Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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kennt ich den Verruchten,

       Daß ich ihm fluchen könnte, mir zum Trost!

       Gehemmter Schmerz; wie ein verstopfter Ofen,

       Verbrennt zu Asche die verschloßne Brust.

       Verlor doch Philomele nur die Zunge

       Und wirkt' in trauriges Geweb ihr Leid;

       Doch liebstes Kind, dir ward die Hilf entrissen,

       Dein Tereus übte listger seinen Raub:

       Er hat die zarten Finger abgehaun,

       Die schöner wohl gestickt als Philomele.

       Oh, sah der Unhold diese Lilienhand

       Wie Espenlaub auf einer Laute zittern,

       Daß sie mit Lust die Silbersaiten küßten –

       Nicht für sein Leben hätt er sie berührt!

       Und hört' er je die Himmelsharmonie,

       Die jener süßen Zunge sonst entströmt –

       Sein Dolch entfiel' ihm, und er sänk in Schlaf,

       Wie Cerberus zu Orpheus' Füßen schlief.

       Komm, laß uns gehn; und mach den Vater blind;

       Der Anblick muß ein Vaterauge blenden.

       In einer Stund ersäuft der Sturm die Matten;

       Was bringt ein Jahr von Tränen Vateraugen?

       O komm! All unser Schmerz ist dir geweiht,

       Könnt unser Schmerz doch mildern soviel Leid! –

      (Sie gehn ab.)

      DRITTER AUFZUG

       Inhaltsverzeichnis

       Inhaltsverzeichnis

       Rom. Eine Straße

      Richter und Senatoren. Marcius und Quintus werden gebunden zum Richtplatz geführt; vor ihnen geht Titus und spricht zu den Richtern

      Titus.

       Hört, Senatoren! Ihr Tribunen, weilt!

       Denkt meines Alters, dessen Jugend schwand

       In wildem Krieg, weil ihr in Ruhe schlieft;

       Des Bluts, im großen Kampf von mir verströmt,

       Der eisgen Nächte, die ich durchgemacht,

       Und dieser bittern Tränen, die mir jetzt

       Die alten Runzeln meiner Wangen füllen.

       Seid meinen Söhnen mild – obzwar verdammt,

       Doch frei der Sünd, um die sie angeklagt.

       Um zweiundzwanzig Söhne weint ich nie,

       Sie schlafen auf des Ruhms erhabnem Bett;

       Für diese, diese schreib ich in den Staub

       Des Herzens Gram, der Tränen Jammerflut;

      Andronicus wirft sich zu Boden; die Richter gehn an ihm vorüber.

      Ihr Tränen, löscht der Erde trocknen Durst,

       Die scheu im Blut der Söhne würd erröten.

       O Staub, mit noch mehr Regen feucht ich dich,

       Der aus den beiden alten Höhlen strömt,

       Als junger Lenz mit allen seinen Schauern!

       In Sommers Dürre netz ich dich mit Tropfen,

       Im Winter schmilzt der Schnee dem heißen Tau,

       Und ewgen Frühling schaff ich deinem Antlitz,

       Wenn du nicht trinkst der teuren Söhne Blut.

      (Die Richter sind weggegangen.)

       Lucius kommt mit gezogenem Schwert.

      O würdige Tribunen! Teure Greise,

       Befreit sie, ruft zurück den Todesspruch

       Und laßt mich sagen, der noch nie geweint,

       Daß meine Tränen gute Redner sind.

      Lucius.

       O edler Vater, jammre nicht umsonst;

       Es hört dich kein Tribun, kein Mensch steht hier,

       Und einem Stein erzählst du deinen Gram.

      Titus.

       Ach Sohn, für deine Brüder red ich hier: –

       Weise Tribunen, hört mich noch einmal.

      Lucius.

       Mein Vater, kein Tribun vernimmt dich mehr!

      Titus.

       Es ist ja eins, mein Knabe; hörten sie,

       Sie würdens nicht beachten; täten sies,

       Es wär umsonst, sie blieben ungerührt.

       Drum klag ich meinen Gram den Steinen vor,

       Die, ob sie gleich bei solchem Jammer stumm,

       Mir dennoch lieber als Tribunen sind,

       Denn keiner unterbricht die Rede mir;

       Und wenn ich weine, mir zu Füßen still

       Empfahn sie meine Tränen, weinen mit

       Und, hüllten sie sich nur in ernst Gewand,

       Rom hätte nicht Tribunen diesen gleich. –

       Ein Stein ist weich wie Wachs, Tribunen hart wie Steine;

       Ein Stein ist schweigend und betrübt uns nicht.

       Tribunenzunge spricht das Leben ab! –

       Doch weshalb stehst du mit gezücktem Schwert?

      Lucius.

       Von ihrem Tod die Brüder zu befrein;

       Und den Versuch bestrafte das Gericht,

       Indem sein Spruch auf ewig mich verbannt.

      Titus.

       O Glücklicher! begünstigt wurdest du!

       Kurzsichtger Lucius, dünkt dich Rom denn nicht

       Wie eine Wüstenei von Tigern voll?

       Tiger sind da zum Raub; Rom hat an Raub

       Nur mich und euch; wie glücklich bist du dann,

       Von den Verschlingenden verbannt zu sein! –

       Doch wer naht mit dem Bruder Marcus hier?

      Marcus kommt mit Lavinia.

      Marcus.

       Bereit zu weinen sei dein edles Aug,

       Wo nicht, zerspringe dir das edle Herz!

       Ich bringe deinem Alter tödlich Leid. –

      Titus.

       Wird es mich töten? Wohl, so laß michs schaun.

      Marcus.

       Dies war dein Kind!

      Titus.

       Und ist es jetzt noch, Marcus!

      Lucius.

       Weh! Dieser Anblick tötet mich!

      Titus.

       Schwachherzger Knabe! auf und sieh sie an;