Beobachten Sie also, wie sich der Schreihals in Bezug auf die Machtkonstellationen in Ihrem Projekt entwickelt. Ist es notwendig, ihn von Ihrem Projekt zu überzeugen? Definitiv nein! Stakeholdermanagement ist ein schwieriges und vor allem zeitintensives Unterfangen, schonen Sie Ihre Kräfte und beschäftigen Sie sich mit denen, die Ihnen wirklich schaden (A-Quadrant) oder richtig helfen können (B-Quadrant). Sie haben auch sonst schon genug zu tun.
D-Quadrant
Letztlich erinnert das Stakeholderportfolio immer auch an die Eisenhower-Matrix zum Zeitmanagement bzw. Delegieren von Aufgaben (siehe Seite 234). Wichtige und dringliche Aufgaben (A-Quadrant) erledigen Sie selbst und möglichst sofort. Unwichtige und nicht dringliche Aufgaben (D-Quadrant) kommen in den Papierkorb, verschwenden Sie keine Zeit darauf, die Erledigung dieser Aufgaben bringen Sie nicht weiter, binden aber eine Menge Zeit. Ähnlich sieht es hier auch aus, es gibt eine Vielzahl von Stakeholdern, denen Ihr Projekt, obwohl sie betroffen sind, einfach nur egal ist und die zudem auch keinen Einfluss nehmen können. Das Bild des Papierkorbs ist jetzt nicht wirklich das adäquate Symbol, aber verschwenden Sie keine Zeit in Richtung dieser Stakeholder. Priorisieren Sie einfach in Richtung A-Quadrant und B-Quadrant und behalten Sie Ihren C-Quadranten im Auge.
Schritt 4: Maßnahmen entwickeln
Sobald Sie nun die von Ihnen identifizierten Stakeholder in Bezug auf ihr Konfliktpotenzial und ihren Einfluss eingeschätzt und zudem herausgefunden haben, welches Interesse die jeweiligen Stakeholder an Ihrem Projektvorhaben haben und in welcher Beziehung sie zueinander stehen, können Sie sich überlegen, wie Sie mit den einzelnen Personen oder Personengruppen verfahren möchten. Welche Strategien möchten Sie anwenden, um den Stakeholder in Ihrem Sinne bzw. im Sinne Ihres Projekts zu beeinflussen oder zumindest dahin gehend zu beeinflussen, dass dieser Stakeholder Ihr Projekt nicht gefährdet?
Nun kann es schwierig werden, jeden einzelnen Stakeholder unter die Lupe zu nehmen und zu schauen, wie er in Bezug auf unser Projekt beeinflusst werden kann. Bei kleineren Projekten, bei denen der Kreis der Stakeholder überschaubar ist, mag das noch gehen, bei großen, sehr komplexen Projekten, die sich unter Umständen auch noch im internationalen Umfeld bewegen, wird das schon komplizierter. Hier ist möglicherweise die Anzahl der Stakeholder recht hoch. Um den Aufwand möglichst gering zu halten, gibt es im Projektmanagement bewährte Beeinflussungsstrategien, besser vielleicht Handlungsstrategien, die uns dabei helfen, einzuschätzen, wie wir mit unseren Stakeholdern umgehen können. Das Schöne daran ist, dass diese Strategien mit den oben entwickelten Quadranten korrespondieren. Man spricht gelegentlich auch von der »Quadrantenstrategie«:
Partizipative Strategie (partizipative Maßnahmen)
Die Strategie für den Stakeholder des B-Quadranten: Die partizipative Strategie wird bei den Stakeholdern angewendet, die großen Einfluss geltend machen, dem Projekt aber positiv gegenüberstehen. Diese Stakeholder werden in wesentliche Kommunikations- und Entscheidungsprozesse mit eingebunden. Das sind Stakeholder, deren Meinung wichtig ist und deren Ratschläge auch Gehör finden. Das Verhältnis ist partnerschaftlich. Durch die enge Einbindung wird die positive Sichtweise auf das Projekt verstärkt – und das insbesondere dadurch, dass dieser Stakeholder sich tatsächlich auch ernst genommen fühlt.
Am Ende ist dieser Stakeholder nicht nur derjenige, der Ihrem Projekt positiv gegenübersteht, sondern sich auch aktiv für Ihr Projekt einsetzt. Nehmen Sie diesen Stakeholder mit, lassen Sie ihn partizipieren, dann wird er sich für das Projekt begeistern und mit dieser Begeisterung andere Stakeholder anstecken. Diesen Trumpf dürfen Sie nicht aus der Hand geben. Spielen Sie ihn, wann immer Sie können. Am Ende ist es reiner Pragmatismus, denn um alle diejenigen, die von diesem Stakeholder begeistert werden, brauchen Sie sich schon nicht mehr zu kümmern und haben Zeit für andere Dinge.
