Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler. Giorgio Vasari. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Giorgio Vasari
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783803141897
Скачать книгу
im Vergleich mit den modernen sind sie ganz wunderbar.30

      Derselbe malte innerhalb der Stadt in der Kirche Sant’Agostino im Chor der Brüder viele Figuren in Fresko, die am Stil der Kleider zu erkennen sind und an ihren gelängten, schlanken und verdrehten Körpern, wie weiter oben gesagt worden ist.31 Am Lettner der Kirche San Giustino freskierte er einen Heiligen Martin zu Pferd, der ein Stück von seinem Gewand abschneidet, um es einem Bedürftigen zu geben, und noch zwei weitere Heilige.32 Außerdem hat er in der Bischofskirche, und zwar auf eine Mauerwand, eine Verkündigung gemalt, die heute halb zerstört ist, weil sie viele Jahre lang ungeschützt im Freien war.33 In der Pieve derselben Stadt malte er die Kapelle aus, die sich heute in der Nähe des Raumes der Kirchenbauverwalter befindet und durch die Feuchtigkeit fast vollständig verfallen ist. Und dieser arme Maler hatte wirklich Pech mit seinen Werken, weil nahezu der größte Teil von ihnen durch Feuchtigkeit oder Abriß zerstört worden ist.34 Auf eine runde Säule besagter Pieve malte er einen Heiligen Vinzenz in Fresko35 und in San Francesco schuf er für die Familie Viviani rings um eine Madonna im halbhohen Relief einige Heilige und in dem Bogen darüber die Apostel, die den Heiligen Geist empfangen. In der Wölbung sind einige weitere Heilige und seitlich Christus mit dem Kreuz auf der Schulter, aus dessen Seite Blut in einen Kelch fließt, und um besagten Christus einige sehr gut gemachte Engel.36 Ihr gegenüber schuf er für die Bruderschaft der Steinmetze, Maurer und Schreiner in ihrer Kapelle der Heiligen Vier Gekrönten37 eine Madonna, besagte Heilige mit den Werkzeugen jener Zünfte in Händen und darunter, ebenfalls in Fresko, zwei Szenen mit ihren Taten und wie sie enthauptet und ins Meer geworfen werden. Wunderschön sind in diesem Werk die Haltungen und Kraftanstrengungen derer, die sich jene in Säcken steckenden Körper auf die Schultern laden, um sie zum Meer zu tragen, weil ihnen Bereitschaft und Lebendigkeit anzusehen sind. Außerdem freskierte er in San Domenico auf der rechten Wand unweit des Hauptaltars eine Madonna, den Heiligen Antonius und den Heiligen Nikolaus für die Familie Alberti aus Catenaia, einst Herren jenes Ortes, die sich nach der Zerstörung desselben in Arezzo und Florenz niederließen. Und daß es sich um ein und dieselbe Familie handelt, zeigt das Wappen der einen wie der anderen, weil es dasselbe ist. Dabei trifft es zu, daß die in Arezzo heute nicht mehr Alberti, sondern Catenaia genannt werden, während jene in Florenz Alberti heißen und nicht Catenaia.38 Ich erinnere mich zudem, gesehen und auch gelesen zu haben, daß die einst in den Alpen von Catenaia gelegene Abtei del Sasso, die heute abgerissen und nach weiter unten Richtung Arno verlegt worden ist, von eben diesen Alberti für die Kamaldulenserkongregation erbaut worden ist; heute gehört sie zum Angeli-Kloster in Florenz, das es als ursprüngliche Stiftung besagter Familie anerkennt, die in Florenz zum Hochadel gehört.

