Stalingrad - Die stillen Helden. Reinhold Busch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Busch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783990810422
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mit Zeltplane untergebracht waren, wo ihnen durch Feindeinwirkung der Sand von der Überdachung ins Gesicht rieselte. Gewiß waren sie nur schwer davon zu überzeugen, daß dies alles lebensrettende Maßnahmen waren und man nicht – wenn auch menschlich verständlich – resignieren durfte. Resignation war nämlich nicht nur ein schlechter Heilfaktor, sondern auch übergreifend eine Gefahr für die Belegschaft der ‚Intensivstation‘.

      Alle diese Aufgaben und Belastungen bewältigte die 2. Sanitätskompanie 160 im Kampfgebiet um Stalingrad über drei Monate hinweg, indem nicht nur ihre vier Ärzte, sondern auch jeder Angehörige der Kompanie an seiner Stelle das Äußerste, d.h. bis an die Grenze des Menschenmöglichen, in dem unerschütterlichen Bestreben hergab, das Leben von Kameraden zu retten und zu erhalten.“77

      Anfang August hatte der HVP der 2. San.Kp. 160 noch in Ossinowskij gelegen, Ende August in Wertjatschij am Don. Im Oktober richtete sich die Kompanie wie die erste dann einen Kilometer ostwärts von Konnaja ein. Unterarzt Dr. Hubert Haidinger: „Wir erreichten die Gegend von Gumrak, wo unser Hauptverbandplatz eingerichtet wurde. Der vorgeschobene Verbandplatz, auf dem ich eingesetzt war, befand sich im Nordriegel in der Nähe des Bahnhofs Konnaja. Dort waren verlassene eingegrabene Stellungen der Russen – sauber und bestens geeignet für unseren Bedarf. Ständige harte Angriffe des Feindes brachten immer wieder einen gewaltigen Anfall von Verwundeten und Sterbenden. Mit einem Großangriff des Feindes aus dem Norden mußte gerechnet werden.“78

       Sanitäts-Kompanien und Feldlazarett der 3. Infanterie-Division

      Die 3. Infanterie-Division, die den schnellen Vorstoß auf Stalingrad Ende August 1942 mitmachte, führte außer den beiden Sanitäts-Kompanien das Feldlazarett 3 mit. Über die beiden Kompanien war wenig zu ermitteln; Divisionsarzt war Oberstarzt Dr. Paul Schmidt. Die 1. Kompanie hatte ihre Hauptverbandplätze in der Donsteppe vom 1. bis zum 8. August 1942 in verschiedenen Dörfern, zuletzt in Ossinowskoje; beim schnellen Vorstoß bezog sie am 25. August ihren HVP in Wertjatschij. Der Name des Kompaniechefs war von mir nicht festzustellen; weitere Ärzte waren Dr. Kurt Oppers79, der im Oktober 1940 zu dieser Sanitätseinheit versetzt wurde und als Zugführer eingesetzt war, Assistenzarzt Dr. Hermann Breite80, Dr. Heinrich Moos81, als Chirurg Dr. Bernd Rarei82, Dr. Friedrich Schirrmeister83; von der Übergabe des HVP am 23. Januar 1943 berichtete Oberarzt Dr. Hühne.

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       Dr. Bernd Rarei

      Von der 2. Sanitäts-Kompanie konnte ich keinen einzigen Angehörigen ermitteln. Allerdings konnten zwei Ärzte keiner der beiden Kompanien zugeordnet werden: Oberarzt Dr. von Lüttwitz84 und Stabsarzt Dr. Schulze-Gabler85. Die Einheit erreichte noch vor der 1. Kompanie Stalingrad und eröffnete ihren Hauptverbandplatz am 26. August 1942 etwa fünf Kilometer westlich der Wolga und zwölf Kilometer vor Stalingrad an der Straße Orlowka-Jesowka in der Nähe einer landwirtschaftlichen Milchfarm. Ende September wurde der HVP in die Talowoj-Schlucht in der Nähe der Bahnlinie Werpenowo-Gumrak verlegt.

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       Dr. Bruno Geisler, Chef des Feldlazaretts 44

      Im Oktober 1942 rückte ein Vorauskommando des Feldlazaretts 3 unter Stabsarzt Dr. Otto Zillessen86 nach Werchne Kumojarski am unteren Don. Außer ihm war der Sanitätsfeldwebel Martin Kade87 einer der wenigen Angehörigen der Sanitätseinheiten der 3. Division, die Stalingrad überlebten. „Die Soldaten der Division kamen aus Brandenburg. Unser Lazarett hatte ungefähr 75 Mann, von denen ich wohl der einzige bin, der noch lebt.

