Der Seelenlose war einst ein Mann gewesen und hatte noch immer diese Gestalt, doch er hatte einen blutigen Schlund mit gezackten Zähnen als Mund und vogelartige Klauen als Hände. Braunes Haar, schwarze Augen und ein Gesicht, das attraktiv gewesen wäre, wäre es menschlich.
Der Seelenlose spuckte Silas an und zog sich zurück, eine klauenartige Hand auf die Wunde in seinem Bauch gedrückt. Teile des Fleisches fielen herunter und verwandelten sich in Asche. Dann war es also ein junger. Wäre er älter, hätte der Hieb ihn höchstens verlangsamt.
»Doch nicht so leicht.« Silas veränderte den Griff um sein Gladius und wischte sich mit seinem Ärmel das Blut vom Mund. »Und Herausforderung genug, um dich auszulöschen.«
Die Kreatur bleckte ihre Fangzähne. »Aber zu welchem Preis, Silvanus? Das Meer ist dir kein Freund.«
Wieder sein Name. Woher kannte die Kreatur den? Silas stieß sich von der Wand ab und stakste auf den Seelenlosen zu. Blut aus der Wunde an seiner Schulter lief seinen Nacken hinunter und tränkte sein Hemd.
Der Seelenlose versuchte zurückzuweichen, doch er taumelte auf den Boden.
»Langsam oder schnell«, sagte Silas. »Egal, auf welche Art, die Götter werden deinen Körper bekommen.« Er blieb stehen, als er die am Boden liegende Kreatur erreichte.
»Und der Meister wird deine Seele nehmen.« Die Kreatur stürzte sich auf Silas' Bein. Vergrub ihre Fänge und Klauen in seiner linken Wade.
Silas fluchte und hieb mit dem Schwert nach dem Hals der Kreatur. Seine Muskeln wappneten sich gegen den Aufprall, doch die Klinge glitt sauber hindurch. Der Körper löste sich in Asche auf. Der Kopf prallte einmal vom Boden ab, ehe dasselbe mit ihm passierte.
Stille, abgesehen von seinem abgehackten Atem. Silas riskierte es, sich im Foyer umzuschauen. Niemand, Fortuna sei Dank. Sein Illusionszauber war in Fetzen, genauso wie sein Körper.
Tausende von Messern tobten in seinem Blut. Das war wirklich schlecht gelaufen. Stolz war das Einzige, was ihn aufrecht hielt. Er hatte viel Schlimmeres überlebt, aber nicht seit einer langen Zeit.
Und niemals, während er mitten auf dem Ozean umhertrieb.
Silas entfernte sich humpelnd von den Aschehäufchen auf dem Boden. Oh, das würde die Menschen verwirren, aber sie würden es wegputzen und niemand würde daraus schlau werden. Sein Anzug saugte Blut gut auf. Er hinterließ kaum eine Spur. Außerdem war der Teppich dunkelrot. Gut.
Er hielt inne und steckte sein Schwert in die Scheide der dunklen Leere des Äthers. Er hatte kaum noch elementare Kraft übrig und benötigte sie, um sich selbst zu verstecken. Die Blutung zu stoppen, wenn er es konnte.
Der Seelenlose hatte viel getrunken, als er Silas' Haut durchbrochen hatte. All die Kraft, die er von Rhys bekommen hatte, war verschwunden, genauso wie ein Großteil seiner eigenen Energie. Er hatte kaum genug, um einen Illusionszauber zu wirken. Sich zu heilen, würde warten müssen.
Bei Merkurs Eiern! Warten auf was? Bis er in den Garten zurückkehrte? Bis er Rhys fickte, ihn dazu benutzte, um Kraft zu erlangen, als wäre er eine Fae-Version der Seelenlosen? Silas fing sich ab, als er gegen die Wand des Flurs taumelte. Ein tiefes Verlangen nach dem Viertel-Fae ergriff seinen Körper.
Die Dinge, die er mit Rhys anstellen wollte – die Dinge, die er tun musste…
Nein.
Er würde nicht zu einem von ihnen werden. Niemals. Seine ungezügelte Lust, sein unkontrolliertes Verlangen nach Rhys hatte ihn beinahe umgebracht. Der Garten würde als Energiequelle reichen müssen. Vor einem Tag wäre er mehr als genug gewesen. Er würde es so weit schaffen, dann in eine Ecke kriechen und sich heilen.
Sieben Seelenlose blieben noch. Und schon jetzt war er blutverschmiert und vergiftet, nur weil er seinen Schwanz nicht in seiner Hose behalten konnte. Silas schlug gegen die Wand. Schmerz schoss seinen Arm empor und er bereute die Bewegung sofort.
