Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740975739
Скачать книгу
Jetzt freute sie sich, daß sie doch noch ihrer Leidenschaft frönen konnte, und zog ihren Mann zur Tanzfläche.

      Thomas hatte sich ein Glas Wein bestellt. Er trank in kleinen Schlucken, unterhielt sich mit dem Dorfarzt, der ebenfalls mit seiner Frau an dem Tanzabend teilnahm, und schaute sich immer wieder um, ob er Franzi irgendwo entdecken konnte. Aber die Menge war zu groß. Alles wuselte durcheinander, und wenn er glaubte, sie gesehen zu haben, dann war das Gesicht auch schon wieder verschwunden.

      Dann sah er plötzlich Carola. Sie tanzte mit einem jungen Burschen am Tisch vorbei. Ihre Blicke begegneten sich, und das Madl lächelte ihm zu.

      Thomas Gruber schöpfte neue Hoffnung. Wenn die Freundin hier war, dann war es nicht unwahrscheinlich, daß Franzi sich ebenfalls hier aufhielt.

      Dr. Wiesinger und Elena waren auf die Tanzfläche gegangen. Der Gast des Pfarrhauses stand auf und schlenderte zur Theke hinüber, an der sich die Tanzunlustigen drängten. Er bestellte sich ein Glas Mineralwasser und hatte gerade davon getrunken, als Franzi an ihm vorüberging.

      »Guten Abend«, rief er ihr zu.

      Überrascht blieb sie stehen und sah ihn an.

      »Thomas!« sagte sie. »Na, willst’ mal erleben, wie wir Wachnertaler feiern?«

      Der junge Gruber nickte.

      »Ganz schön was los hier«, meinte er.

      Erleichtert hatte er festgestellt, daß sie ohne männliche Begleitung war. Das mußte zwar nicht unbedingt etwas heißen, aber es ließ ihm doch eine gewisse Hoffnung…

      Franzi stellte sich zu ihm.

      »Möchtest du etwas trinken?« fragte Thomas.

      »Gern’«, nickte sie.

      Er bestellte auf ihren Wunsch hin eine Weinschorle, und sie prosteten sich zu.

      »Bist’ allein hier?« wollte sie wissen.

      »Wenn du meinst, ob ich mit einer Frau da bin?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Nein, ohne Frau.«

      Sie lächelten sich an.

      »Und du?« fragte Thomas.

      »Mit meinen Eltern«, antwortete sie. »Aber die sitzen da hinten irgendwo. Wir fahren nur zusammen her und später wieder nach Hause.«

      »Wollen wir tanzen?«

      »Aber sicher«, erwiderte Franzi. »Deshalb sind wir ja schließlich hier, oder net?«

      Er nahm ihre Hand und führte sie zur Tanzfläche. Die Kapelle spielte einen Foxtrott, und es stellte sich heraus, daß Thomas ein ziemlich guter Tänzer war. Franzi genoß es richtig. Auch sie hatte die Hoffnung gehabt, ihn hier zu treffen. Trotz der Aufregung auf dem Hof, war sie mit ihren Eltern hergekommen. Nachdem die Kühe wieder eingefangen und in den Stall gebracht worden waren, hatte die Familie überlegt, ob sie an diesem Wochenende das Tanzvergnügen nicht besser ausfallen lassen sollten. Doch Franzis Vater hatte schließlich den Kopf geschüttelt.

      »Hochwürden ist auch der Meinung, daß Gruber sich heut’ nacht ruhig verhalten wird«, erklärte er. »Wir haben also keinen Grund, hier herumzusitzen und darauf zu warten, daß etwas passiert. Eine vergeudete Nacht reicht mir.«

      Und nun tanzten sie miteinander. Sie wußten nichts voneinander, aber beide spürten, daß es etwas gab, das sie verband. Franzi und Thomas blieben noch die nächsten drei Musikstücke auf der Tanzfläche, dann machten die ›Wachnertaler Bu’am‹ eine Pause, und sie gingen vor die Tür. Wie selbstverständlich hielten sie sich an den Händen, und als sie sich in die Augen schauten, pochten ihrer beider Herzen im Einklang.

      »Glaubst du an die Liebe auf den ersten Blick?« fragte Thomas mit belegter Stimme.

      »Bis gestern net«, antwortete Franzi. »Aber dann hab’ ich dich gesehen und wußte, daß es sie doch gibt…«

      Er zog sie an sich und beugte seinen Kopf zu ihr. Sie strahlte ihn an und öffnete ganz leicht den Mund. Dann legte sie ihren Arm um seine Schulter, und Thomas küßte zärtlich ihre Lippen.

