Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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Auf unser erstes sandt er aus und hemmte

       Die Werbungen des Neffen, die er hielt

       Für Zurüstungen gegen den Polacken;

       Doch, näher untersucht, fand er, sie gingen

       Auf Eure Hoheit wirklich. Drob gekränkt,

       Daß seine Krankheit, seines Alters Schwäche

       So hintergangen sei, legt' er Verhaft

       Auf Fortinbras, worauf sich dieser stellt,

       Verweis' empfängt von Norweg und zuletzt

       Vor seinem Oheim schwört, nie mehr die Waffen

       Zu führen gegen Eure Majestät.

       Der alte Norweg, hoch erfreut hierüber,

       Gibt ihm dreitausend Kronen Jahrgehalt

       Und seine Vollmacht, gegen den Polacken

       Die so geworbnen Truppen zu gebrauchen;

       Nebst dem Gesuch, des weitern hier erklärt:

       übergibt ein Papier. Ihr wollt geruhn, für dieses Unternehmen Durch Eur Gebiet den Durchzug zu gestatten, Mit solcherlei Gewähr und Einräumung, Als abgefaßt hier steht.

      KÖNIG

       Es dünkt Uns gut;

       Wir wollen bei gelegner Zeit es lesen,

       Antworten und bedenken dies Geschäft.

       Derweil habt Dank für wohlgenommne Müh;

       Geht auszuruhn, wir schmausen heut zusammen.

       Willkommen mir zu Haus!

       Voltimand und Cornelius ab.

      POLONIUS

       So wäre dies Geschäft nun wohl vollbracht.

       Mein Fürst und gnädge Frau, hier zu erörtern,

       Was Majestät ist, was Ergebenheit,

       Warum Tag Tag; Nacht Nacht; die Zeit die Zeit:

       Das hieße, Nacht und Tag und Zeit verschwenden.

       Weil Kürze denn des Witzes Seele ist,

       Weitschweifigkeit der Leib und äußre Zierat:

       Faß ich mich kurz. Eur edler Sohn ist toll,

       Toll nenn ichs: denn worin besteht die Tollheit,

       Als daß man gar nichts anders ist als toll?

       Doch das mag sein.

      KÖNIGIN

       Mehr Inhalt, wenger Kunst!

      POLONIUS

       Auf Ehr, ich brauche nicht die mindste Kunst.

       Toll ist er, das ist wahr; wahr ists, 's ist schade;

       Und schade, daß es wahr ist. Doch dies ist

       'ne törichte Figur: sie fahre wohl,

       Denn ich will ohne Kunst zu Werke gehn.

       Toll nehmen wir ihn also; nun ist übrig,

       Daß wir den Grund erspähn von dem Effekt,

       Nein, richtiger den Grund von dem Defekt;

       Denn dieser Defektiv-Effekt hat Grund.

       So stehts nun, und der Sache Stand ist dies.

       Erwägt:

       Ich hab 'ne Tochter; hab sie, weil sie mein;

       Die mir aus schuldigem Gehorsam, seht,

       Dies hier gegeben. Schließt und ratet nun!

       Liest. »An die Himmlische und den Abgott meiner Seele, die liebreizende Ophelia« - Das ist eine schlechte Redensart, eine gemeine Redensart; liebreizend ist eine gemeine Redensart. Aber hört nur weiter: Liest. »An ihren trefflichen zarten Busen diese Zeilen« und so weiter.

      KÖNIGIN

       Hat Hamlet dies an sie geschickt?

      POLONIUS

       Geduld nur, gnädge Frau, ich meld Euch alles.

       Liest.

      »Zweifle an der Sonne Klarheit,

       Zweifle an der Sterne Licht,

       Zweifl, ob lügen kann die Wahrheit,

       Nur an meiner Liebe nicht!

      O liebe Ophelia, es gelingt mir schlecht mit dem Silbenmaße; ich besitze die Kunst nicht, meine Seufzer zu messen, aber daß ich Dich bestens liebe, o Allerbeste, das glaube mir. Leb wohl!

      Der Deinige auf ewig, teuerstes Fräulein, solange

       diese Maschine ihm zugehört.

      Hamlet.«

       Dies hat mir meine Tochter schuldgermaßen

       Gezeigt und überdies sein dringend Werben,

       Wie sichs nach Zeit und Weis' und Ort begab,

       Mir vor das Ohr gebracht.

      KÖNIG

       Allein wie nahm

       Sie seine Liebe auf?

      POLONIUS

       Was denket Ihr von mir?

      KÖNIG

       Daß Ihr ein Mann von Treu und Ehre seid.

      POLONIUS

       Gern möcht ichs zeigen. Doch was dächtet Ihr,

       Hätt ich gesehn, wie diese heiße Liebe

       Sich anspann - und ich merkt es, müßt Ihr wissen,

       Eh meine Tochter mirs gesagt -, was dächtet

       Ihr, oder meine teure Majestät,

       Eur königlich Gemahl, hätt ich dabei

       Brieftasche oder Schreibepult gespielt,

       Hätt ich mein Herz geängstigt still und stumm

       Und müßig dieser Liebe zugeschaut?

       Was dächtet Ihr? Nein, ich ging rund heraus

       Und redete zu meinem jungen Fräulein:

       Prinz Hamlet ist ein Fürst, zu hoch für dich;

       Dies darf nicht sein; - und dann schrieb ich ihr vor,

       Daß sie vor seinem Umgang sich verschlösse,

       Nicht Boten zuließ', Pfänder nicht empfinge.

       Drauf machte sie sich meinen Rat zunutz,

       Und er, verstoßen, um es kurz zu machen,

       Fiel in 'ne Traurigkeit; dann in ein Fasten;

       Drauf in ein Wachen; dann in eine Schwäche;

       Dann in Zerstreuung; und durch solche Stufen

       In die Verrücktheit, die ihn jetzt verwirrt

       Und sämtlich uns betrübt.

      KÖNIG

       Denkt Ihr, dies sei's?

      KÖNIGIN

       Es kann wohl sein, sehr möglich.

      POLONIUS

       Habt Ihrs schon je erlebt, das möcht ich wissen,

       Daß ich mit Zuversicht gesagt: So ists,

       Wenn es sich anders fand?

      KÖNIG

       Nicht, daß ich weiß.

      POLONIUS

       indem er auf seinen Kopf und Schulter zeigt. Trennt dies von dem, wenns anders sich verhält. Wenn eine Spur mich leitet, will ich finden, Wo Wahrheit steckt, und steckte sie auch grade Im Erdenzentrum.

      KÖNIG

       Wie läßt sichs näher prüfen?

      POLONIUS