Es war besser für Silas, sein Versprechen, zu Rhys zurückzukehren, zu brechen, als ihn in die Falle zu locken und ihn als eine verdammte Batterie oder einen Lustsklaven zu missbrauchen.
Silas war einst beides gewesen.
Er stieß sich von der Wand ab. Nein, er würde eher einen ehrenhaften Tod sterben, als zu dem zu werden, was er am meisten verabscheute.
Er atmete tief und zittrig ein, ehe er sich weiter Richtung Garten bewegte. Es würde reichen. Es musste reichen. Er durfte nur nicht in die Bar gehen. Musste sich von Rhys fernhalten.
***
Rhys durchblätterte einen Bildband über New York City, der viele schöne Fotografien von Orten beinhaltete, die auf dem glänzenden Papier realer wirkten als im echten Leben. Battery Park, mit unberührtem blauem Wasser im Hintergrund. Die Brooklyn Bridge in goldenem Licht, ohne Autos oder Menschen. Times Square ohne auch nur einen Schnipsel Müll in Sicht. Er war an den meisten Orten gewesen, er wusste, wie sie wirklich aussahen und welche Teile die Fotografen geschickt rausgeschnitten hatten.
War Silas wohl schon mal in New York gewesen? Wahrscheinlich, wenn er so alt war, wie Rhys vermutete. Zur Hölle, er könnte da gewesen sein, bevor sie die Wolkenkratzer gebaut hatten. Der Gedanke an Silas, gekleidet im Kolonialstil mit engen Hosen und einem langen Mantel sorgte dafür, dass sich Wärme in Rhys' Bauch ausbreitete.
Er griff nach seinem Drink, dank Vasil war es schon der dritte an diesem Abend. Seit zwei Stunden saß er hier und hatte schon fast alle Bücher in dem kleinen Bücherregal durchgeschaut. Bei den meisten handelte es sich um Bücher über New York, groß und voller Farbfotografien. Einige waren zerknickte Taschenbücher, die wahrscheinlich von früheren Reisenden zurückgelassen worden waren – King, Patterson, Roberts.
Jedes einzelne Buch, das er bisher durchgeblättert hatte, ließ ihn an Silas denken, gekleidet in verschiedenen Kostümen oder teilweise unbekleidet.
Er musste den Kopf endlich von dem Fae frei kriegen.
Fae.
Je länger er hier saß, desto dümmer kam er sich vor. Würde Silas überhaupt zurückkommen? Er rieb sich über die Stirn. War irgendetwas hiervon real? Gab es wirklich eine Gefahr oder war das nur eine günstige Gelegenheit gewesen, ihn abzuservieren? Er hätte sich einen Film anschauen können. Oder Gesellschaftstänze lernen können. Oder Zigarren rauchen und Brandy trinken – was auch immer man auf Kreuzfahrten wie dieser so machte. Irgendetwas Interessanteres, als sich Bildbände anzuschauen.
Die Erinnerung an Silas' Kuss lenkte ihn von seiner wachsenden Frustration ab. Der Zug von Silas' Händen, die sich in seinem Haar vergraben hatten, der Geschmack seines Spermas. Sein Aufschrei voller Hingabe und Lust.
Rhys seufzte und schob die Gedanken beiseite. Blätterte eine Seite weiter. Der Central Park. All die Grünflächen. Wie würde es sein, dort zu vögeln? Oder in einem echten Wald? Nackt, sein Rücken in die dunkle Erde gepresst und Silas, der seine Beine auseinanderdrückte, während er in ihn eindrang.
Die Enge in seinem Magen breitete sich bis in seinen Schwanz aus. Verdammt, Silas kehrte besser bald zurück. Er war sich nicht sicher, wie lange er die Fantasien noch zurückhalten konnte und es wurde immer schwieriger, seine Erektion zu verbergen, trotz des großen Buchs auf seinem Schoß.
»Sind diese Plätze belegt?«
Rhys wäre vor Schreck beinahe in die Luft gesprungen, als eine Frau ihn ansprach. Er hatte sie nicht kommen hören. Einen Moment lang konnte er sie nur anstarren.
»N… nein.«
Ihr Lachen war glockenhell. »Oh, es tut mir so leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Alle anderen Tische sind belegt. Du sahst aus, als könntest du etwas Gesellschaft vertragen.« Sie lächelte, wobei eine Reihe weißer Zähne zwischen ihren rubinroten Lippen zum Vorschein kam.
Rhys stieß den Atem aus. »Du kannst dir gerne einen aussuchen.« Er deutete auf die anderen beiden Stühle und versuchte sich seinerseits an einem Lächeln.
»Das