Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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seit ich dort sie ließ.

      Marcius.

       Wir wissen nicht, wo Ihr ihn lebend saht,

       Doch weh! wir fanden ihn ermordet hier! –

      Tamora mit Gefolge, Andronicus und Lucius treten auf.

      Tamora.

       Wo ist mein Herr, der Kaiser?

      Saturninus.

       Hier, Tamora, von Todesgram betrübt.

      Tamora.

       Wo ist dein Bruder Bassian?

      Saturninus.

       Nun trafst du meiner Wunde tiefsten Grund:

       Der arme Bassian liegt hier ermordet.

      Tamora.

       Dann allzu spät erhältst du dieses Blatt,

       Den Plan des übereilten Trauerspiels.

       Ich staune, wie ein menschlich Antlitz barg

       In sanftem Lächeln solche Gier nach Mord.

      (Sie gibt dem Saturninus einen Brief.)

      Saturninus (liest).

       «Verfehlten wir, nach Wunsch ihm zu begegnen

       (Bassianus meinen wir), dann säume nicht,

       Sein Grab zu graben, wackrer Jägersmann;

       Du weißt, wie wirs gemeint. – Du findst den Sold

       Unter den Nesseln am Holunderbaum,

       Der jener Grube Mündung überwölbt,

       Wo ich Bassianus dich begraben hieß.

       Dies tu, und kauf dir unsern ewgen Dank.»

       O Tamora! Vernahmst du Gleiches je?

       Dies ist die Gruft, dies der Holunderbaum,

       Seht, Herrn, ob ihr den Jäger finden mögt,

       Der hier Bassianus frech ermordete!

      Aaron (bringt den Beutel).

       Mein gnädger Fürst, hier ist der Beutel Gold!

      Saturninus (zu Titus).

       Zwei Hunde deines tückschen, blutgen Stamms,

       Sie gaben meinem Bruder hier den Tod.

       Fort, zieht sie aus der Gruft mir in den Kerker

       Und laßt sie schmachten, bis ich Strafen fand

       Von unerhörter, neuer Folterqual.

      Tamora.

       Was? Sind sie in der Gruft? O wundervoll!

       Wie leicht wird jeder Mord doch offenbar!

      Titus.

       Erhabner Fürst, auf meinem schwachen Knie

       Mit Tränen schwer vergossen, fleh ich dich,

       Daß meiner frevelhaften Söhne Tat –

       Frevelnd – wenn diese Tat erwiesen ward –

      Saturninus.

       Erwiesen ward? Ihr seht, sie ist gewißt

       Wer fand den Brief? Warst du es, Tamora?

      Tamora.

       Andronicus hob selbst den Zettel auf.

      Titus.

       Das tat ich, Herr; doch laßt mich Bürge sein;

       Ich schwörs bei meiner Väter heilgem Grab,

       Auf deiner Hoheit Wink sind sie bereit,

       Mit ihrem Blut zu zahlen den Verdacht.

      Saturninus.

       Du sollst nicht Bürge sein, gleich folge nur.

       Ihr nehmt den Toten, ihr die Mörder mit:

       Laßt sie nicht reden, ihre Schuld ist klar;

       Denn wahrlich, gäb es härtre Straf als Tod,

       Die Strafe ließ ich alsobald vollziehn.

      Tamora.

       Andronicus, ich will um Gnade flehn;

       Nicht fürcht um deine Söhn, es wird noch gut.

      Titus.

       Komm, Lucius, weile nicht, sie anzusprechen! –

      (Sie gehn von verschiedenen Seiten ab.)

      FÜNFTE SZENE

       Inhaltsverzeichnis

       Daselbst

      Demetrius und Chiron kommen mit der geschändeten Lavinia; ihr sind die Hände abgehauen und die Zunge ausgeschnitten

      Demetrius.

       So melde nun, wenns deine Zunge kann,

       Wer dir die Zung ausschnitt und dich entehrt'!

      Chiron.

       Schreib nieder, was du meinst, und hilf dir so;

       Vermögens deine Stumpfen, laß sie schreiben!

      Demetrius.

       Wie gut sie noch mit Wink und Zeichen grollt!

      Chiron.

       Geh, fordre frisches Wasser, wasch die Hände!

      Demetrius.

       Fordr' ohne Zunge, wasch dich ohne Hände;

       Und somit wandl' in stiller Einsamkeit! –

      Chiron.

       Wärs mir geschehn, ich ging und hängte mich.

      Demetrius.

       Ja, hättst du Hände, dir den Strick zu knüpfen!

      (Demetrius und Chiron ab.)

       Marcus kommt zu Lavinien.

      Marcus.

       Wer ists? Die Nichte, die so eilend flieht?

       Muhme, ein Wort! Wo ist dein Gatte? Träum ich,

       O hülfe all mein Gut mir dann zum Wachen:

       Und wach ich, schlüg ein Blitzstrahl auf mich ein,

       Daß ich fortschlummern mög in ewgem Schlaf! –

       Sag, süßes Kind, wes mitleidlose Hand

       Trennt ab und hieb so frech von deinem Stamm

       Der beiden Zweige süße Zier, die Laube,

       In deren Schatten Kön'ge gern geruht,

       Und nimmer ein so reizend Glück erstrebt

       Als halb nur deine Gunst! Was sprichst du nicht?

       Weh mir! ein Purpurstrom von warmem Blut,

       Gleich einem Springquell, den der Wind bewegt,

       Hebt sich und fällt dir zwischen rosgen Lippen,

       Und kommt und geht mit deinem süßen Hauch.

       Gewiß, ach! hat ein Tereus dich entehrt,

       Und, Strafe fürchtend, raubt' er deine Zunge.

       Ach, wendst du jetzt dein Antlitz weg aus Scham?

       Und trotz des vielen Bluts, von dir verströmt

       Wie aus dem Brunn, dem mancher Strahl entquillt,

       Flammen die Wangen dir, wie Titan glüht,

       Wenn er errötend mit den Wolken kämpft?

       Soll ich