Stalingrad - Die stillen Helden. Reinhold Busch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Busch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783990810422
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aus das Lazarett begleiteten und in der Betreuung und Pflege von Verwundeten wertvolle Arbeit leisteten. Dazu kamen noch Hiwis95, die als Krankenträger und zur Unterstützung der Handwerker u.a. eingesetzt wurden. Ohne die Hilfe der Ukrainer und Russen wäre die anfallende Arbeit nicht zu schaffen gewesen!

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       Dr. Hans Werner Bötticher, Chirurg im Feldlazarett 1/542

      Die zeitweise Belegung des Lazaretts betrug bis zu 1000 Verwundeten; dazu wurde im Laufe von zwei Monaten ein Friedhof mit fast 1000 Gräbern angelegt. Wichtig war der Transport in das rückwärtige Gebiet, der von den Flugplätzen in der Umgebung erfolgte und dadurch möglich war, daß zwischen Lazarett und diesen Plätzen enge Verbindungen bestanden.“96

      Oberarzt Dr. Hans-Werner Bötticher97 berichtet: „Das motorisierte Feldlazarett 1/542 war 1939 in Dresden aufgestellt worden; alle Sanitäter waren Sachsen. Die anderen Armeefeldlazarette stammten aus Berlin, Brandenburg und Magdeburg. Wir waren insgesamt 142 Mann, darunter zwei Internisten, zwei Zahnärzte, zwei Pfarrer und ein Zahlmeister; unser Chefarzt war Dr. Schöne98. Er war zwar Chirurg, operierte aber nie und half auch nicht bei den Operationen. Ich war der Chirurg; der zweite Chirurg, Dr. Schneider aus Zwickau, war kein Facharzt, sondern praktischer Arzt, der ein wenig Chirurgie betrieben hatte. Für mich war das sehr ungünstig, da ich alle größeren Operationen allein ausführen mußte. Er assistierte mir nicht, sondern arbeitete selbständig. Bei diesem Lazarett war ich seit dem Frankreichfeldzug; es unterstand immer der 6. Armee. Lagen wir in Ruhestellung, wurde ich immer sofort zu einem der anderen Feldlazarette unserer Armee geschickt. Wir sollten dann in Jugoslawien eingesetzt werden, wurden dann aber nach Österreich und anschließend nach Rußland verlegt.

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       Dr. Konrad Schöne, Chef des Feldlazaretts 1/542

      In die Gegend von Stalingrad gerieten wir praktisch ohne Kampf. Das Lazarett wurde im September 1942 in einer Kolchose bei Karpowka eingesetzt. Die Verwundeten lagen in ehemaligen Kuhställen, die gut vorbereitet und recht sauber waren. Wir hatten viele Feldbetten, sogar richtige Olympia-Betten aufgestellt. Unser Lazarett war mit Instrumenten und Verbandmaterial gut versorgt. Alles war komplett; es gab gute Op-Leuchten mit Batterien. Unsere Köche waren hervorragend. Die Gebäude waren mit etwa 200 bis 300 Patienten belegt. Die Verwundeten wurden zum Heimtransport mit Kähnen über den Don gefahren, da keine Brücke heil war; auf der anderen Seite warteten schon deutsche Lazarettzüge auf Gleisen, die schon umgespurt waren. Einmal belud ich selbst einen Lazarettzug mit über 300 Verwundeten.

      Im Feldlazarett arbeiteten mehrere Rotkreuzschwestern. Zwei sehr nette Op-Schwestern waren schon seit einem ¾ Jahr bei uns. Da ich sie aber nicht als solche beschäftigen konnte, weil ich schon eingearbeitete Sanitäter hatte und so viel operieren mußte, setzte ich sie wie Ärzte ein, denn so konnten sie sich um die Verwundeten kümmern. Beide, sehr liebe Mädchen, erledigten ihre Aufgaben hervorragend. Sie mußten bei der Kesselbildung ausgeflogen werden. Der Verwundetendurchgang war enorm; ich konnte immer nur ein paar Stunden schlafen, dann ging’s schon wieder los. Die Narkosen machte einer der Zahnärzte. Wir begannen grundsätzlich mit intravenösem Evipan und machten mit Äther weiter, so daß die Patienten sofort schliefen und ich schnell mit der Operation beginnen konnte. Die Pflege wurde von den guten Sanitätern wahrgenommen. Beratender Chirurg war Prof. Kuntzen; er geriet aber nicht in den Kessel und schickte statt dessen Prof. Gross als seinen Nachfolger. Eines Tages erschien auch Generalarzt Dr. Renoldi, ein sehr unangenehmer Vorgesetzter! Er hatte eine kleine Verletzung und wollte von mir das Verwundeten-Abzeichen haben. Da das Ganze nicht nach einer Verwundung aussah, weigerte ich mich. Er haute dann sehr rasch wieder ab. In den letzten Tagen in Karpowka bekam ich noch Typhus und war damit bis Weihnachten arbeitsunfähig. Unser Internist Dr. von Drigalski99, der mich auch gegen Fleckfieber impfte, behandelte mich.“100