Diskursive Strategie (diskursive Maßnahmen)
Die Strategie für den Stakeholder des A-Quadranten: Leider können Sie die Stakeholder des A-Quadranten nicht ignorieren. So sehr Sie sich gelegentlich wünschen, diesem Stakeholder sagen zu können, dass Sie seine Meinung zu Ihrem Projekt nicht interessiert – dies ist nicht die richtige Strategie, und Sie sollten diese Art der Auseinandersetzung tunlichst vermeiden. Sie müssen sich mit ihm befassen, denn, wie bereits gesagt, er hat eventuell die Macht, Ihr Projekt scheitern zu lassen.
Mit diesen Stakeholdern müssen Sie streiten, diese Stakeholder müssen Sie überzeugen, bei diesen Stakeholdern müssen Sie werben. Das bedeutet, dass Sie deren Argumente kennen müssen und möglichst antizipieren können, um sie in der Auseinandersetzung mit ihnen zu entkräften. Im besten Fall gelingt es Ihnen, diesen Stakeholder von den Zielen Ihres Projekts zu überzeugen und ihn ins Boot zu holen. Das, was Sie aber mindestens erreichen müssen, ist, den Stakeholder so einzufangen, dass er Ihr Projekt nicht torpediert. Bei allem, was Sie im Projektgeschäft zu tun haben, bleibt nämlich keine Zeit mehr dafür, auch noch Schüsse von der Seite abzuwehren.
Repressive Strategien (repressive Maßnahmen)
Die Strategie für Stakeholder des C-Quadranten: Nennen Sie ihn, wie Sie wollen, etwa zahnloser Tiger oder Rochen ohne Stachel. Er ist einer der sprichwörtlichen Hunde, die bellen, aber nicht beißen. Machen wir uns jedoch nichts vor, auch die ständige Nörgelei und die ewige Schießerei mit Softbällen nerven und binden im schlimmsten Fall Zeit. Diesen Stakeholder informieren Sie so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Geben Sie ihm durch eine gezielte Dosierung an Informationen das Gefühl, dabei zu sein. Wenn Sie Promotoren haben, lassen Sie diese auf den Nörgler einwirken. Oft wollen solche Querulanten auch einfach nur ein bisschen Aufmerksamkeit und das Gefühl, gehört zu werden. Insofern ist die Einflussnahme durch einen Ihrer Promotoren eine recht charmante Lösung. Sie müssen gar nicht aktiv in Erscheinung treten, können aber darauf hoffen, dass in naher Zukunft auch die störenden Zwischenrufe ein Ende haben.
Maßnahmen planen
Nachdem Sie nun wissen, welche Strategien Sie für welchen Stakeholder anwenden müssen, planen Sie im Detail, was Sie mit dem jeweiligen Stakeholder machen wollen. Die oben genannten Handlungsstrategien helfen Ihnen, eine erste Einschätzung vorzunehmen, aber insbesondere bei Personen, die große Macht und ein hohes Konfliktpotenzial haben, greifen derartige Allgemeinplätze deutlich zu kurz.
Hier gilt es genau hinzuschauen: Welche Maßnahme ist angemessen, gibt es einen idealen Zeitpunkt, eine Maßnahme zu platzieren, und wer führt die Maßnahme durch? Fragen über Fragen. Da es bei der Durchführung von Stakeholdermaßnahmen immer um Kommunikation geht, stellt sich hier die einfache Frage: WER kommuniziert mit WEM, WANN und WIE, um WELCHES Ziel zu erreichen?
WER: Mit dem »Wer« wird festgelegt, wer für die Kommunikation verantwortlich ist. Das ist insbesondere im Verhältnis zu »mit wem« wichtig, damit die Kommunikation auf einer adäquaten Hierarchieebene stattfindet. Dies wird noch wichtiger, wenn man sich mit seinem Projekt in einem sozialen oder kulturellen Umfeld bewegt, in dem Hierarchien eine große Rolle spielen. Die Kommunikation mit dem Stakeholder muss auf Augenhöhe stattfinden. Leider reicht hier nicht immer die fachliche Augenhöhe, oft geht es auch um die hierarchische Augenhöhe. Insofern kann es sich anbieten, dass gar nicht Sie selbst das Gespräch suchen, sondern Ihr Vorgesetzter.
WANN: