Weniger schlecht Projekte managen. Anne Schüßler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Schüßler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783960101963
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dass sich der Einsatz der Software massiv verzögert, weil dafür Umbauten an der Infrastruktur nötig waren, der Kollege der IT-Sicherheit mit hochrotem Kopf vor Ihrem Büro steht, weil Sie Sicherheitsrichtlinien nicht beachtet haben, und alle Kollegen, die mit der Software arbeiten müssen, kein Wort mehr mit Ihnen reden, weil die gewählte Software erstens unhandlich zu bedienen ist und zweitens die Hälfte der Alltagsanforderungen nicht erfüllt.

      Besser ist es also, Sie machen sich vorher Gedanken darüber, wer außer Ihnen noch mit dem Projekt zu tun haben wird, und holen so alle Informationen, die Sie über die beteiligten Parteien benötigen, rechtzeitig ein. Nehmen Sie den ersten Satz des Zitats am Kapitelanfang und ersetzen Sie »Mensch« mit »Projekt«. Dann haben Sie die grundlegende Botschaft, um die es uns geht: Kein Projekt ist eine Insel, vollständig für sich allein.

      Vielleicht ist Ihnen bereits aufgefallen, dass die Umfeldanalyse zunächst rein deskriptiv ist, es gibt keine Bewertung des identifizierten Projektumfelds. Das liegt daran, dass die oben vorgeschlagene Systematik einen sympathischen Vorteil hat: Die sozialen Umfeldfaktoren werden Bestandteil der Stakeholderanalyse, die wir in diesem Kapitel noch näher beleuchten werden, und die sachlichen Umfeldfaktoren gehen in die Risikoanalyse (siehe Kapitel 7) ein. Erst hier findet die Bewertung der entsprechenden Faktoren statt.

      Der Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass die beiden Vorgänge der Identifikation und der Bewertung hier bewusst voneinander getrennt werden. Insbesondere sehr fachorientierte Menschen neigen dazu, identifizierte Sachverhalte sofort einer Bewertung zu unterziehen. Da wird dann gern bis ins kleinste Detail diskutiert (oft problem- und nicht lösungsorientiert), und nach geraumer Zeit stellen Sie als schlechter Projektmanager zwei Sachen fest: Erstens hat eine Klärung des Sachverhalts trotz mehrstündiger Sitzungen immer noch nicht stattgefunden, und zweitens sind die Zettel, auf denen Sie die Ergebnisse des Meetings notieren wollten, geradezu unangenehm leer. Diese fachlichen Debattierklübchen haben wir häufig genug erlebt, nur gebracht haben sie selten etwas und schon gar nicht Ihrem Projekt. Als weniger schlechter Projektmanager sind Sie in der Lage, ein Meeting, in dem es um die Identifikation von Umweltfaktoren geht, so zu lenken, dass das Papier am Ende auch beschrieben ist und Sie genau über alle relevanten Umweltfaktoren Ihres Projekts Bescheid wissen. Sie wissen außerdem, dass die Bewertung der identifizierten Umfeldfaktoren erst in einem zweiten methodischen Schritt erfolgt, nämlich in der Risikoanalyse und der Stakeholderanalyse, und können in dieser Hinsicht vorauspreschende Kollegen zurückhalten.

       Stakeholdermanagement

      Unter dem Begriff Stakeholder findet sich in der deutschen Wikipedia folgende Definition:

      Als Stakeholder (dt. Teilhaber) wird eine Person oder Gruppe bezeichnet, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projekts hat.2

      Stakeholder sind im Übrigen nicht zu verwechseln mit Shareholdern: Als Shareholder werden die Inhaber oder Anteilseigner eines Unternehmens bezeichnet. Bei Ersteren geht es also um all jene Beteiligten, die in irgendeiner Art und Weise ein Interesse am Unternehmen bzw. am Projekt haben, bei Zweiteren um die Beteiligten, die auf irgendeine Art und Weise finanziell an der Unternehmung beteiligt sind.

      Unter einer Stakeholderanalyse versteht man dementsprechend eine Ermittlung der Interessenträger einer Sache sowie die Art und Weise der Beziehung. Doch bevor wir mit der Analyse anfangen, müssen wir erst mal herausfinden, wer diese ominösen Stakeholder überhaupt sind.

