Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740975739
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dachte sie und ging weiter.

      Es handelte sich um einen Jeep, der Fahrer lag unter dem Wagen. Seine langen Beine schauten an der Vorderseite darunter hervor, seine Füße steckten in so etwas wie Cowboystiefeln, und er hämmerte gegen irgendwas, die Motorhaube war geöffnet.

      »Hallo?« rief Kathi. »Kann ich vielleicht helfen?«

      Der Mann ächzte und kam unter dem Wagen hervorgekrochen, dann starrte er sie verblüfft an. In der rechten Hand hielt er einen Hammer.

      »Oh, hallo«, nickte er und rappelte sich auf. »Vielen Dank für das Angebot, aber ich hoff’, ich hab’s selber wieder hinbekommen.«

      Er lächelte sie an, und Kathi blickte fasziniert in sein bärtiges Gesicht.

      »Ist was?« fragte der Mann.

      Sie fühlte sich irgendwie ertappt und bemerkte, daß sie rot wurde. Kathi wurde jetzt erst recht verlegen, weil der Fremde es ebenfalls bemerkte.

      »Übrigens«, sagte sie rasch, wobei sie auf den Jeep deutete, »wenn man eine Panne hat und liegenbleibt, sollte man zumindest die Warnblinkanlage einschalten. Oder ist es da, wo Sie herkommen, anders geregelt?«

      Aus seinem Lächeln wurde ein breites Grinsen.

      »Nein«, schüttelte er den Kopf, »in Afrika ist es auch net anders als hier.«

      Er deutete auf ihr Auto, dessen Scheinwerfer warnend blinkten.

      »Ich hab’s vergessen«, fuhr er fort. »Aber Sie haben’s für mich getan. Vielen Dank.«

      Als er Afrika erwähnte, sah Kathi ihn noch interessierter an.

      »Schon gut«, sagte sie. »Glauben S’ denn, daß Sie noch damit fahren können, oder sollen wir einen Abschleppdienst rufen?«

      »Abschleppen? Ihn?«

      Der Fremde wirkte beinahe empört.

      »Niemals«, sagte er. »Meinen guten, alten Gefährten repariere ich selbst. Das bin ich ihm schuldig.«

      Er schaute auf die Uhr.

      »Tja, tut mir leid«, setzte er dann hinzu, »ich hätt’ mich noch gern’ mit Ihnen unterhalten, aber ich bin spät dran.«

      Er nickte ihr zu, klappte die Motorhaube nach unten und schwang sich hinter das Lenkrad. Der Motor heulte auf, als der Mann ihn startete, und aus dem Auspuff kam eine dicke, weiße Rauchwolke. Kathi ging unwillkürlich einen Schritt beiseite, um den Gestank nicht einzuatmen. Der Mann winkte und fuhr los.

      Wer ist das denn bloß? fragte sich die junge Frau, während sie selber wieder einstieg.

      Fährt einen alten Jeep mit ausländischem Kennzeichen, spricht aber selber Deutsch, sogar mit Dialekt, ist offenbar in Afrika gewesen. Alles in allem machte er einen sympathischen und interessanten Eindruck.

      Aber auch einen geheimnisvollen.

      Ob ich ihn wohl mal wiedersehe?

      Nachdenklich fuhr sie weiter. Die Begegnung beschäftigte Kathi Steingruber immer noch, als sie auf den väterlichen Hof fuhr.

      Der Mann interessierte sie, gerade weil er so geheimnisvoll auf sie wirkte...

      *

      Tobias schmunzelte immer noch, als er in die Straße einbog und vor seinem Haus hielt. Während er vorweg gefahren war, hatte er das Madl im Rückspiegel beobachtet.

      Fesch war es, ohne Zweifel!

      Er grübelte darüber nach, ob er die junge Frau vielleicht von früher kannte. Schließlich war er hier geboren und aufgewachsen, und in der Zeit, bevor er fortgegangen war, hatte er viele Freunde hier gehabt.

      Aber so genau wußte er nicht, ob sie sich kannten. Vermutlich waren sie nicht mal ein Jahrgang, so daß die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß war.

      Aber die Begegnung hatte ihm gutgetan und gezeigt, daß das Leben weiterging, trotz allem, was hinter ihm lag...

      Der Heimkehrer hatte, nachdem Max Trenker gegangen war, seine Sachen aus dem Jeep geladen und erst einmal im Hausflur gestapelt. Ohne Wasser und Strom konnte er überhaupt nicht anfangen, also war Tobias als nächstes in die Stadt gefahren und hatte beides angemeldet. Auch das Telefon sollte in den nächsten Tagen wieder freigeschaltet werden. Solange genügte ihm sein Handy.

      Nachdem die Besorgungen erledigt waren, hatte er in einem kleinen Lokal etwas gegessen und hinterher ein paar Sachen eingekauft. Die Tasche in der Hand, betrat er nun den Flur und stieg über Koffer, Reisetaschen und Kartons hinweg. Als er in der Küche den Lichtschalter drückte, flackerte die Lampe kurz auf, dann brannte die Glühbirne.

      Die Stadtwerke hatten schnell reagiert. Auch Wasser war da, und Tobias ließ es eine Weile laufen, bis sich die dunkle, trübe Brühe in eine kristallklare Flüssigkeit verwandelt hatte.

      Und dann ging es ans große Aufräumen.

      Da er die meisten Sachen damals verkauft oder verschenkt hatte, gab es in der Küche nur noch einen alten, wackligen Stuhl und das alte Büffet seiner Großmutter. Immerhin war der Herd noch da, und ein paar Kochtöpfe, die unten im Schrank standen.

      Zuerst staubte Tobias den Herd ab, machte Wasser heiß und suchte nach einem Gefäß. Er fand einen zerbeulten Blecheimer, goß das Wasser hinein und gab Putzmittel dazu. Das hatte er vorsorglich eingekauft. Ebenso Bürsten, Spüllappen und Reinigungstücher.

      Einen Moment stand er da und wußte nicht, wo er zuerst anfangen sollte. Acht Zimmer hatte das Haus, und jedes einzelne war seit damals nicht mehr geputzt worden.

      »Na ja, irgendwo wirst beginnen müssen«, murmelte er und fing an, die Küche zu putzen.

      Tobias hatte gerade den Fußboden gewischt, als es an der Haustür klopfte. Er stellte Eimer und Wischmop beiseite und ging durch den Flur.

      »Grüß dich, Tobias«, sagte Pfarrer Trenker lächelnd, als die Tür geöffnet war. »Herzlich willkommen in der alten Heimat.«

      »Hochwürden! Vielen Dank.«

      Er wischte seine Hände an der Jeans ab.

      »Kommen S’ herein«, sagte der Heimkehrer. »Leider bin ich noch net so eingerichtet, daß ich Ihnen was anbieten könnte. Und am besten geh’n wir auf die Terrasse, da steh’n nämlich noch die Gartenmöbel.«

      »Mach’ dir bloß keine Umstände«, lachte Sebastian und trat ins Haus.

      Tobias hatte einen feuchten Lappen mitgenommen und wischte die Stühle und den Tisch ab. Die Möbel waren aus Holz und hatten die Jahre auf der Terrasse erstaunlich gut überstanden.

      Dann saßen sich die beiden Männer gegenüber, und der gute Hirte von St. Johann schaute Tobias fragend an.

      »Erzähl’«, forderte er ihn auf. »Wo hast’ all die Jahre gesteckt? Und wie ist’s dir ergangen?«

      Die blauen Augen seines Gegenübers schienen sich für einen winzigen Moment zu verdunkeln. Tobias hatte sich zurückgelehnt und die Füße ausgestreckt.

      »Das ist so eine lange Geschichte«, erwiderte er. »Ich weiß gar net, wo ich eigentlich anfangen soll...«

      »Am besten am Anfang«, meinte der Bergpfarrer schmunzelnd.

      »Ja«, nickte Tobias Berghofer, »der Anfang...«

      Er beschloß, es kurz zu machen und berichtete davon, wie er, kurz nach der Beerdigung seiner Mutter, mit der er bis zu deren Tod hier im Haus gelebt hatte, den Entschluß faßte, St. Johann zu verlassen und sich damit den Traum zu erfüllen, den er schon träumte, seit er die ersten Bücher über Afrika verschlungen hatte.

      Schon immer hatte der Schwarze Kontinent ihn gereizt, und nun gab es nichts mehr, was ihn in der Heimat noch halten konnte.

      Indes hatte Tobias, wie er jetzt zugab, sein Vorhaben mit sehr naiven Vorstellungen gefaßt. Nachdem hier alles geregelt war, Paß- und Impfformalitäten, fuhr er mit dem Auto nach München.