Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740975739
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lügen! Sie haben sich das ausgedacht, um dieses erbärmliche Leben hier zu retten.«

      »Nein, Vater«, rief Thomas. »Pfarrer Trenker lügt nicht. Ich bin hier!«

      Max trat beiseite und gab den Weg frei. Franz Gruber stand mit offenem Mund da und konnte es nicht fassen, ihn zu sehen. Seine Arme sanken kraftlos herab und ließen Hubert Hirschler los.

      *

      Als die Männer auf den Hof gekommen waren, stand Franzi hinter der Gardine des Küchenfensters und sah Thomas. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie dachte an den vergangenen Abend, den ersten Kuß, die liebevollen Worte, die sie sich gesagt hatten. Tränen standen in ihren Augen, als sie sich den Moment in Erinnerung rief.

      Und dann die Erkenntnis, daß er der Sohn von Franz Gruber ist. Wie ein Keulenschlag hatte es sie getroffen, und Franzi hatte nicht gewußt, was sie mehr quälte, daß Thomas ihr nicht gleich die Wahrheit gesagt, oder daß sie sich ausgerechnet in ihn verliebt hatte.

      Nachdem ihr Vater und Großvater zusammen mit den anderen aufgebrochen waren, kam die Mutter in die Küche. Für Klara Hirschler war es auch ein Schock gewesen, daß ihre Tochter sich offenbar in den Sohn des Übeltäters verliebt hatte, der ihnen in den letzten Tagen das Leben zur Hölle gemacht hatte. Jetzt nahm sie Franzi in den Arm und strich ihr tröstend über das Haar.

      »Er ist net der einzige Bursche auf der Welt«, sagte sie.

      Das Madl schluchzte wieder auf. Die halbe Nacht hatte es wachgelegen und immer an ihn denken müssen.

      »Aber keinen wie Thomas…«

      Die Bäuerin holte tief Luft.

      »Auch wenn er net der Sohn vom Gruber wär’«, sagte sie, »es hätt’ doch gar keinen Zweck. Er lebt net hier, da wo du zu Haus’ bist. Denk’ dran, was du dir vorgenommen hast. Architektin willst’ werden, das ist doch ein ganz anderes Leben, als an der Seite eines Tischlers.«

      Franzi hörte kaum zu. Um sich abzulenken, machte sie sich schließlich an die Vorbereitung für das Mittagessen. Der Kirchgang würde heute ausfallen, aber trotz allem ging das Leben weiter, und man mußte sich damit abfinden.

      Aber immer wieder spähte sie zum Fenster hinaus. Mehr als drei Stunden waren die Männer jetzt unterwegs. Es wurde schon bald Nachmittag, doch zu sehen waren sie nicht.

      Der Braten schmorte in der Röhre, Gemüse und Kartoffeln wurden warmgehalten. Mutter und Tochter wechselten sich damit ab, aus dem Fenster zu schauen, ob Mann und Vater, Großvater und die anderen nicht endlich zu sehen waren.

      Was für ein Drama sich auf dem Jägersteigplateau abspielte, ahnten sie nicht.

      Franz Gruber war wie vor den Kopf geschlagen, als sein Sohn plötzlich vor ihm stand. Thomas ging langsam auf ihn zu, während die anderen mit angehaltenem Atem zusahen.

      Hubert Hirschler stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als Gruber ihn losließ, aber der Altbauer wagte nicht, sich zu bewegen. Erst als Thomas bei ihnen stand, machte er einen vorsichtigen Schritt weg vom Abgrund.

      Sebastian nickte ihm zu und bedeutete dem Alten, zu ihnen zu kommen. Aufatmend schloß Vinzent seinen Vater in die Arme.

      Thomas lächelte zaghaft.

      »Komm, Vater«, sagte er. »Der Spuk ist zu Ende.«

      Franz Gruber blickte ihn durchdringend an.

      »Warum machst du mit ihnen gemeinsame Sache?« fragte er, und Enttäuschung lag in seiner Stimme.

      »Weil es nicht richtig ist, was du tust«, antwortete der Sohn ernst. »Pfarrer Trenker hat recht. Großvater hatte auch glückliche Momente in seinem Leben, und die alte Geschichte gehört auf den Müll der Vergangenheit geworfen und vergessen. Du bist jedenfalls kein Racheengel, Vater. Und dann denke an Mama. Sie kommt um vor Sorge. Komm, laß uns nach Hause fahren. Die Hirschlers werden von einer Anzeige absehen, wenn du den Schaden ersetzt, den du angerichtet hast.«

      Der Bergpfarrer war neben sie getreten.