      Einfach gesagt, sind Stakeholder alle Personen oder Personengruppen, die ein Interesse an dem Projekt haben oder die von dem Projektvorhaben betroffen sind. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch von den Projektbeteiligten gesprochen. Das greift allerdings deutlich zu kurz, da die Projektbeteiligten tatsächlich nur diejenigen Personen sind, die auch aktiv im Projekt mitarbeiten. Betroffenheit kann aber auch bei den Personen ausgelöst werden, die eben gerade nicht aktiv an dem Projekt oder der Durchführung des Projekts beteiligt sind. Denken Sie an die Anwohner bei einem Bauprojekt, denken Sie an die Anwender einer zu entwickelnden Software, denken Sie an die Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen, die von einem Umstrukturierungsprojekt betroffen sind, und so weiter. All diese Personengruppen sind nicht beteiligt, wurden im Zweifel auch nicht gefragt, sind aber trotzdem in hohem Maße von Ihrem Projekt und seinem Ausgang betroffen. Aber auch die aktiv am Projekt beteiligten Personen sind Stakeholder. Ihre Teammitglieder haben hoffentlich ein Interesse an dem Projekt, Ihr Auftraggeber wird sich für das Projekt interessieren, und vermutlich wird auch die Geschäftsführung einen Blick auf den Projektfortschritt und später den Projekterfolg werfen.

      Das sind schon mal ganz schön viele Menschen, die Sie zu analysieren haben. Eventuell haben Sie jetzt erst mal einen Schreck bekommen, diese ganzen Leute hatten Sie gar nicht auf dem Schirm, wo kommen die auf einmal her? Gern würden Sie jetzt hören, dass wir uns einen kleinen Scherz erlaubt haben, Sie wollten doch nur in Ruhe Ihr Projekt managen, müssen Sie sich jetzt wirklich um all diese Menschen kümmern? Und jetzt mal ehrlich, geht die das überhaupt was an, die sind doch nicht Ihr Chef, können die Ihnen wirklich in Ihr schönes Projekt reinpfuschen?

      Natürlich können Sie das, denken Sie wieder an John Donne und die Insel: Kein Projekt ist eine Insel, kein Projekt wird in einem Vakuum durchgeführt. All diese Personengruppen können Einfluss auf Ihr Projekt nehmen und werden das im Zweifel auch tun. Glücklicherweise geht es hier aber nicht nur um negativen, sondern auch um positiven Einfluss. Insofern ist es nicht nur hilfreich, sondern sogar notwendig, die Stakeholder systematisch zu analysieren, um herauszufinden, wer Ihnen im Projekt schaden kann, wen Sie aber umgekehrt auch einbeziehen können, um Ihr Projekt voranzubringen. Stakeholder können beides sein: Projektverhinderer und Projektförderer.

      Um herauszufinden, mit wem Sie es zu tun haben, müssen Sie darüber nachdenken, in welchem Verhältnis die Personen oder Personengruppen jeweils zu Ihrem Projekt stehen. Wie ist deren Interesse in Bezug auf das Projekt motiviert? In einem zweiten Schritt schauen Sie sich dann an, wie Sie mit den jeweiligen Gruppen umgehen möchten. Jetzt sind wir auch schon mittendrin im großen Stakeholderdschungel und kämpfen uns durchs Gestrüpp. Gehen wir also ein paar Schritte zurück, fangen wir noch mal ganz am Anfang an und gehen wir ganz systematisch an die Sache heran.

       Schritt 1: Stakeholder identifizieren

      Zunächst müssen Sie wissen, wer alles zu Ihren Stakeholdern gehört. Das ist tatsächlich recht einfach. Sofern Sie dieses Buch nicht nur zum Zeitvertreib lesen, sondern Ihre neuen Erkenntnisse auch im Projektalltag anwenden, sollten Sie sich bei der Projektumfeldanalyse ausführlich damit auseinandergesetzt haben, was denn nun die sozialen Umfeldfaktoren Ihres Projekts sind. Sie sollten also schon einzelne Personen oder Personengruppen als wichtig für Ihr Projekt identifiziert haben. Genau diese Personen und Personengruppen sind Ihre Stakeholder, sie haben ein Interesse an Ihrem Projekt und werden voraussichtlich auf irgendeine Art und Weise auf Ihr Projekt einwirken. Hier zeigt sich wieder, wie die einzelnen methodischen Elemente des Projektmanagements ineinandergreifen. Die Grundlage für das Stakeholdermanagement bildet die Umfeldanalyse. Die Ergebnisse der Stakeholderanalyse (die Maßnahmen zum Umgang mit Stakeholdern) finden ihren Niederschlag in der Planung (Termine, Kosten, Ressourcen). Und im Projektcontrolling werden nicht nur Termine und Kosten überprüft, auch der Erfolg einer Stakeholdermaßnahme wird hier Thema des Monitorings. Im Projektmanagement hängt alles irgendwie zusammen, Sie machen so gut wie nie etwas nur um seiner selbst willen, sondern immer auch, weil es im weiteren Verlauf des Projekts relevant sein wird.

      Weil es aber ja bei der Umfeldanalyse eher um einen Rundumblick über Ihr Projekt ging, bei dem der soziale Aspekt nur ein Teilbereich war, kann es durchaus sein, dass Ihnen der eine oder andere soziale Umfeldfaktor durchgegangen ist. Sie haben jetzt noch mal die Gelegenheit, darüber nachzudenken, wer eigentlich darüber hinaus noch von Ihrem Projekt betroffen ist.

       Umfeld-, Stakeholder- und Risikoanalyse

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