Unermüdlich darum bestrebt, unter den Aretinern für Eintracht zu sorgen, indem er mal predigte, mal Unglücke vorhersagte, mußte er am Ende jedoch erkennen, daß er nur seine Zeit vergeudete. Da betrat der Selige eines Tages den Palast, in dem die Sechzig sich versammelten und wo er sie Tag für Tag zu Rate sitzen, aber keine anderen Beschlüsse fassen sah als solche, die der Stadt schadeten. Als er sah, daß der Saal sich gefüllt hatte, packte er sich den weiten Saum seines Gewandes mit glühenden Kohlen voll, trat damit kühn vor die Sechzig und all die anderen Magistrate der Stadt, warf sie ihnen vor die Füße und sprach: »Meine Herren, das Feuer ist unter Euch, gebt acht, Euer Untergang naht«, und mit diesen Worten ging er. Aber da es Gott gefiel, hatte die Einfachheit und gutgemeinte Warnung jenes heiligen Mannes solche Macht, daß diese Geste auf einmal vollbrachte, was alles Predigen und Drohen nicht hatte ausrichten können, sie sich also nur wenig später einig wurden und sie jene Stadt dann viele Jahre lang in gedeihlichem Frieden und Ruhe für jedermann regierten.
Um aber auf Parri zurückzukommen, der nach besagtem Werk in der Kirche und dem Spital von San Cristoforo neben der Annunziata-Bruderschaft für M[ad]onna Mattea de’ Testi, Ehefrau von Carcascion Florinaldi, der jenem Kirchlein stattliche Einkünfte vermacht hatte,14 in einer Kapelle einen gekreuzigten Christus freskierte und rings um ihn und über ihm vielerlei Engel, die durch eine verdunkelte Luft fliegen und bitterlich weinen. Zu Füßen des Kreuzes sind auf der einen Seite Magdalena und die Marien, welche die ohnmächtige Madonna in Armen halten, und auf der anderen die Heiligen Jakobus und Christophorus.15 Auf die Wände malte er die Heilige Katharina, den Heiligen Nikolaus, die Verkündigungsmadonna und Jesus Christus an der Säule; und im Bogenfeld über dem Portal besagter Kirche eine Pietà, den Heiligen Johannes und die Madonna. Die [Bilder] im Inneren aber sind (abgesehen von der Kapelle) zerstört worden. Außerdem hat man den Bogen beim Einbau eines modernen Portals aus macigno-Stein abgerissen, auch weil man mit den Einkünften jener Bruderschaft ein Kloster für einhundert Nonnen zu errichten gedachte.16 Für jenes Kloster hat Giorgio Vasari17 ein vielbeachtetes Modell vorgelegt, das dann aber verändert oder besser gesagt verstümmelt worden ist, und zwar von demjenigen, dem unwürdigerweise die Leitung dieses bedeutenden Baus angetragen wurde. So trifft man häufig auf sogenannte gelehrte, meist jedoch ahnungslose Männer, die mit ihrer vorgeblichen Kennerschaft immer wieder großtuerisch den Architekten geben und Bauaufsicht führen wollen und damit in der Regel die Entwürfe derjenigen zugrunde richten, die, sich in Studien und praktischer Arbeit aufreibend, in kompetenter Weise Baupläne entwerfen. Und dies geschieht zum Schaden der Nachwelt, weil sie des Nützlichen und Angemessenen, der Schönheit, des Ornaments und der Großartigkeit beraubt wird, welche für Bauwerke, und allen voran für öffentliche, gefordert sind.18
Parri arbeitete auch in der Kirche von San Bernardo, einem Kloster der Olivetanermöche, wo er zwei Kapellen ausgestaltete, die das Hauptportal auf der Innenseite einrahmen. In der zur Rechten, die der Dreifaltigkeit geweiht ist, schuf er einen Gottvater, der mit den Armen einen Christus am Kreuz stützt, und darüber die Taube des Heiligen Geistes in einem Engelsreigen; außerdem malte er auf eine Wand derselben Kapelle in vollendeter Weise einige Heilige in Fresko. In der anderen, der Madonna geweihten [Kapelle] ist die Geburt Christi dargestellt und einige Frauenfiguren, die ihn in einer kleinen hölzernen Wanne waschen und dies mit einer weiblichen Anmut tun, die mehr als trefflich zum Ausdruck gebracht ist. In der Ferne befinden sich auch ein paar Schäfer in der ländlichen Kleidung jener Epoche, die ihre Schäfchen hüten und sehr lebhaft und höchst aufmerksam den Worten des Engels lauschen, der sie anweist, nach Nazareth zu gehen. Auf der