Der Sport-Doc. Prof. Dr. Reinhard Weinstabl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Prof. Dr. Reinhard Weinstabl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783903236394
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getrunken und getanzt. Ich wollte Arzt sein, ich wollte der Beste sein und ich hatte es verstanden, ebendiesem Ziel alles und zwar wirklich alles unterzuordnen. Ich war in meiner Studentenzeit auch sehr selektiv bei der Wahl meiner Freunde, und die Eltern meines damals besten Freundes, Stefan Berz, entwickelten mehr und mehr einen extrem positiven Einfluss auf mich und mein Leben. Ich liebte deren dezente, aber doch auch irgendwie gelebte Art der Noblesse und so kam es, dass uns Vater Wolfgang Berz, der wie seine Frau Lieselotte in mir fast einen Ziehsohn gesehen hatte, einmal für eine Fahrt in den Urlaub nach Frankreich einen Mercedes 280 E zur Verfügung gestellt hatte. Mit eleganter Karosse ging es an die Cote d‘Azur nach St. Tropez, zu noblem Essen (höchst entbehrliche Salmonellenvergiftung inklusive).

      An der Begleitung und Präsenz junger, schöner Mädchen mangelte es uns auch nicht wirklich. Familie Berz war so etwas wie eine Vorzeigefamilie für mich. Wohlhabend, aber nicht protzig, hoch intellektuell, begabt und ausgesprochen sozial. Sie waren es auch, die mich erstmals in Gourmet-Restaurants geführt hatten. Ich lernte das schöne Leben von seiner besonders schönen und schmackhaften Seite kennen. Gänseleber, Trüffel, gute Weine …

      Und durch Familie Berz und das spätere Schicksal von Familienoberhaupt Wolfgang Berz musste ich dann auch erstmals von einer, mir bis dahin unbekannten, Schattenseite erfahren. Ich lernte, wie es sich anfühlen muss, wenn auch Wirtschaftsgiganten von Politikern im Stich gelassen werden und so lernen müssen, Misserfolge zu bewältigen.

      Herr Dr. Berz machte große internationale Geschäfte mit der VÖEST und baute eines Tages ein Investment (wie er mir erzählte) auf einer Ausfallshaftung des Landes Niederösterreich, ausgesprochen durch einen mit viel Macht ausgestatteten Landespolitiker, auf. Die Partner strauchelten, Millionen gingen den Bach runter und an das Versprechen der Ausfallshaftung vermochte sich damals im Land Niederösterreich niemand mehr zu erinnern.

      Der ehrbare, erfolgsverwöhnte und wohlhabende Industrielle, dessen Ansinnen immer nicht nur der Erfolg der Firma, sondern auch das Wohlergehen der Mitarbeiter gewesen ist, wusste den Wert des Versprechens eines mächtigen Politikers nun ganz anders einzustufen. Auch das hatte ich also in noch recht jungen Jahren beobachten und lernen müssen. Versprechen, Ruhm, Geld und Erfolg können so vergänglich sein.

      Prägend waren während meiner Studienzeit auch die Monate auf der unfallchirurgischen Abteilung im AKH Wien unter Vorstand Professor Dr. Emanuel Trojan. Schon nach kürzester Zeit hatte ich immer wieder die Möglichkeit bekommen, viel Ambulanzerfahrung sammeln zu können.

      Den ganz Großen und Bekannten dieser Ärzte- und Chirurgen-Epoche lief ich regelmäßig über den Weg, lernte von Ihnen, saugte Wissen von Ihnen auf. Prof. Emanuel Trojan eben, oder auch Dr. Vecsei, Dr. Oppitz …

      Im März 1983 sollte ich dann mein Studium erfolgreich abschließen, und rasch führte mich mein Weg zu einer frei gewordenen Stelle im Lorenz-Böhler-Unfall-Krankenhaus und in weiterer Folge natürlich auch zu Universitäts-Professor Dr. Johannes Poigenfürst, damals der Gigant in der Sport-Traumatologie. Niki Lauda, Thomas Muster oder auch Franz Klammer zählten zu seinen Patienten.

      Klar, ich als junger Arzt habe den großen Dr. Poigenfürst verehrt. Ich habe immens viel von ihm gelernt und doch wunderte ich mich immer wieder über jenen Wesenszug, der einen neun Tage sein bester Freund sein ließ, um am zehnten Tag vermuten zu müssen, von ihm gar nicht gemocht zu werden. Wie auch immer, er war zweifelsfrei ein großer Mediziner. Und einer mit Prinzipien.

      Eines ruhigen Sonntags läutete am Krankenhaus-Empfang ganz hektisch ein sehr bekannter Wiener Opernsänger, der für sein Trachten-Outfit und die unüberhörbaren genagelten Schuhe bekannt war. Den renommierten Wiener Bariton und Operndirektor drückte oder zwickte es gerade irgendwo und er bestand auf nicht ganz freundliche und liebenswerte Weise darauf, unverzüglich Dr. Poigenfürst zu rufen.

      Der rasch etwas eingeschüchterte Stab an Empfangsdamen und Schwestern piepste den großen Dr. Poigenfürst an, im Wissen, dass dieser ob seines obligatorischen Mittagsschläfchens kaum reagieren würde. Nach einiger Zeit holte man also mich, um Dr. Poigenfürst darauf hinzuweisen, dass unten beim Empfang ein bekannter Wiener Opernsänger mit seinen genagelten Schuhen klappere und mächtig Unruhe erzeuge in Erwartung des Erscheinens seines prominenten Wahlarztes.

      Und während der Herr Bariton mehr und mehr seine Stimme strapazierte und Minute um Minute unfreundlicher und unerträglicher wurde, fasste ich mir ein Herz und holte vermeintlich sanft Prof. Poigenfürst aus seinem Tiefschlaf mit den Worten: „Herr Professor, unten tobt der Herr Opernsänger. Der ruft nach Ihnen.“

      Poigenfürsts Antwort fiel kurz aus: „Lasst ihn toben.“ Also ging ich nach weiteren rund 30 Minuten zum Mann mit den genagelten Schuhen, um ihm mitzuteilen, dass Dr. Poigenfürst noch auf der Station wäre und bald erscheinen würde. Nach einer Stunde stapfte dann Poigenfürst langsamen Schrittes auf den Opernstar zu und wurde von diesem fast demütig und freundlichst begrüßt mit den Worten: „Tausend Dank, Herr Professor, dass Sie sich so rasch Zeit nehmen konnten für mich.“

      Später nahm mich Dr. Poigenfürst mit väterlicher Geste zur Seite und sagte mir: „Siehst du, so macht man das.“ Ich war um eine weitere Erfahrung reicher und froh, dass nicht alle Prominenten so waren und so sind wie der Herr Opernsänger aus Wien.

      Erst einmal Arzt in einem renommierten oder bekannten Krankenhaus, lernt man viel und schnell. Auch, was Umgangsformen betrifft. Und diverse Eitelkeiten. Ein Klinik-Oberarzt, den ich aus Datenschutz-technischen Gründen und zur Vermeidung rechtlicher Probleme fortan immer als „Dr. Schulter“ anonymisieren werde, war in dieser Zeit ein von mir im Grunde geschätzter, aber auch nicht immer ganz pflegeleichter Kollege. Er liebte Kameras und öffentliche Auftritte über alles, war darüber hinaus Schulkollege von Niki Lauda und stets unfreundlich und despektierlich im Umgang mit Laudas Freund Willi Dungl.

      Als sich Niki Lauda, als Formel-I-Ikone natürlich auch schon vor rund drei Jahrzehnten einer der bekanntesten Österreicher, eines Tages verletzte und Willi Dungl seinen Besuch mit Lauda bei Professor Poigenfürst avisierte, herrschte entsprechend Aufregung im ganzen Krankenhaus und der Gang war richtig gesäumt mit hoffnungsfroh wartenden Ärzten, nach der Chance lechzend, eventuell ein Foto mit Niki Lauda zu erhaschen, oder gar als dessen Arzt auserkoren zu werden.

      Ich erarbeitete mir sehr rasch den Ruf, höchst fleißig im Aufbau medizinisch-anatomischer Präparate zu sein.

      Dungl und Lauda marschierten aber – alle anderen kaum wahrnehmend – auf Dr. Poigenfürst (den all das furchtbar kalt ließ) zu. In solchen Momenten und an solchen Tagen lernst du auch sehr rasch die andere Seite mancher „Götter in Weiß“ kennen. Wie auch immer, Poigenfürst hat mich in meiner Entwicklung ebenso geprägt wie mein Lehrer Professor Trojan. Der eine wie der andere waren große Vorbilder für mich.

      Zu dieser Zeit sammelte ich – auch für meine weitere Karriere – wichtige Erfahrungen an der Anatomie. Ich erarbeitete mir sehr rasch den Ruf, höchst fleißig im Aufbau medizinisch-anatomischer Präparate zu sein. Es war eine sehr intensive und spannende Phase im Bereich der Forschung für mich.

      Dazu war es erforderlich, Leichenteile zwecks weiterer Nutzbarkeit heraus zu operieren, und ich machte eine wissenschaftliche Untersuchung mit Schwerpunkt Schultereckgelenk. Dazu stellte ich den Bewegungsumfang dreidimensional dar, und um das zu bewerkstelligen, war es oft nötig, den Kopf abzutrennen, da ebendieser die dazu erforderlichen Aufbauarbeiten behinderte.

      Dieses Vorgehen wäre im Jahr 2020 – Stichwort Ethikkommission – absolut unvorstellbar, damals war das Wort Ethikkommission aber noch ein Fremdwort. Um Bewegungen standardisieren zu können war es von hoher Wichtigkeit, dass die Leiche immer in derselben Position verweilte. Wir schraubten also die Toten an einen Sessel, indem wir sie mittels Schraube durch die Wirbelsäule fixierten und hatten dermaßen freien Zugang für unsere Arbeit.

      Diese aus meiner Sicht extrem wichtige Forschungstätigkeit war aber dem damaligen Leiter des Anatomielabors ein Dorn im Auge und er setzte daher alles daran, um mich schnellstmöglich loszuwerden. Also ließ er sich etwas (besonders Geschmackloses und Niederträchtiges) einfallen.

      Er drehte – und es war zu dieser Zeit gerade Hochsommer – vor Beginn des Wochenendes im Kühlraum, wo die Leichen für die