Sie sagen, Ercole habe zwölf Jahre Arbeit in dieses Werk gesteckt, sieben für die Ausführung in Fresko und fünf für das Überarbeiten auf dem trockenen Putz.17 Tatsächlich hat er in diesem Zeitraum sicher auch einige andere Werke ausgeführt, insbesondere, wie man weiß, die Predella am Hauptaltar von San Giovanni in Monte, in der er drei Szenen mit der Passion Christi darstellte.18 Ercole besaß einen verschrobenen Charakter und hatte vor allem beim Arbeiten die Angewohnheit, sich weder von Malern noch sonst irgendwem zusehen zu lassen, weshalb er in Bologna bei den Malern der Stadt verhaßt war, die aus Neid Groll gegen alle Fremden hegten, die man zum Arbeiten dorthin geholt hatte. Dasselbe Verhalten zeigen sie aus Konkurrenz allerdings auch untereinander, zumal dies sozusagen ein spezielles Laster der Ausübenden dieser unserer Künste an jedem Ort ist.19 Jedenfalls stimmten sich einige der Bologneser Maler mit einem Tischler ab und ließen sich von ihm in der Kirche nahe der Kapelle, in der Ercole arbeitete, einschließen. In der folgenden Nacht brachen sie mit Gewalt in sie ein, gaben sich aber nicht damit zufrieden, das Werk zu betrachten, was ihnen hätte genügen sollen, sondern stahlen ihm auch noch alle Kartons, die Skizzen, Zeichnungen und auch sonst alles andere, was es an Brauchbarem dort zu holen gab. Darüber empörte Ercole sich dermaßen, daß er, kaum war er mit dem Werk fertig, aus Bologna aufbrach, ohne auch noch einen Augenblick länger dort zu verweilen. Mit sich nahm er Duca Tagliapietra,20 einen sehr namhaften Bildhauer, der dort, wo Ercole sein Werk malte, das wunderschöne Blattwerk an der Brüstung vor dieser Kapelle in Marmor skulptiert hat und dann in Ferrara all die Steinfenster am Herzogspalast schuf, die sehr schön sind. Und weil Ercole es schließlich leid war, von Zuhause weg zu sein, blieb er fortan zusammen mit ihm immer in Ferrara und führte in jener Stadt viele Werke aus.
Ercole liebte den Wein über alle Maßen; sehr oft betrank er sich und verkürzte damit sein Leben, da er, der bis ins Alter von vierzig Jahren ohne irgendein Leiden gelebt hatte, eines Tages ganz plötzlich einen Schlaganfall bekam, an dem er innerhalb kurzer Zeit starb.21 Er hinterließ seinen Schüler, den Maler Guido Bolognese,22 der – was man an der Stelle sieht, an die er seinen Namen setzte – im Jahr 1491 unter dem Portikus von San Piero in Bologna eine Kreuzigungsszene mit den Marien, den Schächern, dazu Pferde und weitere angemessen gelungene Figuren schuf.23 Von dem Wunsch beseelt, in jener Stadt genauso angesehen zu werden, wie es sein Meister gewesen war, lernte er so viel und unterwarf sich solchen Strapazen, daß er mit fünfunddreißig Jahren starb. Hätte Guido seine Lehre noch im Kindesalter begonnen und nicht erst, wie er es tat, mit achtzehn Jahren, dann wäre er seinem Meister nicht nur gleichgekommen, sondern hätte ihn noch um Längen übertroffen.24
In unserem libro befinden sich darüber hinaus Zeichnungen von der Hand Ercoles und Guidos, die sehr gut gemacht sind und in der Linienführung Anmut und guten Stil zeigen, et cetera.25
Ende der Lebensbeschreibung des Malers Ercole Ferrarese.
Einleitung zum Leben des Cecca
Die Vita Ceccas ist besonders reich an literarischen, historischen und kulturhistorischen Informationen, denn Vasari geht im Zuge der Schilderung dessen künstlerischer Tätigkeit auch auf die frühneuzeitliche Praxis der Mysterienspiele ein sowie auf ihre Entwicklung im Kontext des Festwesens. Außerdem erwähnt er Ereignisse aus der Florentiner Stadtgeschichte und der Herrscherfamilie der Medici.