anderen Wand ist die Anbetung der Könige gezeigt, mit den Trossen, Kamelen, Giraffen und dem gesamten Gefolge jener drei Könige, die ihre Schätze ehrfurchtsvoll darbieten und Christus im Schoß der Mutter anbeten. Darüber hinaus schuf er in der Wölbung und einigen der Giebelfelder außen ein paar wunderschöne Szenen in Fresko.19 Wie es heißt, hat zu der Zeit, als Parri dieses Werk ausführte, Bruder Bernhardin aus Siena,20 ein Franziskaner und Mann heiliger Lebensführung, in Arezzo gepredigt und viele seiner Mitbrüder dadurch zu einem wahren geistlichen Leben bewegt wie auch zahlreiche andere Menschen bekehrt, weshalb er für sie die Kirche von Sargiano bauen wollte und dafür von Parri das Modell anfertigen ließ.21 Als er später hörte, daß eine Meile vor der Stadt im Wald bei einem Brunnen viele schlimme Dinge geschahen, machte er sich, die gesamte Einwohnerschar Arezzos im Gefolge, eines Morgens dorthin auf, in der Hand ein großes Holzkreuz, so wie er es gewöhnlich zu tragen pflegte. Dann ließ er nach einer feierlichen Predigt den Brunnen abtragen, den Wald roden und kurze Zeit später mit dem Bau eines Kapellchens beginnen, das dort zu Ehren der Madonna unter dem Weihtitel Santa Maria delle Grazie errichtet wurde.22 Im Inneren wünschte er sich nun, daß Parri, wie er es dann tat, mit eigener Hand die Glorreiche Jungfrau malen würde, wie sie mit ausgebreiteten Armen die gesamte Bevölkerung von Arezzo unter ihrem Mantel birgt. Diese hochheilige [Figur der] Jungfrau hat an jenem Ort dann viele Wunder gewirkt und tut dies auch weiterhin. An diesem Ort hat die Gemeinde von Arezzo später eine wunderschöne Kirche errichten und in ihrem Zentrum die von Parri geschaffene Madonna aufstellen lassen. Rings um den Altar und darüber ist sie mit reichverziertem Rahmenwerk aus Marmor und Figuren eingefaßt worden, wie es in der Vita von Luca della Robbia23 und seines Neffen Andrea24 gesagt worden ist und wie es nach und nach in den Lebensbeschreibungen derer zu berichten sein wird, deren Werke jenen heiligen Ort zieren.25
Die Verehrung, die er jenem heiligen Mann entgegenbrachte, hat Parri nicht lange danach veranlaßt, besagten Heiligen Bernhardin auf einem großen Pfeiler im Alten Dom in Fresko zu porträtieren. An jenem Ort malte er außerdem in einer kleinen, ihm geweihten Kapelle die Verherrlichung jenes Heiligen im Himmel, umringt von einer Engelsschar und dazu drei Halbfiguren: zwei auf den Seiten, welche Geduld und Armut darstellten, und eine darüber, das war die Keuschheit – drei Tugenden, die jenen Heiligen bis zu seinem Tod begleitet haben. Unter seinen Füßen hatte er einige Bischofsmützen und Kardinalshüte, um zu veranschaulichen, daß er alles Weltliche verhöhnt hat und solche Würden immer verschmähte. Und unterhalb von diesen Malereien war die Stadt Arezzo in der Gestalt abgebildet, die sie zu jener Zeit aufwies.26 Ebenso freskierte Parri an der Außenseite des Doms für die Annunziata-Bruderschaft in einem Kapellchen oder besser gesagt in einer Maestà27 die Madonna, wie sie sich durch die Verkündigung des Engels vor Schreck mit dem ganzen Körper wegdreht.28 Und in dem kreuzgratgewölbten Himmel schuf er in jeder Ecke zwei Engel, die durch die Luft fliegen und auf verschiedenen Instrumenten musizieren, wobei sie wirken, als würden sie sich aufeinander einstimmen, und man beinahe einen allerliebsten Wohlklang zu hören vermeint. Auf den Wänden sind noch vier Heilige dargestellt, will heißen auf jeder Seite zwei. Die Fähigkeit, seine Vorstellung mit noch anderen Mitteln zum Ausdruck zu bringen, hat er dann an den beiden Pfeilern demonstriert, die am Eingang den vorderen Bogen tragen. Auf dem einen ist nämlich eine wunderschöne Caritas, die liebevoll ein Kind stillt, ein anderes herzt und das dritte an der Hand hält; auf dem anderen dann eine neuartig gemalte Figur des Glaubens, die in der einen Hand den Kelch und das Kreuz hält und in der anderen einen Becher mit Wasser, den sie über dem Kopf eines Jungen ausgießt und ihn