Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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und Jammer durch die Luft!

       Harmloses, gutes Ding,

       Das mit dem hübschen, summenden Gesang

       Herflog, uns zu erheitern; und du tötest sie!

      Marcus.

       Vergib; 'ne schwarze, garstge Fliege wars,

       Ganz wie der Kaisrin Mohr; drum schlug ich sie.

      Titus.

       Oh, oh, oh,

       Ja, dann vergib mir, wenn ich dich gescholten,

       Denn eine Tat der Gnade übtest du.

       Gib mir dein Messer, ich will sie zerhaun,

       Mir schmeicheln, diesen Mohren hätt ich hier,

       Der eigens herkam, um mir Gift zu streun.

       Das nimm für dich! und dies für Tamora!

       Ah, Bube!

       Ich denke doch, so sind wir nicht herunter,

       Daß wir selbander nicht 'ne Flieg erschlugen,

       Die kohlschwarz wie ein Mohr sich zu uns drängt!

      Marcus.

       Ach, armer Mann! Er hält, von Gram zerstört,

       Trügliche Schatten für ein wahres Ding! –

      Titus.

       Kommt, räumt nun auf: Lavinia, geh mit mir,

       Ich folg dir in dein Zimmer, lese dir

       Leidvolle Märchen vor aus alter Zeit.

       Komm, Knabe, folge mir; dein Aug ist jung,

       Und du sollst lesen, wenn sich meines trübt.

      (Sie gehn ab.)

      VIERTER AUFZUG

       Inhaltsverzeichnis

       Inhaltsverzeichnis

       Vor dem Hause des Titus

      Der junge Lucius, mit Büchern unterm Arm, läuft vor Lavinien, die ihm nachfolgt. Dann kommen Titus und Marcus

      Knabe.

       Großvater hilf! Muhme Lavinia

       Verfolgt mich allenthalb, weiß nicht, warum.

       Sieh, Oheim Marcus, sieh, wie schnell sie kommt!

       Ach liebste Muhm, ich weiß nicht, was du willst?

      Marcus.

       Komm zu mir, Lucius, fürchte nicht die Muhme.

      Titus.

       Sie liebt dich, Kind, zu sehr, dir Leids zu tun.

      Knabe.

       O ja, als noch mein Vater war in Rom! –

      Marcus.

       Was deuten diese Zeichen, teure Nichte?

      Titus.

       Fürchte nicht, Lucius: etwas meint sie jetzt; –

       Sieh, Lucius, sieh, wieviel sie von dir hält;

       Sie will, daß du ihr dorthin folgen sollst.

       Ah, Kind, Cornelia las mit ihren Söhnen

       So eifrig nie, als sie mit dir studiert

       Die Poesie und Tullius' Redekunst.

      Marcus.

       Errätst du nicht, was sie von dir begehrt?

      Knabe.

       O Herr, ich weiß nicht, noch errat ich es,

       Wenn nicht ein schneller Wahnsinn sie ergriff:

       Denn oftmals hört ich vom Großvater schon,

       Den Geist verwirr' ein Übermaß des Grams;

       Und las, wie die trojansche Hekuba

       Toll ward durch Kummer: das erschreckte mich,

       Obschon ich weiß, die edle Muhme liebt

       So zärtlich mich, als meine Mutter tat,

       Und nur im Fieber könnte sie mich schrecken.

       So warf ich denn die Bücher hin und lief

       Vielleicht um nichts: doch, Muhme, seid nicht bös;

       Und, Base, wenn mein Oheim Marcus folgt,

       Dann will ich mit Euch gehn, wohin es sei.

      Marcus.

       Das will ich, Lucius.

      (Lavinia wendet die Bücher um, die Lucius hat fallen lassen.)

      Titus.

       Wie nun, Lavinia? Was bedeutet dies?

       Hier muß ein Buch sein, das sie wünscht zu sehn:

       Von diesen, welches? Knabe, schlag sie auf:

       Doch du hast mehr und andre Schrift gelesen;

       Komm, wähl in meinem ganzen Büchersaal,

       Und so vergiß dein Leid, bis das Geschick

       Enthüllt den argen Stifter dieser Tat. –

       Was hebt sie wechselnd ihre Arm empor?

      Marcus.

       Sie meint wohl, denk ich, daß noch mehr als ein

       Verschworner mitgewirkt. – Gewiß, so wars. –

       Wo nicht, ruft sie des Himmels Zorn herab.

      Titus.

       Lucius, welch Buch ist das, woran sie stößt?

      Knabe.

       Herr, des Ovid «Metamorphosen» sinds,

       Die Mutter gab sie mir.

      Marcus.

       Aus Liebe zur Verstorbnen

       Wählte sie's aus der Menge wohl hervor.

      Titus.

       Still, still, wie emsig sie die Blätter dreht!

       Helft ihr:

       Was sucht sie doch? Lavinia, soll ich lesen?

       's ist Philomelens tragische Erzählung,

       Des Tereus böse List, Gewalt und Raub;

       Und Raub war, fürcht ich, Wurzel deiner Marter.

      Marcus.

       Sieh, Bruder, merk, wie sie die Blätter prüft.

      Titus.

       Wardst du so überrascht, mein süßes Kind,

       Beraubt, entehrt, wie Philomele ward?

       Geschwächt im wüsten, mitleidslosen Wald?

       Seht, seht! –

       Ja, solch ein Tal ist dort, wo wir gejagt

       (O hätten wir doch nie, nie dort gejagt!),

       Genau, wie uns der Dichter Kunde gibt,

       Zu Mord und Notzucht von Natur geprägt.

      Marcus.

       Wie schuf so wüsten Talgrund die Natur,

       Wenn Götter der Tragödien sich nicht freun?

      Titus.

       Gib Zeichen, Kind – hier sind ja Freunde nur –