der Ybbs hatten Ärzte und Hebammen nicht nur alle Hände voll zu tun, sondern ihre emotionale Aufmerksamkeit war an diesem Tag auch auf ein Haus, nur rund 150 Meter vom Krankenhaus entfernt, gerichtet. Schließlich lag dort eine der Ihren in den Wehen. Hebamme Elfriede, die sich für eine Hausgeburt entschieden hatte, war in froher Erwartung und ihr Mann Adolf, ein Fernsehtechniker, dementsprechend nervös.

      Alles gut, keine Komplikationen – Reinhard war geboren. Reinhard Weinstabl. Da war ich also. Heute nennen mich viele meiner Freunde einfach „Weindi“ oder „Reindi“ und ich blicke jetzt mal in den Rückspiegel. Nach rund 60 Jahren kann oder sollte man das gelegentlich tun. Ich lebte und ich lebe einen Traum und ich will euch einladen auf meine Zeitreise.

      Willkommen in meinem Leben. Nun, das mit der Geburt haben wir also ganz gut hingekriegt. Vielleicht war ja auch schon ein Hauch von Routine eingekehrt bei Elfriede und Adolf Weinstabl. Schließlich hatte 20 Monate davor schon mein Bruder Christian dieser Welt guten Tag gesagt.

      Von gröberen Problemen im Rahmen meiner Geburt wurde mir also nicht berichtet, und es sollte noch rund ein Jahr dauern, bis sich meine Eltern zum ersten Mal so richtig Sorgen um mich machen mussten.

      Ein Moment der Unaufmerksamkeit von meinen Eltern und schon hatte ich unbemerkt den Metallring eines Kinderbuchs verschluckt. Tagelang hatte ich gebrochen, kaum gegessen. Wie konnte ich auch, mit einem kleinen und unerkannten Metallring in der Speiseröhre. Irgendwie muss mein Vater eine Art Eingebung gehabt haben. Er drehte mich um, ließ mich kopfabwärts baumeln und klopfte mir auf den Rücken. Und, Schwups, da war er wieder, der kleine Metallring, und Klein-Reinhard war das Leben gerettet.

      Ich denke gerne an meine Kindheit zurück. Wiewohl mein Vater, der zuvor mit einem Elektrogeschäft in Amstetten und einer Putzerei in Waidhofen an der Ybbs wenig wirtschaftliches Geschick bewiesen hatte und infolgedessen neue Ufer erklimmen und daher viel im Ausland arbeiten musste, war ich ein glückliches Kind.

      Mama war immer da für mich. Ich denke auch gerne an die Urlaube in Grado zurück. Dort haben uns zwar immer gefühlte 100.000 Gelsen gestochen, aber was kümmern ein paar Gelsen einen 3-jährigen Buben, wenn er sonst so unbeschwert in der Adria planschen kann.

      Fast immer gemeinsam mit uns auf Urlaub war mein Freund Gunter Damisch, der damals in Grado auch noch nicht wissen konnte, ein paar Jahrzehnte später als einer der größten Maler des Landes Berühmtheit zu erlangen.

      Gunter und ich waren ein Herz und eine Seele. Ich weiß noch, dass er immer so niedlich gelispelt hat. Und eines Tages hat ihn im Meer eine größere Welle erfasst, und knapp bevor Hektik und Panik ob meines verschwundenen Freundes ausbrechen konnte, zog ihn sein Vater an einer Hand aus dem Meer. Gunter selbst blieb vergleichsweise cool und kommentierte die dramatischen Ereignisse mit verdattertem Blick auf seine Weise: „Na, so was Blödes, jetzt wäre ich fast ersoffen …“ Zwei Jahre nach meinem Hoppala mit dem Metallring hatte also auch mein lieber Freund seinen ganz persönlichen Schutzengel in Hochform.

      Ab 1965 verbrachten wir unsere sommerlichen Familienurlaube meist in Jugoslawien. Um präziser zu sein auf Ugljan, einer Insel im Archipel vor Zadar. Kali, ein kleines Fischerdorf auf Ugljan, hat einen wunderschönen Hafen. Ich war gerade mal neun Jahre, als ich mich bei einem Abendspaziergang von meiner Gruppe loslöste, und da stand sie plötzlich.

      Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen stand ich da und war einfach sprachlos: Dieses Boot hatte mich fasziniert: „So etwas will ich auch einmal besitzen“, habe ich meinen Eltern und den Begleitern vorgeschwärmt.