      Im alten Audienzsaal der Bruderschaft von Santa Maria della Misericordia malte er eine Madonna, die mit ihrem Mantel die Bevölkerung von Arezzo schirmt,39 wo er die damaligen Klosterleiter in zeitgenössischen Gewändern nach dem Leben porträtierte. Unter ihnen war einer, den sie Braccio nannten, heute allerdings, wenn von ihm die Rede ist, Lazzaro der Reiche genannt wird; er starb 1422 und hinterließ alle Reichtümer und sein gesamtes Vermögen jenem Kloster, das es zugunsten der Armen Gottes verteilt und die heiligen Werke der Barmherzigkeit mit großer Nächstenliebe ausübt.40 Diese Madonna wird auf der einen Seite vom Heiligen Papst Gregor eingerahmt, auf der anderen vom Heiligen Donatus, der Bischof und Schutzherr der Bevölkerung von Arezzo war.41 Und weil Parri ihnen mit diesem Werk hervorragende Dienste erwiesen hatte, ließen diejenigen, die jene Bruderschaft damals leiteten, ihn in einer in Tempera gemalten Tafel eine Madonna mit dem Kind im Arm ausführen, dazu einige Engel, die ihr den Mantel aufhalten, unter dem sich besagte Bevölkerung versammelt hat, darunter die Märtyrerheiligen Laurentius und Pergentinus. Diese Tafel wird alljährlich am zweiten Juni nach draußen gebracht und von den Männern jener Bruderschaft in einer Prozession feierlich bis zur Kirche besagter Heiligen getragen, wo sie auf einen silbernen Sarg gestellt wird, den der Goldschmied Forzore, Parris Bruder,42 angefertigt hat und der die sterblichen Hüllen der Heiligen Laurentius und Pergentinus birgt. Ich sage nach draußen bringen, weil dieser Altar unter einem Zeltdach am Canto alla Croce aufgebaut wird, an der jene Kirche liegt, weil diese klein ist und die Menschenmenge, die zu diesem Fest herbeiströmt, nicht aufnehmen könnte. Die Predella, auf der diese Tafel aufsetzt, enthält eine kleinfigurige Darstellung des Martyriums dieser beiden Heiligen und ist so gut gemacht, daß es für ein kleinformatiges Werk eine wunderbare Sache ist.43 Von Parris Hand stammt im Borgo a Piano ein Tabernakel unter dem Dachvorsprung eines Hauses, darin das Fresko einer Verkündigung, die sehr gelobt wird. Und für die Bruderschaft der Puraccioli in Sant’Agostino freskierte er die Heilige Jungfrau und Märtyrerin Katharina, die wunderschön ist.44 Ebenso malte er in der Kirche von Muriello für die Bruderschaft der Cherici eine drei Ellen hohe Heilige Maria Magdalena.45 Und in San Domenico malte er dort, wo neben dem Eingangsportal die Glockenseile hängen, die Nikolaus-Kapelle mit Fresken aus, darin ein großes Kruzifix mit vier Figuren, das so gut gearbeitet ist, daß es wie eben gemalt aussieht. Im Bogenfeld schuf er zwei Szenen mit dem Heiligen Nikolaus, und zwar als er den Jungfrauen die goldenen Kugeln zuwirft und als er zwei vor dem Tod rettet; in dieser Szene sieht man den Henker, der sich anschickt, ihnen die Köpfe abzuschlagen, was sehr gut gemacht ist.46

      Während Parri mit der Ausführung dieses Werks beschäftigt war, wurde er von einigen bewaffneten Verwandten überfallen, mit denen er wegen irgendeiner Mitgift im Streit lag. Weil aber ein paar Männer sofort bei ihm waren und ihm zu Hilfe eilten, taten sie ihm kein Leid an. Trotzdem heißt es, daß die Angst, die er dabei ausstand, dafür gesorgt habe, daß er seine Figuren nicht mehr nur zu einer Seite geneigt schuf, sondern sie von diesem Tag an fast immer reichlich verschreckt darstellte.47 Und weil er viele Male Opfer neidischer Zungen und mißgünstiger Angriffe geworden worden war, schuf er in dieser Kapelle eine Szene mit brennenden Zungen und um sie herum ein paar Teufel, die das Feuer schüren. In der Höhe war ein sie verfluchender Christus und seitlich standen die Worte: A LINGUA DOLOSA [der bösen Zunge].48

      Mit viel Eifer betrieb Parri das Studium der Kunst und zeichnete ganz hervorragend, wie es viele Zeichnungen belegen, die ich von seiner Hand gesehen habe,49 darunter ganz besonders ein Fries mit zwanzig Szenen aus dem Leben des Heiligen Donatus, den er für seine Schwester schuf, die ausgezeichnet stickte; und wie man glaubt, hat er ihn ausgeführt, weil am Hauptaltar der bischöflichen Kirche Verzierungen angebracht werden sollten. In unserem libro befinden sich einige Blätter, die er sehr gut mit der Feder gezeichnet hat.50 Porträtiert wurde Parri von Marco aus Montepulciano, der ein Schüler von Spinello war, im Kreuzgang von San Bernardo in Arezzo.51

      Er lebte sechsundfünfzig Jahre und hat sein Leben dadurch verkürzt, daß er von Natur aus melancholisch und einzelgängerisch war und sich allzu beharrlich in seine künstlerischen Studien und seine Arbeit vergrub.52 Bestattet wurde er in Sant’Agostino im selben Grab, in dem sein Vater Spinello zur Ruhe gebettet worden war; und alle virtuosen Menschen, die von ihm Kenntnis hatten, waren über seinen Tod betrübt.53

      Ende der Lebensbeschreibung des Malers Parri Spinelli. 54

      Einleitung zum Leben der Florentiner Antonio Filarete und des Bildhauers Simone

      Bereits zu Beginn der Vita fällt Vasari ein vernichtendes Urteil über das Werk des Florentiner Bildhauers, Architekten und Theoretikers Antonio Averlino, genannt Filarete (* um 1400 Florenz – † um 1469 Rom?): Die Bronzetür für Sankt Peter in Rom – eines der Hauptwerke des Künstlers – sei laut Vasari in einem »unglückseligen Stil« ausgeführt (»sciaurata maniera«) worden. Ihr Auftraggeber, Papst Eugen IV., dem Vasari hier jegliches Vermögen abspricht, Kunst zu beurteilen, hätte besser nach einem Künstler vom Rang eines Filippo Brunelleschi, Donatello oder anderer herrlicher Bildhauer für ihre Anfertigung suchen sollen, dann wäre ihr Stil zweifellos besser ausgefallen. Weiterhin kritisiert Vasari mit harten Worten Filaretes Architekturtraktat und nennt es gar ein »lächerliches« und »albernes« Werk (»ridicola e tanto sciocca«), das nicht einmal in geordneter Form genügend Informationen über zeitgenössische Künstler und ihre Werke präsentiere. Damit