      *

      Franz Gruber umrundete das Bauernhaus. Alles war dunkel. Er hatte über zwei Stunden in den Büschen gehockt und hinübergeschaut. Als er sicher war, daß sich nichts rührte, war er auf das Grundstück geschlichen. Das erste, was ihm auffiel war, daß das Auto von Vinzent Hirschler nicht an seinem Platz neben der Scheune stand. Er vermutete ganz richtig, daß der Bauer mit seiner Frau nach St. Johann gefahren war. Bestimmt hatten sie die Tochter auch mitgenommen. Gruber lauschte einen Moment an der Tür zum Anbau, aber da rührte sich auch nichts.

      Er lief zur Scheune hinüber und öffnete die Tür. Unbekümmert drehte er den Lichtschalter und stieg zum Heuboden hinauf. Die Flasche mit dem Feuerzeugbenzin steckte in seiner Hosentasche. Aber Gruber hatte nicht die Absicht, die Scheune anzuzünden.

      Er war ja kein Brandstifter!

      Aber eine Rolle sollte das Benzin schon spielen…

      Er warf mehrere Strohbündel hinunter, die auf dem Boden gelagert wurden. Anschließend schleppte er sie auf die Straße, wo er sie in Abständen von einigen Metern ablegte. Er nickte zufrieden, während er das Benzin darüber verteilte. Schließlich holte er sein Feuerzeug heraus und steckte die Strohbündel in Brand.

      Sofort schlugen Flammen daraus empor, und beißender Qualm machte sich breit. Gruber rannte auf den Hof zurück. Mit einem Knüppel, den er gefunden hatte, schlug er gegen die Tür des Anbaus.

      »Hirschler, raus mit dir!« brüllte er dabei. »Los, zeig’ dich!«

      Drinnen hatte Hubert Hirschler in seinem Bett gelegen. Durch das Geschrei aufgeschreckt, zog er sich hastig an.

      Er konnte sich schon denken, wer da draußen herumbrüllte, aber als er die Tür öffnete, war von Franz Gruber nichts zu sehen.

      Aber der Altbauer nahm den Brandgeruch wahr.

      Hat der Kerl jetzt das Haus angezündet? ging es ihm durch den Kopf.

      Er sah nach oben zum Dach, aber da war kein Feuer. Der Lichtschein kam von der Straße her, die Rauchentwicklung war enorm. Hubert Hirschler stolperte über den Hof.

      »Bist’ jetzt ganz und gar narrisch geworden?« rief er. »Hast’ den Verstand verloren? Wie weit soll dein Haß auf mich noch geh’n?«

      »Bis du endlich bekennst, was für ein Verbrecher du bist!« kam es von irgendwoher zurück.

      Der Altbauer konnte nicht ausmachen, von wo Gruber rief. Aber das war im Moment auch seine geringste Sorge. Zwar standen die brennenden Strohballen auf der Straße, aber Hubert Hirschler befürchtete, daß die Flammen doch auf das Haus oder die anderen Gebäude übergreifen konnten. Sobald Wind aufkam, würde er das Stroh aufwirbeln und durch die Gegend fliegen lassen.

      Doch wo sollte er zuerst löschen?

      Hirschler zählte insgesamt zwölf Flammenherde. Alleine konnte er da gar nichts ausmachen, er mußte die Feuerwehr alarmieren.

      »Wart’ nur, wir kriegen dich schon noch«, rief er in die Dunkelheit hinter dem Hof, wo er Gruber vermutete.

      »Dann kommt die Wahrheit endlich ans Licht«, kam es zurück.

      Der Bauer hastete über den Hof. In seiner Wohnstube stand das Telefon auf einem kleinen Schrank. Mit zitternden Fingern wählte er die Notrufnummer. Er hatte kaum gesprochen und wieder aufgelegt, als auch schon die Feuersirenen durch das Wachnertal klangen.

      Es war ein schlimmer, Unheil verkündender Ton, der jedem, der ihn hörte, durch Mark und Bein ging. Bedeutete der Alarm doch nichts anderes, als daß irgendwo Gefahr für Leib und Gut bestand.

      Durch den Anruf war nicht nur die Wehr in St. Johann aufgerufen, zu löschen, sondern auch die in Engelsbach und Waldeck. Alle drei Dörfer unterhielten jeweils einen Löschzug, und wenn es brannte, dann galt es zusammenzustehen und den Brand gemeinsam