      Ja, sie: Eine wunderbare Motoryacht. Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen stand ich da und war einfach sprachlos: Dieses Boot hatte mich fasziniert: „So etwas will ich auch einmal besitzen“, habe ich meinen Eltern und den Begleitern vorgeschwärmt. Mein Vater nahm mich in den Arm und sagte: „Dann musst du immer brav lernen, dass du dir so etwas einmal leisten kannst.“

      Ich weiß nicht mehr genau, wie ich damals reagiert habe auf die väterliche Ansage. Vielleicht habe ich mir ja auch nur gedacht: „Reden wir in 36 Jahren weiter.“ Rückblickend glaube ich eher, dass ich mir damals gar nichts gedacht habe und – vor allem, das mit dem vielen Lernen und das mit dem Fleiß in der Schule, das war eben so eine Sache.

      Ich war schlecht in der Schule. Oder, genauer gesagt, sehr schlimm. Die Schul-Sprechtage müssen sich für meine Eltern angefühlt haben wie: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. „Dumm ist er ja nicht, der Reinhard, aber so furchtbar schlimm und frech …“ Immer wieder die gleiche Leier: Ich konnte mich schlichtweg nicht benehmen.

      Und, ich war nicht nur schlimm, sondern auch ein wenig verträumt als junger Bub. Ich musste wieder einmal aus disziplinären Gründen nachsitzen. Ausgerechnet an einem Samstag, wo man normalerweise um 11 Uhr die Rollbalken runtergelassen hätte und an diesem besagten Samstag quasi nur mir zu Ehren bis 12 Uhr Überstunden machte. Auf dem Weg nach Hause wurde ich dann zu allem Überdruss auch noch von einem typisch ländlichen Begräbnis in höchstem Maße abgelenkt. Irgendwie zog mich der ganze Aufzug samt Musik und Trauergemeinde in den Bann und ich schloss mich (freilich uneingeladen) einfach dem Zug bis zum Friedhof an, warf dann auch noch als Letzter eine Blume und Erde auf den Sarg und kam daher erst gegen 15 Uhr nach Hause. Das wiederum ließ meine Mutter, die sich nachvollziehbarerweise ob meines außerplanmäßigen Wegbleibens erheblich Sorgen um ihren Sohn machte, zu erzieherischen Sondermaßnahmen greifen.

      Na ja, das mit dem Gehorsam war generell so eine Sache bei mir. Und bei meinem Bruder Christian. Ich war – so denke ich – noch keine zehn Jahre alt, als sich mein Bruder und ich (wieder einmal) taub stellten, als uns unsere Mutter eines Tages verbot, das Haus zu verlassen. Gemeinsam mit unseren beiden Cousinen flanierten wir entlang des Ybbsflusses. Spielend und in Gedanken – lebhafte Kinder eben. Um dann doch schneller nach Hause zu kommen, gingen wir in der Fahrtrichtung entlang am Bankett. Plötzlich hörten wir in einer Linkskurve ein Geräusch. Und schon lag ich, nach Flug in hohem Bogen, in einem Brennesselhaufen. Was war passiert? Ein (wie sich später herausstellen sollte) betrunkener Mopedfahrer auf seiner Puch Pony 2 legte sich zu sehr in die Kurve, konnte sein Gerät nicht mehr halten und erwischte mich. Franz Zellhofer, so hieß der Mopedfahrer, flog ebenfalls in hohem Bogen und ohne Helm auf die Straße und rasch war er von einer tiefroten Blutlache umgeben. Er lag da, bewegte sich nicht, reagierte auf keine Zurufe von uns, und für uns Kids war das alles natürlich extrem spannend. Unsere ursprüngliche Vermutung, der Mann könnte tot sein, bewahrheitete sich nicht. Kaum erwachte er aus seiner Bewusstlosigkeit, begann er auf uns zu schimpfen.

      Unser Glück: Genau jetzt bog die Gendarmerie (die dort sonst nur zu allen heiligen Zeiten vorbeikam) um die Ecke, rief die Rettung und kümmerte sich um alles. Mein Bruder und ich kamen viel zu spät nach Hause und erzählten unserer Mutter kein Sterbenswort. Rund drei Wochen später kam die Nachbarin zu uns auf Besuch und sagte voller Sorge zu meiner Mutter: „Um Gottes Willen, ich habe im „Boten von der Ybbs“ gelesen, dass der Reinhard einen Unfall gehabt hat, wie geht’s ihm?“

      Meine Mutter hatte noch keine Ahnung und dachte zunächst an einen bösen, dummen Scherz. Und ich? Ich war um zwei Erfahrungen reicher: Ich hatte zum ersten Mal bei einem Unfall Blut gesehen. Was mich nicht wirklich geschockt hat.

      Und: Ich wurde zum ersten Mal in meinem noch jungen Leben in einem Zeitungsartikel erwähnt. Was ich eher cool fand. Das war sie im Großen und Ganzen, meine Kindheit. Lebhaft bis schlimm eben. Vier Jahre reine Bubenklasse in der Volksschule und meine