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       Dr. Karl Ludwig Schober

      Auch Dr. Schober101 arbeitete in diesem Lazarett: „Am 4. November 1942 wurde ich von meinem Lazarett 3/542, welches etwas westlich des Don in Ruhe lag, zum Feldlazarett der 76. Division nach Karpowskaja kommandiert. Da aber in der Nacht vor meiner Ankunft die Einrichtungen dieser Einheit unter großen Verlusten fast völlig zerstört waren, brachte sie alle Verwundeten zum Abtransport. Ich blieb also nur drei Tage zu Gast und wurde dann weitergeleitet an das 1. Feldlazarett, ein Schwesterlazarett meiner Einheit aus der 6. Armee. Ich kam nach Karpowka, wo das Lazarett in einem großen Sowchos untergebracht war, und wurde der chirurgischen Gruppe meines väterlichen Freundes N.102 zugeteilt. Wenige Tage später sollte nun mein Stammlazarett auch eröffnet werden, und ein Arzt vom Feldlazarett 1 wurde zu meiner Einheit kommandiert. Das konnte natürlich nur ein Irrtum sein. Denn es wäre viel einfacher gewesen, mich zu meinem Haufen zurückzuschicken; dann wäre jeder an seinem Fleck geblieben. Mein neuer Chef, der Oberstabsarzt Schöne aus Merseburg, sah das auch ein und telefonierte mit dem Armeearzt. Aber dort war man stur und es hieß: Befehl ist Befehl, Schober bleibt in Karpowka und L. fährt nach Katschalinskij103 zum Feldlazarett 3/542. Und L. fuhr über Kalatsch nach Westen. Am Morgen des 20. November passierte er die Donbrücke, und am Nachmittag waren die Russen in Kalatsch. Er war draußen und ich saß im Kessel.“104

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       Dr. Günther Kitzig

      Der zweite Internist des Feldlazaretts 1/542 war Dr. Zartmann105, weitere Ärzte Stabsarzt Dr. Laurösch106 und Dr. Günther Kitzig107, der noch aus dem Kessel ausgeflogen wurde. Zahnärzte waren Dr. Plömacher108, der wegen Diphtherie schon im Dezember 1942 aus dem Kessel ausgeflogen wurde, und Dr. Ludwig109. Pfarrer war Dr. Kessler110, der seit dem 8. Januar 1943 vermisst ist. Zahlmeister war Otto Linke111, vermisst seit dem 20. Januar 1943.

       Die Sanitätseinheiten der 44. Infanterie-Division

      Auch die 44. Infanterie-Division führte neben den zwei Sanitäts-Kompanien ein Feldlazarett mit. Chef der 1. Sanitäts-Kompanie war Oberstabsarzt Dr. Helmuth Scholz112; weitere Ärzte: Oberarzt Dr. Fritz Steiner113, die Brüder Dres. Adolf und Rudolf Pölzer114 und der Zahnarzt Dr. Ludwig Lermer115. Chef der 2. Sanitäts-Kompanie seit dem 13. August 1942 war Stabsarzt Dr. Hans Unger116. Als weitere Ärzte wurden noch Stabsarzt Dr. Fröhlich117 und Dr. Schuppler118 erwähnt.

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       Dr. Ludwig Lermer

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       Feldflugplatz in der Donsteppe

      Dr. Dibold: „Das Feldlazarett 44 war vom damaligen Oberstabsarzt und späteren Generalarzt Dr. Max Rummler, einem Facharzt für Chirurgie, im August 1938 in der Dietrichschule in Wien III aufgestellt worden; die Sanitätsdienstgrade wurden im Rainerspital in Wien ausgebildet. Der Sommervormarsch in die Steppe am Don brachte tropische Situationen, die Erfahrene an den Abessinien-Krieg erinnerten; bald aber kamen die kalten Herbstnächte und die Schwierigkeiten ärztlicher Art. Die 1. Sanitätskompanie hatte sich einen komplizierten unterirdischen Bau in der Golubaja-Schlucht errichtet, die 2. Kompanie lag auf der sogenannten ‚Molkerei‘ auf den Donhöhen südlich von Ssirotinskaja, das Feldlazarett 44 südlich der Golubajaschlucht in Nejdenow119 in einer Kolchose oder Sowchose. Durch die Gelbsuchtepidemie kam es zu Raummangel. Auf der ‚Molkerei‘ fand ein Symposium der Sanitätsoffiziere über Nierenerkrankungen und Wassersucht statt. Die Ausführungen waren von einer gewissen Trauer getragen, die den Beteiligten