Zu Beginn bezeichnet Vasari den Künstler als einen hervorragenden Holzschnitzer, ohne weiter auf entsprechende Arbeiten wie etwa umfangreiche Intarsien für den Palazzo Pubblico und andere Werke für die Signoria von Florenz in den Jahren 1481 bis 1486 einzugehen. Auch von Ceccas Einlegearbeiten für Chorgestühl hat Vasari keine Kenntnis. So konzentriert er das Bild des Künstlers im weiteren Verlauf der Vita auf das eines Festungs- und Festivitäteningenieurs, der sich auf vorbildliche Weise darum bemühte, alles zu bauen, »was dem Feind schaden und dem Freund nutzen könnte«.
Der einleitend ausgeführte Aspekt der Nützlichkeit der Architektur sowie Ceccas Verdienst für die Republik Florenz in Kriegs- wie in Friedenszeiten liefern das Rahmenthema der Vita, das auch am Ende noch einmal aufgegriffen wird.
Die erwähnten militärischen Festungsbauten verweisen bereits auf die Ingenieurstechnik als eine der zentralen künstlerischen Fähigkeiten Ceccas. Die Militärtechnik nimmt in der Entwicklung von Konstruktionsmethoden und -instrumenten eine wichtige Stellung ein. Experten auf diesem Gebiet waren seinerzeit vor allem Leonardo da Vinci, Francesco di Giorgio Martini und Michele Sanmicheli.
Der fließende thematische Übergang von den Festungsanlagen zum Komplex der Festkultur, der den Hauptteil der Vita bildet, macht deutlich, welche für uns heute unterschiedlich erscheinenden Aufgabengebiete für die Ingenieurstechnik in der Renaissance nah verwandt waren. So wurden die Aufgaben des Architekten in der Frühen Neuzeit nicht von denen des Ingenieurs oder Bauhandwerkers abgegrenzt, all diese Aufgaben galten vielmehr als Einheit.
Besonderes Augenmerk widmet Vasari der Beschreibung von Ceccas religiösen und profanen Festapparaten. Dabei erkennt er den ephemeren Dekorationen für die Florentiner Mysterienspiele besonderes Gewicht zu. Ceccas Innovationen bestanden aus beweglichen Bühnenböden, die Auf- und Abwärtsbewegungen für Inszenierungen der Himmelfahrt oder der Verkündigung simulieren konnten. Auffällig ist die besondere Stellung Ceccas als Erbe Brunelleschis, die in der Passage über die Theatermaschinen für Santa Maria del Carmine und San Felice in Piazza deutlich wird. Die betreffenden Beschreibungen in beiden Viten sind auffällig kongruent und betonen die Ingenieurleistungen der beiden Künstler (vgl. Vasari, Brunelleschi, S. 59–62).
Die liturgischen und dramatisch inszenierten Prozessionen anläßlich der Feste bestimmter Heiliger näherten sich immer mehr den festlichen Herrschereinzügen von Päpsten, Fürsten oder Gesandten an. Vasari zeigt diesbezüglich ein Bewußtsein für die Veränderungen, die vor allem die Medici für die Glorifizierung des Herzogtums zu nutzen wußten, indem sie Szenen aus der antiken Geschichte in den Festapparaten aufgriffen. Dadurch gelang es ihnen, den mittelalterlichen Stadtraum, der die Kulisse für die Aufzüge bildete, mit Triumphzügen all’antica neu zu besetzen und als ihr Machtzentrum auszuweisen. Architektur und Theater als architektonische Inszenierung politischer Ideale wirkten dabei zusammen und wurden maßgeblich durch Künstler gestaltet, unter denen Cecca eine bedeutende Rolle einnimmt. Die Entwicklung der Festkultur mit ihrer Wiederaufnahme antiker Formen nutzt Vasari als Hintergrund, um Florenz als Stadt der künstlerischen Neuerungen darzustellen – ein Leitmotiv, das die meisten Viten durchzieht und explizit in der Vita Peruginos ausgeführt wird (»daß nämlich die Menschen in Florenz mehr als anderswo in allen Künsten und insbesondere in der Malerei Vollkommenheit erlangten«, Vasari, Perugino, S. 24). Die Würdigung Ceccas muß auch vor dem Hintergrund von Vasaris eigenen szenographischen Arbeiten gelesen werden, die für ihn einen hohen theoretischen Stellenwert besaßen.
Der Begriff des ingegno findet sich an mehreren Stellen der Vita. Herausgehoben wird damit vor allem Ceccas kreativ-schöpferischer Erfindungsreichtum und sein technischer Sachverstand, den er beispielsweise durch den Gerüstbau anläßlich der Restaurierung der Mosaiken im Florentiner Baptisterium von San Giovanni direkt zum Nutzen der Kunst einsetzte. Der Anspruch, als Architekt wissenschaftlich versiert und handwerklich