      »Es stimmt, was Ihr Sohn sagt«, erklärte Sebastian. »Mein Bruder ist Polizist, wie Sie ja wissen. Er wird die Anzeige gegen Sie zurückhalten. Ihr Wort, daß Sie für alles aufkommen, genügt. Es ist noch net zu spät. Nur müssen S’ ein Einsehen haben und diesen Wahnsinn hier beenden.«

      »Vater!« sagte Thomas eindringlich.

      Franz Gruber blickte ihn an, dann schaute er auf den Geistlichen und schließlich zu Hubert Hirschler hinüber. Er nickte.

      Dr. Wiesinger kam zu ihnen.

      »Herr Gruber, ich bin Arzt«, sagte er. »Ich möcht’ Sie gern’ untersuchen und Ihnen eine Spritze geben. Sind S’ damit einverstanden?«

      Der Tischler nickte wieder. Sebastian lächelte Thomas zufrieden an.

      »Komm, Vater«, wandte sich Vinzent an den Altbauern, »laß uns gehen.«

      Die beiden Männer wandten sich um und stiegen hinab.

      Nachdem Franz Gruber verarztet worden war, machten sich auch Sebastian und die anderen auf den Heimweg. Ihr Wagen stand noch am Hirschlerhof, also mußten sie zuerst dorthin. Vinzent und sein Vater saßen auf der Bank vor dem Haus. Sie blickten auf, als Gruber sich aus der Gruppe löste und zu ihnen kam.

      »Laß ihn«, sagte Sebastian, als Thomas ihm nacheilen wollte.

      »Was willst’ denn noch?« fragte der Altbauer, als der Tischler vor ihm stand.

      Franz Gruber sah ihn bedrückt an. Die von Dr. Wiesinger verabreichte Spritze hatte ihre Wirkung getan. Er war die Ruhe selbst.

      »Ich wollte mich entschuldigen«, antwortete Gruber. »Ich habe eingesehen, daß es ein Fehler war, überhaupt herzukommen, und was ich getan habe. Ich werde den Schaden voll und ganz ersetzen.«

      Hubert sah ihn einen Moment schweigend an. Dann stand er auf und griff in seine Hosentasche. Als die Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie die Kette mit dem kunstvoll gravierten Anhänger. Der Altbauer schaute das Schmuckstück an, dann streckte er die Hand vor.

      »Nimm«, sagte er. »Damit hat es angefangen. Ich hab’ die Kette all die Jahre versteckt. Vor der Maria und vor mir selbst. Jetzt, wo’s ein Ende hat, soll sie dir gehören. Auch ich will mich entschuldigen. Damals hab’ ich net anders gekonnt, und es tut mir leid, daß ich den Josef ins Gefängnis gebracht hab’. Aber meine Liebe zu Maria war stärker als alle moralischen Bedenken. Ja, ich hab’ Schuld auf mich geladen, aber glaub’ mir, Franz, auch ich hab’ darunter gelitten. Vielleicht können wir uns beide verzeihen. Du für das, was ich getan hab’, ich vergeb’ dir alles, was in den letzten Tagen geschehen ist.«

      Franz Gruber schluckte.

      Eine Entschuldigung, ein Einsehen, Unrecht getan zu haben – wie lange hatte er darauf gewartet!

      Er nahm dem Bauern die Kette aus der Hand und betrachtete sie. Dann gab er sie zurück und schüttelte den Kopf.

      »Gib sie deiner Enkelin«, sagte er. »Wenn jemand das Recht hat, sie zu tragen, dann Franzi. Schließlich ist die Maria ihre Großmutter.«

      Das Madl stand an der Tür und lauschte. Daß die Kette in der Familie bleiben sollte, freute die Bauerntochter. Aber viel lieber wäre ihr gewesen…

      »Ich habe noch einen Vorschlag«, hörte sie den Bergpfarrer sagen. »Wie wäre es, wenn die Kette bei Franzi bleibt und trotzdem auch im Besitz der Familie Gruber ist?«

      »Wie soll das denn gehen?« fragte der Tischler verblüfft.

      Sebastian lächelte.

      »Franzi, komm heraus«, rief er.

      Die Haustür öffnete sich, und das Madl trat heraus. Unsicher schaute es zu Thomas hinüber.

      »Komm, gib deinem Herzen einen Ruck«, forderte der gute Hirte von St. Johann sie auf.

      Thomas stand neben ihm, er schluckte, als er Franzi sah, und sein Herz klopfte bis zum Hals