»Mensch, das ist ja ein Ding!« stieß Schober hervor.
»Leider hat die Sache einen Haken«, schränkte Martin Ernst ein. »Was allerdings auch wieder für die Annahme spricht, daß es sich um unsren Mann handelt. Er scheint nämlich ständig unterwegs zu sein. Vorteil für uns ist dabei, daß er mit einem Handy telefoniert und die österreichischen Kollegen es orten konnten. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um ein registriertes Gerät, sondern um eines, in das man eine gekaufte Karte steckt und den Betrag abtelefoniert.«
Die drei Beamten diskutierten die Neuigkeit eine Weile durch. Die Tatsache, daß Thorsten Gebhard immer von anderen Orten aus Österreich angerufen hatte, erschwerte es natürlich, ihn einzukreisen. Vermutlich war er mit einem Auto unterwegs, denn die Abstände, in denen er telefoniert hatte, waren immer größer geworden. Der Mann mußte ja damit rechnen, daß der Anschluß von Maria Berger abgehört wurde, und ging mit großer Vorsicht zu Werke.
»Das Beste wird es sein, wenn ich den Chef informiere«, sagte Martin Ernst schließlich und griff zum Telefon.
Wolfgang Hellwig nahm das Gespräch sofort entgegen. Nach dem Zusammentreffen mit Maria Berger in der Kirche, war er in seine Pension zurückgegangen. Er mußte einen Augenblick Ruhe haben, um seine durcheinander gebrachten Gefühle wieder zu ordnen. Aber die Frau wollte ihm einfach nicht aus dem Sinn gehen.
»Mensch, Junge, jetzt bleib aber auf dem Teppich!« rief er sich zur Ordnung, als er auf dem Bett lag. »Das fehlte noch, daß du dich, als ermittelnder Beamter, in die Tatverdächtige eines Verbrechens verguckst!«
Indes mußte er sehr schnell feststellen, daß er gegen seine Gefühle machtlos war. Deshalb versuchte er, sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren.
Was, fragte er sich, machte ihn eigentlich so sicher, daß Thorsten Gebhard tatsächlich nach St. Johann kommen würde?
Schließlich konnte er ja gar nicht wissen, daß Maria Berger in ihre alte Heimat gefahren war.
Und warum glaubte er, daß der Millionendieb überhaupt Kontakt mit ihr aufnehmen wollte? Um sich dann mit Maria doch noch irgendwohin abzusetzen, wo sie sicher waren und das Geld ausgeben konnten?
Bei nüchterner Überlegung wurde ihm klar, daß er keine Antwort auf diese Fragen wußte. Und einen sicheren Platz gab es nur scheinbar. Dreißig Millionen Euro, das war ein Betrag, der allerhand lichtscheues Gesindel anzog. Gebhard mußte sich unter Umständen darauf gefaßt machen, daß er einen ganzen Rattenschwanz von Gaunern hinter sich her zog, die nichts unversucht ließen, um ihm das Geld wieder abzunehmen.
Als sein Handy klingelte, schreckte der Beamte hoch. Er nahm den Anruf entgegen und hörte sich an, was Martin Ernst zu berichten hatte. Also doch! Auch wenn noch der letzte Beweis fehlte, es sah ganz danach aus, als wenn der Dieb versuchte, mit seiner – er scheute sich, diese Bezeichnung auch nur zu denken – Geliebten Kontakt aufzunehmen!
»Und jetzt, Chef?« fragte der Kollege in München.
»Natürlich wird der Anschluß weiterhin überwacht«, ordnete Hellwig an. »Und ich halte hier die Stellung. Gebt mir sofort Bescheid, wenn er sich wieder meldet, und versucht vor allem herauszufinden, von wo aus er anruft.«
»Geht klar«, verabschiedete Ernst.
Wolfgang legte das Mobiltelefon wieder auf den Tisch und fuhr sich müde über das Gesicht.
Was war zu tun?
Der Gedanke, daß Maria Berger ihr Handy nicht eingeschaltet hatte, lag auf der Hand. Deswegen versuchte Gebhard ja immer wieder, sie zu erreichen.
»Ich muß sie irgendwie dazu bringen, daß sie es einschaltet«, murmelte er vor sich hin.
Aber würde Maria es auch wirklich machen?
Kurz entschlossen griff er zu dem Verzeichnis, das er im Zimmer vorgefunden hatte. Darin stand unter anderem auch die Telefonnummer des Pfarrhauses. Sein Herz klopfte heftig, als er wählte.
*
»Ja, es war wirklich nur eine Frage der Zeit, bis du den Herrn Hellwig hier treffen mußtest«, nickte Sebastian Trenker, nachdem Maria ihm davon erzählt hatte. »Immerhin ist seine Aussage, daß sich der Verdacht gegen dich abschwächt, schon mal sehr positiv zu sehen.«
Die junge Frau schaute nachdenklich vor sich hin.
»Glauben Sie wirklich, daß Thorsten hierherkommen will?«
Der Geistliche zuckte die Schultern.
»Wenn er es denn ist, den man in Österreich erkannt zu haben glaubt«, erwiderte er. »Aber was sollte er hier? Für ihn wäre es doch wirklich besser, wenn er weiter geflohen wäre, als bis ins Nachbarland.«
Sie saßen im Wohnzimmer des Pfarrhauses. In der Küche war Sophie Tappert mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt, und vor kurzem war Silke Brandner nach Hause gekommen.
»Weiß Thorsten, daß du aus St. Johann stammst?« fragte Sebastian.
Maria nickte.
»Ja, ich hab’ es ihm mal erzählt«, antwortete sie. »Und einmal hat er sogar vorgeschlagen, hierher zu fahren und sich alles anzuschauen. Aber irgendwie ist es dann doch net dazu gekommen.«
»Ich überlege, welche Motive er haben könnte, daß er sich der Gefahr aussetzt, hier geschnappt zu werden, als weit weg in Sicherheit zu sein«, fuhr der Bergpfarrer fort. »Und ich frage mich, ob er wohl inzwischen versucht hat, sich mit dir in Verbindung zu setzen. Ich bin überzeugt, daß sein Handeln etwas mit dir zu tun haben muß.«
»In München hat er’s jedenfalls net getan. Da haben immer nur aufdringliche Reporter angerufen. Ich bin ja nachher gar net mehr ans Telefon gegangen.«
»Und dein Handy?«
»Das ist seit Tagen net eingeschaltet.«
Draußen klingelte das Telefon. Ehe Sebastian aufspringen und hinausgehen konnte, stand seine Haushälterin schon in der Tür.
»Maria, Telefon für dich«, sagte Sophie Tappert.
Die junge Frau blickte den Geistlichen entsetzt an. Ihr war plötzlich heiß und kalt geworden.
»Wer… wer ist es denn?« fragte sie mit tonloser Stimme.
»Kommissar Hellwig, hat er gesagt.«
Maria atmete erleichtert auf. Für einen Moment hatte sie geglaubt, es könne Thorsten Gebhard sein. Aber das war eigentlich unmöglich. Er wußte ja nicht, daß sie sich hier im Pfarrhaus aufhielt.
Sebastian hatte indes dasselbe gedacht. Aber der Millionendieb hatte gar keine Veranlassung hier anzurufen. Vermutlich wußte er noch nicht einmal, daß Maria überhaupt nicht mehr in München war.
Sie nahm den Hörer, den Sophie Tappert daneben gelegt hatte, auf und nannte ihren Namen.
»Guten Abend, Frau Berger«, vernahm sie die Stimme Wolfgang Hellwigs. »Entschuldigen Sie bitte die Störung.«
»Keine Ursache«, entgegnete Maria. »Was gibt’s denn?«
Der Beamte räusperte sich.
»Tja… äh, also ich würde Sie gerne zum Essen einladen…«, sagte er stockend.
»Mich?« rief sie überrascht. »Dürfen Sie das überhaupt? Ich meine, wo ich doch verdächtigt werde…«
»Bitte, vergessen Sie das mal«, antwortete Wolfgang Hellwig. »Ich möchte mich gerne mit Ihnen unterhalten. Haben Sie Lust?«
»Ja…«, sagte sie, und es klang sehr zögerlich.
»Geht’s heut’ abend schon?«
Sie überlegte. Die Haushälterin hatte schon den Abendbrotstisch gedeckt, aber es wurde ohnehin kalt gegessen. Sophie Tappert hatte nicht gekocht.
»Also gut«, erwiderte