      Unser Chef war Dr. Geisler88; in Dibolds Buch wird er als Augenarzt beschrieben, er war aber Internist. Er kam aus Müncheberg bei Berlin. Er hatte sich nur für Augenkrankheiten interessiert. Das war der erste Zug unseres Feldlazaretts. Im zweiten Zug waren wir, sozusagen die chirurgische Abteilung. Dort war Dr. Martin89 aus Fürstenwalde, der war unser erster Chirurg. Es gab dann noch einen Oberarzt Dr. Bartoleit, ein ganz lieber Mensch, der, glaube ich, im Kessel nicht mehr dabei war. Er hatte ein trauriges Schicksal: Er hat sich bei Kriegsende erschossen und seine ganze Familie, obwohl er kein Nazi war. Es gab ja viele Leute, die dachten, jetzt sei die Welt zu Ende.

      Zunächst waren wir in der Zariza-Schlucht eingesetzt. In dieser Schlucht eröffneten wir unser Lazarett in den Löchern, in den Höhlen. Wir hatten zwar Feldbetten, aber in diesen Höhlen wurden primitive Pritschen gebaut. Unser Zug hatte dort wieder die Versorgung der Verwundeten; die anderen hatten Aufgaben wie Transport und die Besorgung der Verpflegung sowie die Beerdigung der Toten. Meist lagen bei uns Verwundete, so etwa 100; Kranke hatten wir nicht allzu viele.

      In unserem Lazarett arbeiteten auch zwei russische Hiwis, einer aus Usbekistan, der hieß Alem, ein ganz lieber Kerl, und der andere war ein Moskauer, der sprach ganz gut deutsch; ich nehme an, er war Lehrer. Mit dem hatte ich noch am Schluß, bevor es in die Gefangenschaft ging, ein langes Gespräch: Er erzählte mir, es sei wie beim Schachspiel. Wer nachher die letzte Figur habe, der habe den Krieg gewonnen. Alle hatten Angst, denn sie wußten ja, wie es ihnen gehen würde. Ich weiß nicht mehr, wo sie geblieben sind; zum Schluß waren sie nicht mehr dabei.

      An den Nachtmarsch nach Stalingrad hinein kann ich mich sehr gut erinnern. Wir mußten das Lazarett aufgeben, und ein Mann von uns – ein Sanitäter, der dazu eingeteilt wurde – blieb bei den Kranken und Verwundeten, die wir leider zurücklassen mußten, weil wir sie nicht transportieren konnten. Wir konnten uns auch mit den Verwundeten nicht belasten, weil wir nicht wußten, ob wir in Stalingrad überhaupt ein Lazarett aufmachen konnten. Von den Zurückgebliebenen haben wir nie wieder etwas gehört!“90

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       Dr. Albert Lünhörster

      Weitere Ärzte des Feldlazaretts 3 waren Assistenzarzt Dr. Albert Lünhörster91 und Unterarzt Dr. Fritz Hase92. Zahnarzt war Oberarzt Dr. Schäfer93.

       Das Armeefeldlazarett 1/542

      Über das Lazarett berichtet Dr. Gerhard Steinberg94: „Nach meiner Tätigkeit in der Armee-Sanitätskompanie 2/541 wurde ich zum Armeefeldlazarett 1/542 der 6. Armee versetzt. Die Einheit war gut beweglich; die Gesamtstärke betrug 75 Mann. Der Einsatz erfolgte wie bei einem Divisionslazarett. Im März 1941 wurden wir in den Osten im Raum von Lublin verlegt und bereiteten uns auf die schlechten hygienischen Verhältnisse vor. Beispielsweise schafften wir bewegliche Duschanlagen, behelfsmäßige Entlausungsanlagen u. a. an. Das Feldlazarett war mit Fachärzten – Chirurgie, HNO, Augen, Innere – besetzt. Dadurch eröffneten sich viele Möglichkeiten. Das fachärztliche Gerät war vollständig und in ausreichendem Maße vorhanden.

      In der Anfangszeit erfolgten Einsätze in kleinen Krankenhäusern. Hier wurden für die späteren Einsätze Bettstellen und Matratzen sichergestellt und in einem Beutefahrzeug mitgeführt. Dies erwies sich später als sehr günstig für die Versorgung der Schwerverwundeten und Schwerkranken. In der Schlammperiode wurde das Lazarett getrennt und dann im Winter ein Auffanglazarett vorwiegend für Erfrierungen im Raum Belgorod eingerichtet. 1942 ging es mit der 6. Armee Richtung Stalingrad. Wir hatten immer nur kurzdauernde überschlagende Einsätze mit Divisionslazaretten.“

      Die Hauptverbandplätze lag Anfang August 1942 bei Rossosch/Bezirk Rostow; Mitte bis Ende Oktober betrieb das Lazarett eine Krankensammelstelle bei Kalatsch. „Die Erkundung einer größeren Einsatzmöglichkeit zwischen Don und Wolga führte in eine Sowchose im Raum Karpowka. Das Lazarett nahm immer größere Ausmaße an; daher kam Unterstützung durch Ärzte und Sanitätspersonal der Kriegslazarettabteilung sowie Personal einer Truppenentgiftungs-Kompanie. Gleichzeitig wurden von der Kriegslazarettabteilung vier Schwestern kommandiert, die aufopferungsvolle Arbeit